Angesichts der zahlreichen Fälschungen von Werken der russischen Avantgarde, die das Kölner Museum Ludwig derzeit aufarbeitet, hilft dem Kunstmarkt nur eines: Transparenz. Ein Kommentar
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17.10.2020
Die russische Avantgarde, diese für die Entwicklung der Moderne so ungemein wichtige Kunstrevolution, gilt seit Langem als Sammelbecken zahlloser Fälschungen. Ein „verseuchter Markt“, hieß es kürzlich (und leider nicht zu Unrecht) im Handelsblatt. Immer wieder flogen Einzeltäter oder ganze Fälscherringe auf, aber am Kunstmarkt gelang es bislang nicht, diesen Sumpf trocken zu legen. Viele Auktionshäuser und Händler, die auf ihren Ruf und ihre Seriosität bedacht, lassen mittlerweile lieber ganz die Finger von der faszinierenden Strömung vor und nach der russischen Revolution.
Nachdem Baron Heinrich Thyssen-Bornemisza schon 1993 seine Sammlung systematisch untersuchen ließ und die Ergebnisse samt aller erkannten Fälschungen in einem Katalog veröffentlichte, macht jetzt das Museum Ludwig einen wichtigen Vorstoß. Niedergeschmettert, aber auch ungeheuer erhellt verlässt man die Ausstellung „Russische Avantgarde im Museum Ludwig. Original und Fälschung“, die noch bis 3. Januar läuft. Das Haus führt dem Publikum in der Schau problematische Werke in seinem Bestand vor, deren bisherige Zuschreibungen sich nicht mehr halten lassen.
Das Stifterpaar Peter und Irene Ludwig hatte von 1977 bis 1996 rund 600 Werke gesammelt; darunter 100 Gemälde, von denen nun in der Ausstellung 27 auf ihre Echtheit befragt werden. Bild für Bild wird aufgezeigt, was man über die Herkunft weiß, welche Dokumente es gibt, was die kunsttechnologische Untersuchung ergab und wie sich Malweise, Stil und Komposition ins Werk der Künstler einordnen lassen. Das Ergebnis: 13 der Werke können nicht mehr als authentisch gelten. Etwa eine „Malerische Architektonik“, die nach Ljubow Popowas ebenfalls gezeigtem Original aus Madrid gefälscht wurde. Am Ende wird sich die berühmte Sammlung drastisch reduziert haben: Von den 49 Gemälden, die in der ersten Projektphase auf Herz und Nieren überprüft wurden, haben sich 22 als heikel erwiesen.
Eine Provenienz taucht in der Ausstellung immer wieder auf: die 1965 in Köln gegründete, seit 2005 in Zürich ansässige Galerie Gmurzynska, bei der die Ludwigs rund 400 der 600 Werke kauften. Von dort kamen Bilder, die jetzt ausgeschieden sind – aber auch herausragende Meisterwerke, deren Echtheit und Qualität sich eindeutig bestätigt hat und die jetzt stolz als unstrittige Juwelen der Sammlung präsentiert werden können. Gmurzynska war schlecht beraten, im Vorfeld der Schau gerichtlich gegen das Museum vorzugehen und Einsichtnahme in die Unterlagen erzwingen zu wollen – was in zweiter Instanz abgewehrt wurde. Dass die Galerie um ihren Ruf fürchtet, ist verständlich. Aber bis zum Beweis des Gegenteils muss man ohnehin davon ausgehen, dass die Galerie selbst Opfer gewesen ist. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Antonina Gmurzynska, eine Immigrantin aus Polen und Mutter der jetzigen Galeriebesitzerin Krystyna Gmurzynska, war eine wichtige und verdienstvolle Pionierin. Sie hat viel für die Verbreitung der lange im Westen kaum bekannten Avantgardebewegung aus der jungen Sowjetunion getan. Museen und Sammler in aller Welt verdanken ihr herrliche Werke, die sie während des Kalten Kriegs durch den Eisernen Vorhang bringen konnte.
Es ist schade, dass die Galerie sich nicht zur Zusammenarbeit mit dem Museum Ludwig bereiterklären wollte. Wenn jetzt das Museum diesen spektakulären, auch selbstkritischen Impuls gibt, das verminte Feld der russischen Avantgarde endlich schonungslos umzupflügen, dann sollten sich die Akteure am Kunstmarkt auf alle Fälle an der Aufarbeitung beteiligen. Von Intransparenz hat am Ende niemand etwas; sie rächt sich irgendwann immer.