Die Bamberger Kunst- und Antiquitätenhändler sind die Hüter wahrer Schatzkammern mit Stücken von der Gotik bis zur Gegenwart. Wir richten unseren Blick auf die einfallsreich gearbeiteten Möbel des 18. Jahrhunderts.
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23.07.2018
Wer nimmt heute noch auf so elegante Weise seinen Kaffee zu sich? Die drei Damen sind aufwendig zurecht gemacht, nach der neuesten Mode frisiert und mit ihrem exaltierten Kopfputz als Mitglieder der höfischen Gesellschaft erkennbar. Auf dem Tisch steht ein Tablett mit Kaffeekanne und Koppchen, den henkellosen Trinkschalen, die in Meissen nach asiatischem Vorbild hergestellt wurden. Das ist gerade sehr en vogue, denn es ist noch nicht lange her, dass die exotischen Heißgetränke Kaffee, Schokolade und Tee Einzug in die wohlhabenden Haushalte Europas hielten. Die Damen führen eine lebhafte Unterhaltung. Wir blicken nicht auf ein Gemälde; die Szene aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts schmückt die ovale Platte eines höfischen Salon-Klapptischs, entstanden um 1720/25 in Breslau. Er ist kostbar furniert und üppig mit teilweise gravierter und brandschattierter, figürlicher und ornamentaler Marketerie in verschiedenen Hölzern sowie Elfenbein und Zinnbändern ausgestattet. Der Tisch ist nur eines der raren Prunkmöbel, für die Antiquitätenliebhaber nach Bamberg pilgern. Er wird von Christian Eduard Franke angeboten.
Wenige Schritte entfernt hält der Kunsthandel Senger einen zierlichen Teetisch aus dem Neuen Schloss in Bayreuth bereit. Er ist weiß-gold gefasst und rund 25 Jahre später als der Breslauer Tisch entstanden. Ebenfalls der neuesten Mode entsprechend, besitzt er eine Fayenceplatte, die mit farbigen Blumenbuketts bemalt ist. Vermutlich diente er Markgräfin Wilhelmine, der Schwester Friedrichs II., als passendes Möbelchen zum Genuss der begehrten neuen Getränke. Die innovativen Möbelschreiner dieses glanzvollen Jahrhunderts wussten, wie sie ihre verwöhnte Klientel mit jeweils neuen Schöpfungen betören konnten. In Deutschland wetteiferten im 18. Jahrhundert die Fürstentümer und Residenzen um die prachtvollsten Ausstattungen: Innenräume, die samt Mobiliar als Gesamtkunstwerk von Architekten und Bildschnitzern konzipiert wurden und teilweise bis heute bestehen. Man denke nur an die berühmten Raumschöpfungen in München, Würzburg, Bayreuth oder Potsdam. Wir blicken zurück in eine Epoche, der wir nicht nur die Aufklärung verdanken, sondern auch die immer weiter fortschreitende Differenzierung und Kultivierung aller Lebensbereiche.
Kaum glaubhaft etwa, dass es Kommoden nicht schon immer gab. Dieses uns Heutigen so selbstverständliche Möbel ist eine Schöpfung der damaligen Jahrhundertwende. Um 1700 verdrängte die Kommode nicht nur die Truhe, sondern schuf bis heute einen Ort, um darauf Leuchter, Vasen, Uhren oder Ähnliches dekorativ zur Schau zu stellen. Rasch zog sie von den aristokratischen Salons auch in die bürgerlichen Wohnräume ein. Zwar war der dreischübige Typ am weitesten verbreitet, aber auch da bildeten sich attraktive Sonderformen heraus. Zu den reizvollsten und elegantesten gehören die sogenannten Altonaer Kommoden der 1760er- bis 1780er-Jahre: Sie haben nur zwei Schubladen. Der im Verhältnis zu anderen Modellen nicht sehr breite Korpus steht auf hohen geschwungenen Beinen. Charakteristisch ist das dreiseitig umlaufende und doch frei herunterhängende vergoldete Schnitzwerk. Ansonsten blickten die Raumausstatter bevorzugt nach Paris, um sich Anregungen zu holen. Um auch die heimischen deutschen Salons mit Kerzenlicht zu erhellen, das durch Spiegel vielfach reflektiert, nutzte man zur Platzierung der Leuchter Guéridons oder Torchèren als letzen Schrei: kleine Tischchen auf hohem Mittelschaft, die meist paarweise angefertigt wurden. Besonders schöne Exemplare fertigte Ferdinand Hund, der 1735 bis 1750 als Möbel- und Zieratenschnitzer an der Innenausstattung der Würzburger Residenz mitwirkte, bevor er als Hofschreiner nach Bruchsal wechselte. Neben seinen reich geschnitzten Tischen, Spiegelrahmen und Kaminschirmen fallen vor allem Hunds Guéridons für die Schlösser in Pommersfelden, Würzburg oder Bruchsal ins Auge. Mit ihrem wild bewegten Rocailledekor wirken sie beinahe wie lebendige Skulpturen.
