Kunsthandel

Hongkong auf dem Weg zum größten Kunstmarkt der Welt

Hongkong erlebt einen Boom, mit ausgelöst durch die Art Basel. Was treibt die Mega-Galerien in den Fernen Osten?

Von Stefan Kobel
26.03.2018

Kunst ist zum Faktor in Gesellschaft und Finanzwelt Hongkongs geworden. Wohl nichts verdeutlicht das besser als die Eröffnung von H Queen‘s im letzten Jahr. Nur einen Steinwurf vom Finanzzentrum im Distrikt Central gelegen, beherbergt der gerade eröffnete Glaskasten auf 24 Stockwerken neben Weltklasse-Gastronomie vor allem Galerien, David Zwirner zog als erste der sogenannten Mega-Galerien ein; pünktlich zur Art Basel Hong Kong eröffnen mit Hauser & Wirth sowie Pace zwei weitere Giganten, von denen jede einzelne mehr Umsatz macht als die Muttergesellschaft der Art Basel, die Messe Schweiz (oder MCH Group), die 2017 440 Millionen Franken erwirtschaftete. Allein Zwirner soll mit seinen weltweiten Niederlassungen rund eine Milliarde US-Dollar umsetzen. Hinzu kommt die Filiale der mittlerweile nicht nur in China omnipräsenten Pearl Lam. Zusammen bewegen diese Unternehmen sicher mehr Geld als der gesamte deutsche Kunstmarkt.

Der Asiatischen Finanzmetropole hat die Ankunft der Schweizer nicht nur einen einwöchigen Kunstmarathon beschert

Die Art Basel wirkt dagegen wie ein kleiner Fisch, eher wie ein ganz normaler Dienstleister für diese Galeriekonzerne und weniger als nahezu allmächtiges Non Plus Ultra des Kunstmarkts, als das die Veranstaltungen mit ihren drei Ausgaben in Basel, Miami Beach und eben Hongkong lange galt. Dabei ist es nicht untertrieben zu behaupten, die Art Basel habe den Boom zeitgenössischer Kunst in der ehemaligen britischen Kolonie überhaupt erst erzeugt. Seit der Übernahme der 2008 gegründeten Art Hong Kong im Jahr 2012 hat die Kunstszene der Stadt einen Boom erlebt, die selbst den Aufstieg des etwas heruntergekommenen Urlaubsortes Miami Beach in den Schatten stellt. Denn der asiatischen Finanzmetropole hat die Ankunft der Schweizer nicht nur, wie in Florida, einen einwöchigen Kunstmarathon beschert. Als zentraler Finanzplatz Asiens und relativ sicherer Hafen für Vermögen, gilt Hongkong als Hub zu Festlandchina.

Die Art Basel Hong Kong hat sich hier als erfolgreiche Handels- und Netzwerk-Plattform etabliert, die auch die Sponsoren gerne nutzen. BMW treibt mit seinen beiden Formaten der Art Car und Art Journey erheblichen Aufwand – kein Wunder, verkauft der Autohersteller in China doch deutlich mehr Fahrzeuge als in seinem Heimatmarkt. Der „Art Basel and UBS Global Art Market Report“ der von der Tefaf abgeworbenen Clare McAndrew wird wohl nicht ohne Grund im Vorfeld der ABHK veröffentlicht: Laut UBS übersteigt die Zahl der Milliardäre Asiens aktuell erstmals die derjenigen in den USA, und in zwei Jahren soll das auch für deren addierte Vermögen gelten. Soviel Reichtum spiegele sich in der wachsenden Zahl von Privatmuseen in Asien.

Die Art Basel Hong Kong hat innerhalb von nur fünf Jahren eine einzigartige Marktposition in Asien erlangt, mit der weder Veranstaltungen in Shanghai noch Peking oder anderswo in Südostasien konkurrieren können. Diese Alleinstellung ist jedoch zweischneidig. Zwischen westlichem und östlichem Kunstverständnis liegen bisweilen Welten; in den ersten Ausgaben begingen viele Aussteller den Fehler, die fernöstliche Klientel zu unterschätzen und mit einem Glasperlen-Äquivalent in Pop Art zu traktieren. Inzwischen haben die Galerien dazugelernt, auch wenn Almine Rech (Paris, Brüssel, London New York) in ihrer Kommunikation Keramiken von Pablo Picasso besonders herausstellt. Da folgt sie wohl dem allgemeinen Trend, der – angefeuert durch die letzten Auktionserfolge – in diesem Jahr besonders viel Spätwerk unterschiedlichster Qualität in die Messekojen weltweit spült.

Viele Aussteller tragen jedoch dem speziellen Ort Rechnung. Ben Brown (Hongkong und London) zeigt Arbeiten des 1922 geborenen Hon Chi Fun, Mitbegründer der Circle Art Group, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren mit klandestinen Ausstellungen die Grundlagen der zeitgenössischen chinesischen Kunst bildete. Nagel Draxler (Berlin und neuerdings wieder Köln) bietet Zhao Gang eine Plattform, dem jüngsten Mitglied der in den späten Siebzigern / frühen Achtzigern aktiven Stars Group, zu der auch Ai Weiwei gehörte.

Weder Veranstaltungen in Shanghai noch Peking können konkurrieren

Nathalie Obadia aus Paris und Brüssel stellt sich zumindest thematisch auf die Region ein, indem sie Porträt-Fotos zeigt, die der ehemalige Skandal-Künstler Andres Serrano von Chinesen in traditionellen Hochzeitskleidern angefertigt hat (Abb.). Experimentelles ist, wie bei den anderen Basel-Messen auch, eher von den kleineren und vor allem von solchen Galerien zu erwarten, für die derartige Veranstaltungen eher ein Marketinginstrument denn Umsatzgarant sind. Aber vielleicht ist Hongkong auch genau der richtige Ort für die Berliner Galerie Société, um die immersiven Virtual Reality-Arbeiten von Timur Si-Qin zu präsentieren (Abb.). Das digitale Spiel mit der Bilder- und Warenwelt fällt in dem Labor der Metropole des 21. Jahrhunderts, die Hongkong für Viele ist, möglicherweise auf fruchtbareren Boden als in traditioneller aufgestellten Gesellschaften.

248 Galerien nehmen an der Art Basel Hong Kong 2018 teil, davon 27 aus Deutschland, von denen wiederum 21 in Berlin beheimatet sind.  An dieser Stelle fällt wieder einmal auf, wie unbedeutend der Marktplatz Berlin doch wohl ist, so wichtig die deutsche Hauptstadt als Ort des Diskurses und der Produktion auch sein mag. Keine der eingangs aufgezählten Mega-Galerien würde wohl je auf die Idee kommen, in Deutschland eine Niederlassung zu eröffnen, aber vieles, was Rang und Namen hat in Berlin, stellt in Hongkong aus.

Service

Messe

Art Basel Hong Kong

Convention & Exhibition Centre
29. bis 31.März

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