Christoph Graf Douglas, eine der bedeutendsten und originellsten Persönlichkeiten des internationalen Kunstmarkts, ist am 9. September mit 68 Jahren überraschend gestorben – Erinnerung an einen außergewöhnlichen Menschen
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12.09.2016
Für alle, die ihn kannten, ist die Nachricht von seinem Tod nicht nur traurig, sondern schockierend, war er doch ein Mann, der mitten im Leben stand, voller Lebensfreude und voller Pläne. Der ehemalige Chef von Sotheby’s Deutschland, 1948 in Konstanz geboren, war von Frankfurt aus seit 1995 als privater Kunstvermittler tätig und fädelte einige der spektakulärsten Deals des Jahrhunderts ein – wie zum Beispiel den Verkauf der Holbein-Madonna an den Unternehmer Reinhold Würth für 55 Millionen Euro.
Wer Graf Douglas kannte, erfreute sich an seinem Charme und Witz. Er war ein Mann, der viel lachte und auch über sich selbst lachen konnte. Manchmal ging sein Lachen in ein heiseres Bellen über, als ob sein Frohsinn sich in ihm überschlagen würde. Er lebte ein Leben wie aus einer anderen Zeit, wobei ihm das Vermögen, das er selbst erarbeitet und das seine Frau Bergit Oetker mit in die Familie gebracht hatte, ihm Möglichkeiten bot, von denen andere Menschen nur träumen konnten. Die Kunst von der Antike bis zur Gegenwart war nicht seine einzige Leidenschaft. Sein Herz schlug für seine Familie, für die badische Heimat und die Natur, für den Wald, von dem er immer mehr in der vulkanischen Landschaft des badischen Hegau am Bodensee kaufte, für die Jagd und für die Literatur.
Vor rund zwei Jahren begann er sein vielleicht größtes Projekt, als er seinem Cousin Schloss Langenstein im Hegau abkaufte: die Restaurierung des Anwesens und seines Mobiliars, sowie die aufwendige Renaturierung der umgebenden Landschaft sind Projekte, die Jahrzehnte in Anspruch nehmen müssten. Graf Douglas fuhr die Strecke von seinem Wohnort im Frankfurter Westend an den Bodensee oft: auf die A5 und dann rund dreihundert Kilometer nach Süden. Einmal hat er mich letztes Jahr mitgenommen, um mir das Schloss und den nahegelegenen Dauenberger Hof zu zeigen, den er mit seiner Frau, die Innenarchitektin ist, und der englischen Landschaftsarchitektin Arabella Lennox schon vor 20 Jahren in ein Zauberreich verwandelt hat. Allein 16000 Büsche und Bäume haben sie gepflanzt – und einen lieblicheren Blumengarten um den alten Bauernhof herum kann man sich nicht vorstellen. Cy Twombly war einmal hier zu Gast und soll gesagt haben, es sei das Paradies auf Erden.
Wenn schon der Bauernhof so schön ist, fragte ich mich, was will er mit der prächtigen Schlossanlage anstellen? „Es soll zum Bersten romantisch werden,“ sagte er. Zu allererst hat er einen Kiesweg anlegen lassen, der in geschwungener Bahn quer über den Golfplatz zu einem Tor führt, das wohl seit hundert Jahren nicht mehr in Benutzung war. Der Golfplatz war ihm ein Dorn im Auge und musste weichen. Schloss Langenstein, dessen Turm vielleicht sogar auf römische Zeiten zurückgeht, erzählt die Geschichte seiner Vorfahren: 1826 kaufte Großherzog Ludwig I. von Baden das Gemäuer.
