Auf der diesjährigen Messe steht mit Rudolf Springer einer der ersten und wichtigsten Berliner Galeristen im Fokus. Eine Sonderausstellung des Zentralarchivs des internationalen Kunsthandels schöpft aus seinem reichen privaten Nachlass
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24.04.2017
Im Frühjahr 1960 überließ Rudolf Springer seine Räume den Studenten der Freien Universität Berlins. Sie stellten keine Kunst, sondern Gerichtsakten über amtierende Juristen aus, die belegten, dass dieselben Richter zur Zeit des Nationalsozialismus Urteile im Interesse der Diktatur gefällt hatten.
Auch das war Springer – ein politisch wacher Mann, dessen eigene jüdische Wurzeln während der Dreißigerjahre eher zufällig übersehen worden waren. Im Übrigen blickte der Spross einer Verlegerfamilie jedoch bevorzugt nach vorn. Dort leuchtete die Avantgarde, deren Kunst Rudolf Springer in seiner Berliner Galerie ab 1948 bis Ende der Neunzigerjahre kompromisslos vertrat: Karl Hartung, Ernst Wilhelm Nay, Henri Laurens oder Wols. Auch weil er sich das leisten konnte. Als Erbe war Springer vermögend genug, um nicht auf Verkäufe angewiesen zu sein. Seine erste Galerie eröffnete er 1948 im großbürgerlichen Elternhaus in Zehlendorf, und auch dies war eine mehr pragmatische als finanzielle Entscheidung. Haus und Garten waren so groß, dass es immer noch für die Familie und all ihre Gäste reichte, die auf den historischen Schwarzweißfotos dokumentiert sind. Der Schriftsteller Henry Miller zählte dazu, genau wie der italienische Bildhauer Marino Marini oder Michiko Tanaka, eine elegante Opernsängerin mit japanisch-österreichischen Wurzeln.
Wer mehr über eine der ersten und wichtigsten Galerien der Stadt wissen möchte, kommt um das Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels, kurz Zadik, nicht herum. Die Kunst mag bei jenen Sammlern untergekommen sein, die Springer begeistern konnte. Das Herz seiner Galerie aber, die Dokumente einer Jahrzehnte währenden Überzeugungsarbeit, gab er in die Hände der Kölner Institution, die seit 2002 von Günter Herzog wissenschaftlich betreut wird. Dafür erhält Herzog auf der diesjährigen Art Cologne den mit 10.000 Euro dotierten Preis der Kunstmesse – und revanchiert sich mit einer Ausstellung über die Galerie Springer. Was sich an Fotografien, Einladungen, Katalogen, Korrespondenz und persönlichen Notizen im Zadik befindet, wird sorgsam aufgearbeitet und immer noch ergänzt.
Etwa um eine Erinnerung von Rudolf Springer an Klaus Kinski, dessen Bilder er in den Fünfzigern fast einmal ausgestellt hätte. Kinski, noch jung, kam „mit einer Anzahl Zeichnungen, sehr energisch“. Springer war angetan, hatte die Einladungen schon verschickt, man traf sich zum Aufbau der Schau. Doch dann zog Kinski seine Stullen hervor und verfütterte eine davon an Springers Bullterrier. „Da sagte ich zu ihm ‚Herr Kinski, füttern Sie den Hund bitte nicht. Das ist mein Hund, und der soll nur durch mich gefüttert werden.’“ Kinski warf das nächste Brot. Und Springer sagte die Ausstellung ab.
Das ist anekdotisch, sicher. Doch was Springer 2002 noch einmal zur Historie der Galerie rekapitulierte, zeichnet zugleich seine lebenslange Haltung nach. Das Programm mit Künstlern wie Joan Miró, Hans Bellmer, Joachim Ringelnatz und Piero Dorazio als dem Wegbereiter abstrakter Kunst in Italien gehorchte keinen kunsthistorischen Regeln. Es stellte gegenständliche neben ungegenständliche Malerei und sah sich bloß einem Geschmack verpflichtet: dem des Galeristen. „Das Programm lässt eine schillernde Mischung erkennen, die grenzüberschreitend charakterisiert werden kann“, formuliert es fein ein Text des Zadik über die Entwicklung der Galerie.
Ab 1960, im Jahr der kunstfremden Ausstellung „Ungesühnte Nazijustiz“, arbeitete Michael Werner fest bei Springer – bevor er seine eigenen Räume eröffnete – und brachte jüngere Maler wie Georg Baselitz mit. Später gewannen amerikanische Künstler an Bedeutung, Sam Francis stellte ebenso aus wie Allen Jones, der aber schon in Springers letzten Räumen in der Fasanenstraße 13 zu sehen war; davor hatte er noch dreimal rund um den Ku’damm das Domizil gewechselt.
Bevor der Galerist sich 1989 aus dem Geschäft zurückzog, konfrontierte er die Berliner noch mit Arbeiten von Markus Lüpertz, Georg Baselitz, A. R. Penck, Jörg Immendorf und Ina Barfuss. Dann übernahm sein Sohn Robert. Nicht bruchlos, denn der hatte zuvor eine Galerie in Frankfurt mit eigenem Programm und Künstlern, die dem Vater nicht lagen. Inzwischen fokussiert man sich in dem auffälligen, an der Wende zum 20. Jahrhundert errichteten Backsteinbau ganz auf zeitgenössische Fotografie. Dennoch, meint Robert Springer, wäre sein 2009 verstorbener Vater unendlich stolz, wenn er wüsste, dass sich die Galerie in zweiter Generation bewährt. Wo Springer senior doch fürchtete, dass eine Galerie ihren Gründer nicht überlebt. Vater Rudolf wusste allerdings auch nicht, dass seine Kinder in der Zehlendorfer Villa gern Fußball spielten und immer mal wieder Bilder von den Wänden holten, die sie anschließend vorsichtig zurückhängten. In den drei Regalmetern, die Springers Nachlass im Zadik belegt, ist sicher noch Platz für solche Geschichten.
Rudolf Springer an seinem Schreibtisch, 1951 (Foto: Ursula Borchert)
Art Cologne, Köln, 26. bis 29. April