Kunsthandel

Das Beste aus allen Welten

Die Brüsseler Brafa behauptet sich als wichtige Kunst- und Antiquitätenmesse für Sammler, die sich für alle Jahrhunderte interessieren. Wie die Objekte diverser Epochen miteinander harmonieren können, zeigen Händler, die sie selbst kombinieren.

Von Christiane Meixner
28.01.2019

Bei Phoenix Ancient Art ist man stolz auf eine antike römische Statue, die knapp über zwei Meter misst und 4,2 Millionen Euro kosten soll. Der New Yorker Kunsthändler Hicham Aboutaam betont an seinem Brafa-Stand die eigenständige ästhetische Sprache der beiden Figuren Dionysos und eines Satyrs, ihrer glatten Körper aus Mamor, die auffallend wenig mit den griechischen Vorbildern zu tun haben. Am anderen Ende der großen Brüsseler Messe für Kunst und Antiquitäten sitzt Didier Claes hinter einer halbrunden Wand mit 30 hölzernen Kämme aus dem Kongo, die die Schnitzkünste verschiedener Ethnien aus dem 19. Jahrhundert en miniature vorführen. 6000 bis 13.000 Euro kosten die raren Exponate pro Stück – und im Gegensatz zum monumentalen Messe-Highlight von Poenix Ancient Art findet sich noch im kleinsten Appartement ein Platz dafür.

Die beiden Beispiele sind, was ihre Größenverhältnisse anbelangt, Extreme unter den rund 15.000 Bildern, Skulpturen, Uhren und Möbeln, die diesmal 133 Händler aus aller Welt auf die Brafa mitbringen. Doch sie stecken den Rahmen ab für all die Schätze, denen man hier begegnet: von der klitzekleinen Kreuzigungsszene in Elfenbein über Meissener Porzellan am Stand von Röbbig oder Artefakten aus Afrika und Ozeanien bis hin zu Malerei der Renaissance, Klassikern der Moderne und Künstlern der Gegenwart wie Jan Fabre oder den fünf großen Fotomontagen von Gilbert & George als den aktuellen Ehrengästen der Messe.

Dazwischen manifestieren sich andere neue Ideen, wie sie die Galerie Theatrum Mundi vertritt. An ihrem Stand findet man Batmans Maske, einen schwarzen Überzug aus Gummi (70.000 Euro), den 1995 Schauspieler Val Kilmer in seiner Rolle als Batman getragen hat. Die Kunsthandlung aus dem italienischen Arezzo versteht sich als „Wunderkammer des 21. Jahrhunderts“, ihr Auftritt auf der Brüsseler Kunst- und Antiquitätenmesse Brafa ist als Nebeneinander kurioser Objekte inszeniert. Es warten sowjetische Raumanzüge neben einer Sonnenuhr aus dem 18. Jahrhundert im Taschenformat sowie weitere Filmkostüme etwa aus „Alien“: ein Anzug von 1975 mit der klaren Handschrift des Künstlers HR Giger für 35.000 Euro.

Natürlich gibt es auf der Brafa auch die Kunstkammer historischen Zuschnitts, wie sie Alex van den Bossche (Porfirius Kunstkammer) seit Jahrzehnten kontinuierlich aufbaut. Mit ziselierten Silberbechern, römischen Fragmenten und fächerförmig arrangierten Korallen. Doch die Hinwendung zum cross collecting fällt auf, weil es Vorschläge für ein eklektisches, interessantes Sammeln macht. Die Konzentration auf ein Genre, seine Vervollständigung über Jahrzehnte mit wissenschaftlicher Akribie: Solche Ambitionen sind selten geworden. Die Kunsthändler reagieren darauf mit neuen Strategien.

Pionier dieser Schule ist der belgische Händler Axel Vervoordt, sein Stand zelebriert das kontrastreiche Arrangement auch diesmal. Antiken treffen auf schlichte ägyptische Gefäße – Kanopen, in denen die Eingeweide Verstorbener einst separat bestattet wurden –, Möbel des Mid Century finden sich neben einer Skulptur aus gepresstem Schrott von César, die lapidar wie ein Beistelltisch im Raum steht. Das Ergebnis betört, weil Vervoordt den Willen zur ästhetischen Gestaltung, wenn auch in unterschiedlichen Sprachen, durch alle Epochen vorführt.