Ludwig hatte aus der Beziehung mit einer Bauerstochter aus dem Renchtal einen Sohn und eine Tochter, Luise. Die Einrichtung von Langenstein, die der Großherzog zwischen 1826 und Ludwigs Tod 1830 für seine schöne Schwarzwälderin im Stil des Empire umgestalten ließ, war in den Augen von Graf Douglas „das Dokument einer Liebesbeziehung.” Die Tochter Luise heiratete später den schottischen Adligen aus dem Hause Douglas. Generationen später verlebte Graf Douglas hier nach eigenem Bekunden eine glückliche Kindheit in einem großen und unkonventionellen Haushalt. Der Großvater mit seiner zweiten Frau, der Ex-Königin von Portugal, gehörte dazu, die Eltern, die Schweizer Mutter und der Vater, der Journalist war und 1946, zwei Jahre vor der Geburt seines Sohnes, den Südkurier in Konstanz gründete, sowie der Onkel mit vier Kindern. Zum Haushalt, der mit dem Personal mehr als hundert Menschen zählte, gehörten damals auch neun bis zwölf Hunde gleichzeitig – paradiesische Zustände für Kinder. Seine Eltern, sagte Graf Douglas, pflegten ein unausgesprochenes Erziehungsprinzip: „Wir Kinder durften alles, wir durften in die Küchen und überall hin. Wir wurden unglaublich verwöhnt, aber nicht materiell.“
Seine Schulzeit gestaltete sich schwieriger. Kürzlich sollte seine alte Volksschule, ein Bau des frühen 19. Jahrhunderts auf der Hauptstraße von Eigeltingen ganz in der Nähe des Schlosses, abgerissen werden. „Da habe ich sie gekauft – das durfte nicht sein, es war doch die einzige Schule, in der ich nicht sitzengeblieben bin.“ Das mit Hilfe der Denkmalpflege restaurierte Gebäude wurde gerade, als ich da war, als Lebensmittelgeschäft wiedereröffnet. Mit der Sexta, Quinta, Quarta kamen immer wieder Schulwechsel, immer wieder, erzählte er, sei er „wegen Unverschämtheit, Faulheit und Dummheit“ rausgeflogen, bis er mit 22 Jahren doch das Abitur machte. Anschließend studierte er in Freiburg Kunstgeschichte und lebte dabei im nahen Schloss Ebnet, das seiner Tante gehörte und leer stand, was er als himmlisch empfand. Mit den Eltern hatte er einen Deal: „Ich verdiene mein Studium selbst, und Ihr fragt nicht, wie lange ich studiere.“ Das Verdienen klappte schon bald sehr ordentlich. In Freiburg arbeitete er bei einem Porzellanhändler und gründete bald neben dem Studium seine eigene, auf die Katalogisierung und Schätzung von Sammlungen spezialisierte Firma. „Teilweise hatte ich damals schon viel Geld in der Tasche,“ sagt er, wovon er sich zum Beispiel ein Motorrad kaufte. „Mein Arbeitsprinzip – ich mache alle Schritte aus dem Bauch heraus, aus der Emotion – in sehr vielen Fällen hat es sich wirtschaftlich gelohnt.“ So lief die Firma neben dem Studium her, und er verbrachte ein Jahr in Italien, fuhr mit der transsibirischen Eisenbahn nach Japan, studierte ein Jahr in Braunschweig bei Martin Gosebruch und begann dann seine Doktorarbeit über Konstanzer Silber aus der Zeit um 1300 in Freiburg bei Erik Forssmann. „So kam bei Sotheby’s das Gerücht auf, ich sei ein großer Silberexperte,“ sagte er, und ihm wurde ein Vertrag angeboten. Er begann bei Sotheby’s, aber einen festen Vertrag wollte er nicht. Erst als seine Freundin und baldige Ehefrau meinte, das werde wohl nie etwas mit der Doktorarbeit, gab er sich einen Ruck und schrieb sie zu Ende. Mit Ende Dreißig war er Deutschland-Chef von Sotheby’s und verlegte das deutsche Büro des Auktionshauses der Familie