Curt Herrmann war einer der führenden deutschen Vertreter des Neoimpressionismus. Nun zeigt das Kunsthaus Bühler in Stuttgart erstmals eine Überblicksschau seines Werks.
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14.09.2018
„Den Strohhut auf dem Kopfe, macht er nun im Winter den Eindruck eines Gärtners im Sommer…“ so begegnet uns der Maler auf einem Selbstbildnis von 1914 neben seinen pointillistisch getupften Gemälden mit üppigen Blumensträußen, Landschaften im warmen Sonnenlicht oder duftig-zarten Aquarellen. „… was er so meisterhaft zur Ausführung bringt: das Trainieren der Farbe, die dann eine Leuchtkraft bekommt, dass man ihr die Materie nicht mehr anmerkt“, charakterisierte der Dichter Peter Hille treffend das Werk von Curt Herrmann. Dabei hatte der führende deutsche Vertreter des Neoimpressionismus ganz konventionell zu malen begonnen. 1854 in Merseburg an der Saale geboren, ging seine Familie 1870 nach Berlin. 1873 trat er in das Atelier von Carl Steffeck ein, zu dessen Schülern vorher schon Max Liebermann und Hans von Marées gezählt hatten. 1884/85 setzte er seine Ausbildung an der Münchner Akademie fort. 1893 wieder in Berlin, eröffnete er eine Zeichen- und Malschule für Damen, die er rund zehn Jahre betrieb.
1897 war ein entscheidendes Jahr für Curt Herrmann: Er heiratete seine Malschülerin Sophie Herz, Tochter einer vermögenden Bankiersfamilie, was ihm finanzielle Unabhängigkeit beschert hat. Damit verbunden war der Besitz von Schloss Pretzfeld in Franken, das er auf heiter-durchsonnten Gartenbildern verewigen sollte. Auf der Hochzeitsreise lernte er Henry van de Velde kennen. Über ihn kam er in Kontakt zur aktuellen französischen Kunstszene um Georges Seurat. Die persönliche Freundschaft mit Paul Signac, Henri-Edmond Cross und weiteren Malern im Lavandou hatte nicht nur seinen Stilwandel zum Neoimpressionismus zur Folge. Herrmann sammelte nun deren Werke und machte sie in Deutschland durch Ausstellungen bekannt. 1898 wurde Curt Herrmann Gründungsmitglied der Berliner Secession und nach deren Teilung 1914 Mitglied und bis 1918 Präsident der Freien Secession. Seit 1902 engagierte er sich zudem im Deutschen Künstlerbund. 1917 wurde ihm der Professorentitel verliehen. Obwohl Herrmanns harmonische Bilder in Farbenschönheit schwelgen, förderte er auch konträre Kunstströmungen wie die Maler der Brücke.
Curt Herrmanns goldene Schaffenszeit umspannt das erste Viertel des 20. Jahrhunderts. Während des Krieges entstanden wegen der Materialknappheit auch zauberhaft-zarte Aquarelle. Er starb 1929. So musste er das Dritte Reich, das seine Bilder als „entartet“ brandmarkte und aus den Museen entfernte, nicht mehr erleben. Seine Frau, die Jüdin war, nahm sich das Leben. Sohn Fritz, als Halbjude gefährdet, floh nach London. 1938 zerstörten die Nationalsozialisten das Schlossgut Pretzenfeld. Damit ging ein Großteil der Werke von Curt Herrmann unter.
1905 gegründet, ist das Kunsthaus Bühler in Stuttgart seit Jahrzehnten eine führende Adresse für deutsche und französische Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts und hat immer auch Bilder von Curt Herrmann im Programm. Ob in Maastricht, Köln oder München wurden Messebesucher mit Curt-Herrmann-Arbeiten dort vertraut. Im vergangenen Jahr sind beide Enkelsöhne, Frank und Luke Herrmann, mit denen die Kunsthändler seit Mitte der 1980er eine enge Verbindung pflegten, gestorben. Nun zeigt das Kunsthaus Bühler in Stuttgart erstmals eine große Überblicksschau mit rund 50 Werken von Curt Herrmann. Zu den verkäuflichen Gemälden (30.000–180.000 Euro) und Aquarellen (12.500–19.500 Euro) gesellen sich einige wichtige Leihgaben. Im Katalog der Ausstellung wird er als „Stiller Revolutionär“ bezeichnet – treffender könnte man Herrmanns Kunst nicht beschreiben.
Kunsthaus Bühler, Stuttgart
„Curt Herrmann – Ein deutscher Neoimpressionist“
15. September bis 31. Oktober 2018