Auf der Art Dubai laufen die Fäden zwischen Europa, Afrika und Fernost zusammen. Mit der 13. Ausgabe kann die Messe ihre Bedeutung für die Region behaupten
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22.03.2019
Wo vor fünfzig Jahren nicht viel mehr als Wüstensand war, regieren heute Weltrekorde: Künstlich angelegte Ferieninseln, unzählige Shoppingmalls und das Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt, haben Dubai zur Stadt der Superlative aufsteigen lassen. Urbane Utopien bestimmen dieser Tage auch das Programm der Kunstmesse Art Dubai. 92 Galerien aus 42 Ländern zählt man auf der Teilnehmerliste, die sich in die Hauptsektionen „Contemporary“ und „Modern“ unterteilt. Nicht nur Sammler, Händler und Galeristen aus der Region reisen an, auch Europäer sind hier stark vertreten: So zeigt Victoria Miro hypnotische Leinwände des Kanadiers Stan Douglas, der zeitgleich im angrenzenden Emirat Sharjah auf der Biennale ausstellt. In der Koje von Kristin Hjellegjerde stechen die abstrakten Kompositionen von Sinta Tantra ins Auge (Preise zwischen 12.000 und 20.000 Dollar), während Sprüth Magers auf Dauerbrenner wie Andreas Gursky setzt.
„Wir nehmen mittlerweile zum vierten Mal an der Messe teil,“ erklärt Moiz Zilberman, Gründer der Zilberman Gallery mit Sitz in Istanbul und Berlin. „Ich habe mich hier immer wohlgefühlt, vor allem, weil die Art Dubai eine ausgezeichnete Mischung an Kuratoren, Sammlern und Kunstinteressierten anzieht.“ Das Projekt „Operation Sunken Sea“, mit dem sich die ägyptische Künstlerin Heba Y. Amin die größenwahnsinnige Kolonialfantasie vom Superkontinent „Atlantropa“ aneignet, sorgt an seinem Stand für Gesprächsstoff. Was würde passieren, wenn man das Mittelmeer trockenlegt? Wie sähe es aus, wenn sich Afrika und Europa zusammenschließen? Fragen, über die Diktatoren, Schriftsteller und Wissenschaftler immer wieder spekulierten: Der Science-Fiction-Pionier H. G. Wells malte sich das Szenario in seinem Buch „Outline of History“ aus, dem deutschen Architekten Herman Sörgel schwebte ein Staudamm an der Straße von Gibraltar vor. Heba Y. Amin kehrt das totalitäre, eurozentrische Narrativ um: Sie appropriiert offizielle Dokumente und Reden, denkt das Projekt jedoch aus der Perspektive Afrikas. Ihr Re-Staging alternativer Geografien war 2018 bereits auf der Berlin Biennale zu sehen, Zilberman bietet ihre Videoarbeiten und Fotografien nun für Preise zwischen 7500 und 14.500 Dollar an.
Alternative Geschichtsschreibungen beschäftigen auch die Künstlerin Wanja Kimani, die in Addis Ababa den Kunstraum Guzo Art Projects betreibt. In der neuen Messesektion „Bawwaba“, die Einzelpositionen des globalen Südens ins Zentrum rückt, zeigt Kimani eine Installation aus Videos, Skulpturen und Textilien, aufbauend auf dem wegweisenden Essay „Venus in Two Acts“ der afro-diasporischen Literaturwissenschaftlerin Saidiya Hartman (Preise zwischen 1000 und 3500 Pfund). Als „Critical Fabulation“ bezeichnet Hartman das Theorieinstrument, mit dem sie sich der Geschichte der Sklaverei nähert. Ihr Blick gilt dabei insbesondere den Stimmen versklavter Frauen, die in Historienarchiven bis heute nicht zu Wort kommen. „Meine Arbeit greift ihre Ideen von Autorschaft und Trauma in Verbindung mit dem Körper der Schwarzen Frau auf,“ fasst Kimani zusammen. „Ich bin zum ersten Mal als Künstlerin und Galeristin auf der Art Dubai und besonders gespannt darauf, die Region und ihre Künstler kennenzulernen.“
Wer die lokale Kunstszene Dubais verstehen will, kommt um einen Ort nicht herum: die Alserkal Avenue im Industrieviertel Al Quoz, eine Galerie-Enklave im Nirgendwo zwischen Autobahnen und Lagerhallen. Auf knapp 50.000 Quadratmetern werden hier alle Bedürfnisse des polyglotten Sammlerpublikums bedient – vegane Bowls, limitierte Sneaker und Coffee Tasting Workshops inklusive. Wo einst Autowerkstätten ihren Sitz hatten, bezogen Ende der Nullerjahre Kunsthändler ihre Räume. Heute gilt der Komplex als größtes Galerienviertel des Nahen Ostens. Einer der ersten, der sich hier niederließ, war Kourosh Nouri. Gemeinsam mit seiner Partnerin Nadine Knotzer führt er die Galerie Carbon 12. „Während die Art Dubai die Stadt weltweit zum Gesprächsthema in Kunstkreisen gemacht hat, hebt die Alserkal Avenue als cultural hub die hier ansässigen Galerien auch außerhalb der Messezeit auf ein Level, das international mithalten kann,“ erzählt Nouri.
Als die Galerie 2009 ihre Türen in der Alserkal Avenue öffnete, fehlte es noch an der notwenigen Infrastruktur. Heute ist es vor allem dem ambitionierten Programm von Carbon 12 zu verdanken, dass das Viertel auch jenseits der Grenzen von Dubai bekannt ist. Künstler aus dem deutschsprachigen Raum wie Ralf Ziervogel und Monika Grabuschnigg brachte das Galeristenduo mit den österreichisch-persischen Wurzeln früh an den Golf. Während ihre Kollegen damals vor allem auf lokale Kunst setzten, bauten Nouri und Knotzer ein Portfolio auf, das regionale Positionen mit internationalen Namen verband. Auf der Art Dubai zeigen sie Gemälde von André Butzer (Preise zwischen 50.000 und 90.000 Euro) und Mixed-Media-Arbeiten wie „You keep me warm in a world that grows colder“ der Künstlerin Sara Rahbars (Preis 42.000 Dollar).
Ganz gleich, ob es nach Emirati oder Expats geht, es ist diese Mischung aus Weltoffenheit und Traditionsbewusstsein, die Dubai auszeichnet. Auf der Satellitenmesse Sikka Art Fair, die in den engen Gassen des historischen Stadtviertels Al Fahidi stattfindet, wird dieser Dialog noch offenkundiger sichtbar. Junge Künstler, meist ohne Galerievertretung, stellen hier ihre Arbeiten aus – zwischen Windtürmen, Moscheen und verwunschenen Innenhöfen.
Art Dubai, 20. bis 23. März, Madinat Jumeirah