Doch die deutsche Möbelkunst des 18. Jahrhunderts brillierte vor allem mit der Vielfalt neuer Schreibmöbel. Um 1716 wurde der Schreibschrank, auch Aufsatzsekretär genannt, erstmals erwähnt. Anfangs noch am traditionellen Kabinettschrank auf hohem Fußgestell orientiert, verbreitete er sich gegen 1740 als deutsches Herren-Prunkmöbel schlechthin und konnte sich bis zum Jahrhundertende behaupten. Über einem Kommodenunterbau lagert das Schreibfach zum Aufklappen mit schräger Pultplatte oder gerader Fallklappe und kleinen Fächern. Darüber erhebt sich, meist zurückgesetzt, ein zweitüriger Aufsatz, mit weiteren Fächern oder Schubladen im Inneren. Auch hier entwickelten sich – typisch für Deutschland – charakteristische regionale Ausprägungen in der kleinteiligen Landschaft der weltlichen und geistlichen Territorien. Zu den aufregendsten Sonderfällen zählt das »Cantourgen« aus Mainz, bei dem die seitlichen, über Eck gestellten Lisenen sich in prächtigen geschnitzten Voluten vom Möbelkörper lösen und frei in den Raum schwingen können. Im Gegensatz zu diesen wandbündigen Schreibschränken steht das allansichtige Bureau plat frei im Raum. Der ursprünglich französische, große flache Schreibtisch konnte sich in Deutschland nur im fürstlichen und adeligen Umfeld durchsetzen. Höfische Lackmöbel waren wiederum eine Berliner und Dresdner Spezialität. Ihre Verbindung ist Martin Schnell zu verdanken. War er doch als Lackierer in der Berliner Werkstatt der Brüder Dagly tätig, bevor August der Starke ihn 1710 als Hoflackkünstler nach Dresden holte. Deshalb geht man davon aus, dass die Mehrzahl der in Dresden zwischen 1710 und 1731 entstandenen Lackmöbel auf Schnell zurückgehen.
Der Kunstfertigkeit waren kaum Grenzen gesetzt. Ob Furnier, Marketerie oder Politur – selbst gewöhnliche Zunftschreiner beherrschten diese differenzierten Techniken perfekt, sodass auch dem gehobenen Bürgertum abseits der Höfe und Handelsmetropolen hervorragendes Mobiliar zur Verfügung stand. Wenn Geld keine Rolle spielte, hat man zudem Elfenbein, Horn oder Schildpatt, Zinn oder Messing und sogar Silber zu kostbaren Einlagen verarbeitet. Doch damit nicht genug, für fast alle gesellschaftlichen und häuslichen Tätigkeiten wie Lesen, Schreiben oder Spielen entstanden spezielle Möbeltypen. Für die Damen entwickelten die Schreiner zierliche Boudoir-Möbel und durchdachte Näh- oder Schminktische. Gleichzeitig übertrafen sich die Kunstschreiner in der Herstellung von Mehrzweck- und Verwandlungsmöbeln.