Die Messe selbst unterstützt diesen Dialog mit der Einladung ihrer diesjährigen Ehrengäste. Das britische Künstlerduo Gilbert & George absolvierte zur Eröffnung nicht bloß mehrere Auftritte. Fünf seiner monumentalen, provokanten Fotomontagen hängen in den Gängen der Tour & Taxis-Halle und heben das Niveau der Gegenwartskunst an einigen Stellen enorm. Weshalb etwa in der Guy Pieters Gallery, deren Koje zu den größten der Messe zählt, jedes Jahr verlässlich die nackten Pin-ups von Mel Ramos aus Bananen kriechen oder sich auf Zigarren räkeln, bleibt ein Rätsel.

 

Ramos, der 2018 verstarb, taucht auch an anderen Ständen auf. Und genau hier, zwischen Nachbarn mit wunderbaren antiken Skulpturen wie bei Grusenmeyer – Woliner, die auf Stammeskunst spezialisiert sind und deren kopflose Figur mit einem Kleid aus zahllosen, in Marmor getriebenen Falten begeistert, wird die Glätte solcher Pop-Art-Ausläufer offenbar.

800.000 Euro, wie sie die Kunsthändler aus Brüssel für ihre lebensgroße Römerin erwarten, sind selbst auf der Brafa viel Geld. Doch es gibt auch Objekte für weit weniger. Bestes Beispiel ind die fünf Fossilien der ausgestorbenen Haiart Megalodon am Stand von Artancient, die wie kleine Skulpturen aussehen. 4900 Euro sollte jede von ihnen kosten, und schon zur Vorbesichtigung klebten an allen rote Punkte. Die Londoner Kunsthandlung hat aber auch einen 30 Millionen Jahre alten Stein für 84 000 Euro dabei, bei dem man sich kaum vorstellen kann, dass er von selbst als Ablagerung entstanden ist. „Maker Unknown“ steht als Motto über der Koje, die solch natürlichen Phänomene mit antiken Köpfen anonymer Künstler kombiniert.

Bei Florence de Voldère sind die flämischen Wimmelgemälde des 17. Jahrhunderts etwa von Pieter Bruegel d. J. derart illuminiert, dass man sie im ersten Moment für moderne Leuchtkästen hält. Kein Detail geht verloren. Bei Steinitz aus Paris fühlt sich der Besucher wie in einem Prachtsaal aus dem 18. Jahrhundert. Bloß dass sich die musealen Preziosen erwerben lassen. Genau wie beim Münchner Porzellanexperten Röbbig, der zum ersten Mal an der Messe teilnimmt. Zu den weiteren erstmaligen Ausstellern zählen international renommierte Galerien wie Bowman Sculpture aus London, Sandro Morelli aus Florenz, Rosenberg aus New York oder von Vertes aus Zürich. Aus Paris kehren Maison Rapin und Pierre Segoura nach kurzer Abstinenz wieder zurück. Es gibt wohl kaum ein Sammelgebiet, das hier nicht von Experten vertreten wird. Eines der kostbarsten Exponate beim Silberspezialisten Philippe d’Arschot ist das Tafelstück in Gestalt eines Schiffes, das der Augsburger Silberschmied Heinrich Winterstein Anfang des 17. Jahrhunderts schuf (220 000 Euro). Dem Genius Loci begegnet man in der Lancz Gallery dank belgischer Malerei – ihr Schwerpunkt liegt auf der Entstehungszeit von 1890 bis 1930. »Der kleine Harlequin« (um 1928), ein zauberhaft intimes Gemälde von Anto Carte, kostet 190 000 Euro.

Wer die Auktionen im vergangenen Jahr verfolgt hat, den wundert kaum das explodierende Angebot von Bildern des Op-Art-Stars Victor Vasarely. Vor wenigen Jahren galt er noch als dekorativ, nun diskutieren Händler und Besucher seine psychedelischen Muster intensiv. Alles eine Frage der Zeit – und des eigenen Geschmacks, der solchen Trends auf der Brafa durchaus vorgreifen kann.

 

Service

Messe

Brafa Art Fair, Avenue du Port 88, Brüssel; bis 3.2. www.brafa.art

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