wegen von München nach Frankfurt – seine Frau hatte zwei Kinder mit in die Ehe gebracht, drei weitere folgten. Bei Sotheby’s fädelte er unter anderem die berühmten Verkäufe aus dem Haus Thurn und Taxis und aus dem Haus Baden ein, was natürlich Kritik entfachte, weil dadurch historisch gewachsene Sammlungen in alle Winde zerstreut wurden. Irgendwann wurde das ständige Reisen, das zum Auktionswesen gehört, der Familie zu viel – und er hörte wieder auf seine Frau, die ihm nahelegte aufzuhören. So machte er sich 1995 selbständig. Das Geheimnis seines Erfolges? „Wenn Sie jagen,” erklärte er, “welches Tier auch immer, es hört besser, es riecht besser, es sieht besser. Die einzige Möglichkeit ist, still zu warten. Andere machen viel Lärm, drehen ein großes Rad. Achenbach hat ein riesiges Rad gedreht, und jetzt sitzt er im Gefängnis.“
Graf Douglas war wohl der erfolgreichste deutsche Kunsthändler und dabei froh, dass er keinen großen Betrieb leitete. Sein Geschäftsmodell: „Ich nehme zehn Prozent vom Verkäufer, nichts vom Käufer.“ Er hatte seit Jahrzehnten dieselbe Mitarbeiterin, die er am Gewinn jedes Geschäfts beteiligte, und teilte sich ein Büro im Frankfurter Westend mit seiner Frau. „Ich wollte unbedingt ein Büro im oberen Stock ohne Aufzug, damit mich niemand besucht“. Natürlich hatte er keine Website, druckte keine Kataloge, sondern konzentrierte sich auf wenige, äußerst lukrative Deals. Seinen Profit investierte er immer wieder in den Ankauf weiterer Waldstücke am Bodensee.
Die Geschäfte von Graf Douglas waren nicht unumstritten – die Holbein-Madonna aus dem Besitz des Hauses Hessen, ein Renaissance-Juwel, das auf der Liste nationalen Kulturguts steht, vermittelte er für 55 Millionen Euro an den Unternehmer Reinhold Würth und vereitelte damit kurz vor Vertragsabschluss den Verkauf an das Städel Museum in Frankfurt, das freilich nur 40 Millionen hätte zahlen können.
Die Holbein-Madonna war nicht das teuerste Bild, das Graf Douglas je verkaufte. Für 85 Millionen Dollar vermittelte er ohne viel Aufsehen ein Werk von Wassily Kandinsky aus dem Jahr 1913 in die USA. Zu seinen spektakulären Transaktionen gehören Casanovas Memoiren, die an die Bibliothèque Nationale gingen (die französischen Elektrizitätswerke bezahlten sieben Millionen Euro dafür) und die Amerikanischen Reisetagebücher Alexander von Humboldts, die – u.a. mit Hilfe der Stiftung Würth – für zwölf Millionen Euro an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gingen. Die Tagebücher waren außer Landes gebracht worden, bevor sie auf der Liste nationalen Kulturguts verzeichnet waren: internationales Interesse trieb den Preis nach oben. Keine Frage, dass Graf Douglas einer der schärfsten Kritiker des neuen deutschen Kulturgutschutzgesetzes war und ein Modell nach englischem Vorbild favorisierte, das einem einheimischen Käufer ein Vorkaufsrecht garantiert, wenn er in der Lage ist, denselben Preis zu zahlen, den der ausländische Kunde geboten hat.
Mit seiner einzigartigen Vernetzung in der europäischen Adelswelt und im Kreis potenter Sammler, mit Kennerschaft und seinem sympathisch menschlichen Wesen hat es Graf Douglas zu einer Position gebracht, von der er auf dem allerhöchsten Level im internationalen Kunsthandel mitspielte. Ob man nun ein Kritiker oder ein Bewunderer ist, es besteht kein Zweifel, dass Deutschland einen seiner bedeutendsten Kunsthändler verloren hat.