Bislang konnte der Kunsthandel keine effiziente Lobby auf die Beine stellen, die Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel soll das ändern
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15.04.2019
Dinge, die gleichzeitig geschehen, sind meistens nicht die Ursache voneinander, auch wenn es so aussieht. Aber in diesem Fall gibt es doch Berührungen: Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien unterzog gerade ihr umstrittenes Kulturgutschutzgesetz von 2016 einer ersten Bewertung, während sich der deutsche Kunsthandel in einem Interessenverband organisiert. Das sind beides nicht unbedingt weltbewegende Ereignisse, aber sie zeigen dem Beobachter eine gewisse zähe Unruhe auf dem Feld des Kunstsammelns und Kunsthandelns an, genauer gesagt einen nicht nachlassenden Unmut über unsachgemäße und oft unverhältnismäßige Eingriffe des Gesetzgebers in dieses Gebiet. Nach wie vor befinden sich Sammler und Händler im Widerstand gegen das deutsche Kulturgutschutzgesetz, während die zuständige Behörde dasselbe schon nach zwei Jahren für die Parlamente evaluieren muss. Auch das ein Anzeichen von Nervosität.
Die jetzt gegründete „Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel“ geht aus dem „Aktionsbündnis Kulturgutschutz“ hervor, was bereits die Stoßrichtung der neuen Einrichtung markiert. Dass sich der Handel zusammenschließt – Galeristen, Auktionatoren, Münzhändler und Antiquare – lässt auf echten Leidensdruck schließen. Traditionsgemäß herrscht Distanz untereinander, die von freundlich-desinteressiert bis spinnefeind reicht. Nach dem Gesetzgebungsverfahren allerdings musste der Handel einsehen, dass es nicht hilfreich war, mit unterschiedlichen Stimmen Einwände vorzutragen, dass Argumente verpufften und ein Anschein von Kompromissbereitschaft entstand. Richtig ist: Es gelang diesem Wirtschaftszweig nicht, eine effiziente Lobby auf die Beine zu stellen, weder in Berlin noch in Brüssel. Das soll sich künftig ändern.
Auf der anderen Seite ist auch der robuste Durchsetzungswille der Bundesbeauftragten nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit. Die Länder stimmten dem Gesetz nur unter Auflagen zu: Nach zwei Jahren sollte der Verwaltungsaufwand überprüft werden, also jene Kosten, die auf die Länder zukommen, wenn ihre Behörden in Zukunft über die legale Aus- und Einfuhr von Kunst und übers nationale Kulturgut entscheiden müssen. Dieser Bericht liegt nun vor. Nach fünf Jahren jedoch, das wird 2021 der Fall sein, erfolgt die eigentliche Evaluation des Gesetzes, jene, die seine Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft erfasst und seine wirtschaftlichen und kulturellen Defizite auflisten wird. Dann freilich muss schon eine neue Regierung über das Gesetz befinden.
Der vorliegende Bericht „Zwei Jahre Kulturgutschutzgesetz“ ist ein wenig bizarr. Er listet die angefallenen Kosten bis auf den Cent genau auf, obgleich eine Vielzahl von Bundes- und Landesbehörden mit der Anwendung des Gesetzes befasst sind, die – wie beispielsweise der Zoll – ihre Verwaltungen noch gar nicht aufrüsten konnten. Dass eine Regierungsstelle ein von ihr initiiertes Gesetz selbst überprüft, will zu den gängigen Vorstellungen von Demokratie nicht so recht passen.
Die Ergebnisse fallen im Übrigen erwartungsgemäß aus. Die Anwendung des Gesetzes ist billiger als kalkuliert. Die Anzahl der Ausfuhr- und Einfuhreinträge sowie die neuen Listungen von nationalem Kulturgut sind verschwindend gering. Das streicht der Bericht gehörig heraus, um Vorbehalte der Parlamentarier auszuräumen. Man kann das Resultat aber auch anders lesen: Wenn die relevante Aktivität im grenzüberschreitenden Kunsthandel tatsächlich so gering ausfällt und wenn so wenig Kulturgut neu zu sichern ist, wozu dann dieses komplizierte Gesetz und seine neue Bürokratie? Tatsächlich verursacht das Gesetz nicht nur Kosten in der staatlichen Verwaltung, sondern vor allem an anderer Stelle. Genau davon wird die „Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel“ sprechen müssen, und von Bürokratie werden bis 2021 auch die Sammler reden.
Das Image des Kunsthandels ist nicht gut, Fälschungsskandale, Schwarzgeldprobleme und Auffälligkeiten beim Fiskus plagten die Branche in der Vergangenheit. Es gibt sehr wohl Anlass zur Selbstreinigung. Ein Dachverband hat die Chance, für mehr Transparenz zu sorgen und schwarze Schafe zu benennen. Er wird auch vernünftige Regelungen anmahnen, wenn es um Geldwäsche geht, um die kommende EU-Einfuhrverordnung für Kunst oder den Handel mit Elfenbein, dabei betonend, dass illegale Praktiken oder illegaler Handel nicht im Interesse des Handels liegt.
Insgesamt droht in der Auseinandersetzung über das Kulturgutschutzgesetz die kulturelle Funktion des Kunsthandels in Vergessenheit zu geraten. Er lässt Kultur in der Zivilgesellschaft zirkulieren, sein Sachverstand ist auch in staatlichen Museen gefragt, und er arrangierte in der Vergangenheit viele Restitutionen von Raubkunst, und zwar im Stillen. Dieses fruchtbare Geflecht aus gemeinsamen Interessen der privaten und der öffentlichen Hand gilt es zu reparieren. Vielleicht kann das erst nach dem Antritt einer neuen Bundesregierung geschehen.