Kunsthandel

Fund meines Lebens: Eine byzantinische Kostbarkeit

Der Handschriften-Experte Jörn Günther entdeckte ein bedeutendes Evangelienbuch aus der byzantinischen Blütezeit

Von Jörn Günther
13.03.2020

Was war Ihre bislang überraschendste Entdeckung?
Das Jaharis byzantinisches Lektionar war ein großartiger Fund. Es ist ein byzantinisches Evangelienbuch, das aus dem Konstantinopel des späten 11. bis frühen 12. Jahrhunderts stammt. Mit seiner perfekten Schrift und seinen wohlerhaltenen Evangelistenbildern ist diese Handschrift ein wunderbares Zeugnis für die hochentwickelte byzantinische Buchmalerei.

Wo und wie haben Sie das Stück entdeckt?
Es war ein absoluter Zufallsfund. Ich war in Paris zu Gast bei einem befreundeten Händler. Er war gerade sehr beschäftigt und erlaubte mir, mich ein wenig umzusehen. Dabei entdeckte ich diese wunderbare Handschrift, die er gerade zur Schätzung vorliegen hatte. 

Welchen historischen Wert besitzt es?
Diese Handschrift ist eine zuvor fast gänzlich unbekannte Kostbarkeit. Ihre Entdeckung war eine bedeutende Ergänzung zum Korpus der byzantinischen Buchmalerei. Mit seiner durchgehend hohen Kunstfertigkeit ist dieses Lektionar eine der großartigsten Handschriften aus der Blütezeit des Byzantinischen Reichs und verkörpert den Höhepunkt der Kunst des späten 11. bis frühen 12. Jahrhunderts in Konstantinopel. Der materielle Wert der Handschrift liegt im hohen einstelligen Millionenbereich.

Wo befindet sich die Handschrift heute?
Die Handschrift befindet sich heute in der Sammlung des Metropolitan Museum of Art in New York.

Hat sich durch die Entdeckung etwas für Sie verändert?
Es war immer mein Traum gewesen, eine ottonische Handschrift zu entdecken. Dieser Traum hat sich damit erfüllt.

Was zeichnet eine Spürnase aus?
Man muss nicht nur ein Gefühl für das Objekt, sondern auch für die involvierten Personen entwickeln. Man braucht natürlich die finanziellen Mittel, um den Ankauf durchführen zu können und vor allem braucht man viel Geduld, denn manchmal dauert es Jahre oder sogar Jahrzehnte, bis der Vorbesitzer zum Verkauf bereit ist. Grundsätzlich braucht man einfach das psychologische Gespür, um zu wissen, wann das Geschäft reif ist.

Service

Zur Person

Dr. Jörn Günther gründete 1990 sein erstes Antiquariat in Hamburg. Heute handelt er als einer der führenden Experten mit Handschriften, Miniaturen und seltenen alten Drucken aus dem Mittelalter und der Renaissance. Seit Januar 2012 ist er mit seinem Antiquariat in Basel zu Hause und regelmäßig auf Messen wie der Tefaf und der Frieze Masters anzutreffen

Dieser Beitrag erschien in

KUNST UND AUKTIONEN Nr. 3/2020

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