Nach der Absage der Art Basel veranstaltet Johann König eine kleine, aber feine Messe in seinen Räumen der ehemaligen Kirche St. Agnes. Was und wen der Berliner Galerist dafür zusammengebracht hat, ist beeindruckend
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18.06.2020
Sein Schlund ist so schwarz und tief, dass er sogar das Licht schluckt. Aus einer dunklen Ursuppe scheint der Hai direkt in die Galerie zu springen, das Maul sperrt er dabei weit auf. Und nein: Er stammt nicht von Damien Hirst, sondern schwimmt auf einer Zeichnung von Robert Longo (360.000 Euro). Typisch fotorealistisch, wie man es von dem amerikanischen Künstler kennt. Aber auch Hirst ist – mit einem bereits verkauften Foto eines Medikamentenschranks (18.000 Euro) – Teil der ungewöhnlichen Messe in St. Agnes: Die Galerie Johann König, die seit 2015 in der ehemaligen Kirche ausstellt, wirbt dafür mit einem alten Foto, auf dem Messdiener vor dem Altar knien. Tatsächlich findet in dem brutalistischen Bau aus den Sechzigerjahren eine Kunstmesse statt, in der es vor allem ums Verkaufen geht.
Auslöser war die Entscheidung der Art Basel, ihre für den Kunsthandel so wichtige Messe in Hongkong und nun auch in Basel dieses Jahr ausfallen zu lassen. Alternativ gibt es offizielle Online-Viewing-Rooms für Sammler und private Initiativen wie „Basel by Berlin“, für die Berliner Galeristen ihre aufwendig geplantes Messeprogramm in die eigenen Räume verpflanzen. Auch König, seit 15 Jahren in Basel vertreten, hat seinen Stand in St. Agnes aufgebaut – und das Angebot bombastisch erweitert.
Es beeindruckt, wen und was der junge Galerist für sein Experiment zusammengetrommelt hat. Kollegen, Händler und Sammler sind dem Ruf gefolgt. Sie selbst bleiben anonym, doch die Namen der Künstler sprechen für sich: Es gibt Klassiker wie Jean Dubuffet, Günther Uecker, Otto Piene und sogar ein Bild von Matisse. Und es hängen Arbeiten etwa von Isa Genzken, Daniel Richter, Neo Rauch, Jens Bisky oder Anne Imhof, deren großes Gemälde ohne Titel von 2016 bereits am ersten VIP-Tag verkauft war. Für 80.000 Euro, erfährt man auf dem Schild rechts unten an der Wand.
König macht kein Geheimnis aus den Preisen. Seine Diskretion, was die „Einlieferer“ anbelangt, hat mit dem Anlass selbst zu tun: Das hier ist secondary market, Kunsthandel nach dem Vorbild von Auktionshäusern, die ihre Kunden ebenfalls nicht nennen. Ein Experiment in einem System, das für gewöhnlich artig zwischen Ausstellungen in Galerien und vorrangig kommerziellen Messeauftritten trennt.
Johann König denkt anders. Seine Ambitionen als Großgalerist mit imposanten Umsätze demonstriert er immer wieder, sein Portfolio an Künstlern hält sich gar nicht erst mit Namen auf, die es mühsam aufzubauen gilt. Für das Renommee von Jorinde Voigt, Corinne Wasmuth oder Katharina Grosse – die hier mit einer skulpturalen Edition (je 135.000 Euro) aus ihrer parallelen Ausstellung im Hamburger Bahnhof vertreten ist – haben andere gesorgt. König ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort, wenn wie zuletzt die begehrte Künstlerin Chiharu Shiota ihre Galerie verliert.
Eine Strategie, die nicht jedem gefällt. Doch dafür dienen seine Ideen der gesamten Stadt. St. Agnes hat sich in den vergangenen fünf Jahren zur Ikone entwickelt, vor Corona herrschte hier täglich Hochbetrieb. Mit der Messe, deren Spitzenwerke wie im Fall des Superaufsteigers Nicolas Party über 700.000 Euro kosten, füllt König nun eine Lücke, die schon 2011 mit dem Ende des Art Forums entstanden ist. Die Art Berlin Contemporary, die den Platz einnahm, hat sich mit ihrem inhaltlich weit differenzierten Konzept letztlich nicht durchgesetzt. In St. Agnes tritt die Messe nun wieder als das auf, was sie ist: ein Handelsplatz für internationale Kunst. Ob er sich eine Wiederholung vorstellen kann, wenn die Bilanz am Ende der Veranstaltung positiv ausfällt? „Ich glaube, ich muss gar nicht so lange überlegen“, meint Johann König am dritten Tag. Der Erfolg sei jetzt schon unübersehbar.
Messe in St. Agnes, Berlin
bis 26. Juni, Di-Sa 10-18 Uhr, So 12-18 Uhr, Eintritt nur mit vorab gebuchtem Ticket (10/8 Euro)