Zu den raffiniertesten Stücken zählen die Schöpfungen der Neuwieder Werkstatt von Vater Abraham und Sohn David Roentgen. Sie waren die Ersten, die ihre Möbel konsequent in ganz Europa als Luxuslabel vermarkteten. Und was das Handwerkliche betrifft, standen die Roentgens für die hohe Arbeitsethik der Herrnhuter Pietistengemeinschaft, der sie angehörten. Ihr Blick war nicht mehr nach Frankreich gerichtet (auch wenn sie in Paris mit ihren Stücken reüssierten); sie orientierten sich als »Cabinet-Macher« an der praktischen englischen Möbelkunst. Als Paradebeispiel ihrer raffinierten Konstruktionen sei der sogenannte Architektentisch erwähnt. Entsprechend den Gepflogenheiten der Neuwieder Manufaktur wurde er um 1765 nicht mehr als Einzelstück, sondern in kleiner Serie gefertigt, allerdings mit unterschiedlichem Dekor. Dafür erwirkte Abraham Roentgen 1763 vom Landesvater, dem Grafen von Wied, ein Privileg der Zunftfreiheit. Eine Ausführung des Architektentisches ist in Schloss Schwetzingen zu bewundern, eine andere ging nach Schloss Pommersfelden; auch im Kunsthandel ist das Verwandlungsmöbel schon aufgetaucht. Die Platte des Tisches ist mehrfach verstellbar, sodass man stehend oder sitzend an ihm arbeiten kann. Der Schubkasten darunter enthält ein Schreibfach. Charakteristisch sind seine geschnitzten Bocksbeine. Das edle Furnier besteht aus Mahagoni-, Ahorn- und Kirschbaumholz. Die Beschläge aus Bronze und vergoldetem Messing haben die Neuwieder aus der Koblenzer Gürtlerwerkstatt der Witwe von Anton Kern bezogen. Um die bezaubernde farbige Wirkung der gravierten Marketerie zu erreichen, hat Roentgen unterschiedliche Techniken kombiniert, die Hölzer selbst in der Fläche gefärbt und die Gravuren schwarz und rot verfüllt. Allein für die Staubgefäße der Blüten wurden kleinste Holzstäbchen in die Oberfläche eingetrieben. Die Möbel der Roentgens waren in ganz Europa begehrt, jedoch ging durch Kriege und Rezessionen ein Teil der Kundschaft verloren. Immer wieder wirkte sich die politische Großwetterlage auf den Absatz der Luxusmöbel aus. Um die wirtschaftlichen Einbrüche abzufangen, veranstalteten Abraham und sein Sohn David 1769 in Hamburg eine Lotterie, bei der sie Teile des Lagerbestands verkaufen konnten. Die Manufaktur ging immer mit der Zeit, und erfolgreich vollzog David den Stilwandel zum Klassizismus. Auf die überbordende Fantastik des Rokoko folgte mit der aufkeimenden Antikenbegeisterung ein Umschwung. Vernunft und Natürlichkeit galten als neue Richtlinien. Neben weiß und gold gefassten Luxusmöbeln eroberte dunkles Mahagoni, kombiniert mit glänzenden, vielfach vergoldeten Bronzebeschlägen, die Prunkräume und Herrenzimmer. In der Möbelkunst waren nun gerade Formen und glatte Flächen angesagt; auch das Verhältnis von Stütze und Last sollte wieder klar zum Ausdruck kommen.
Dank einer Ausstellung im Leipziger Grassi-Museum im Jahr 2015 wurde eine breitere Öffentlichkeit mit einem hervorragenden Möbelkünstler des ausgehenden 18. Jahrhunderts bekannt gemacht. Die Schau galt dem kursächsischen Hoftischler und innovativen Unternehmer Friedrich Gottlob Hoffmann. Er schuf nicht nur hervorragende Stücke des Klassizismus, sondern läutete 1789 mit dem ersten deutschsprachigen Möbelkatalog eine neue Ära der Vermarktung ein. Durch kursierende Vorlagen und Publikationen verloren regionale Unterschiede immer mehr an Bedeutung. Nach 1800 brachten der Klassizismus, das Biedermeier und der Historismus Exzellentes hervor, aber die Möbelkunst hatte ihre größte Blütezeit hinter sich gelassen. Die im Barock und Rokoko geleistete Raffinesse an Oberflächenbehandlung, die handwerkliche Erfindungsgabe und die aufwendige Bearbeitung ganz unterschiedlicher Materialien wurden nie wieder erreicht.