Aufbruchsstimmung: Lena Winter leitet nun die Messe in St. Agnes, mit der die Berliner König Galerie die Messelandschaft in Krisenzeiten verändert
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07.04.2021
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 183
Die neue Messechefin von St. Agnes hat gut zu tun. Die dritte Ausgabe der vom Galeristen Johann König initiierten Berliner Verkaufsplattform ist ihren Kinderschuhen entwachsen. Gegründet wurde sie als Reaktion auf die pandemiebedingt ausfallenden Messen in aller Welt, vor allem aber der Art Basel. Eine Ad-hoc-Entscheidung, weshalb einiges ausprobiert werden konnte: die Zusammenstellung der Werke ebenso wie die Einbeziehung junger Künstler, unter ihnen Tim Bengel mit eigenem Instagram-Imperium.
Diese Zeit der Experimente scheint vorbei. Johann König selbst institutionalisiert seine Idee, indem er Lena Winter jüngst aus München zurück nach Berlin lockte und hier zur Direktorin berufen hat. Nun drängt die Zeit: Die nächste Messe in St. Agnes sollte parallel zum Gallery Weekend Berlin Ende April stattfinden, pandemiebedingt wure der Termin dann auf Anfang Juni verschoben. Es wird Veränderungen geben. Die erste und vielleicht augenfälligste ist der Einbau einer Ausstellungsarchitektur in den Kreuzgang der brutalistischen Kirche. Winter hat wenig Lust auf die Petersburger Hängung der letzten beiden Male, sie plädiert für eine ruhigere Präsentation. Gleichzeitig soll die Veranstaltung wachsen, räumlich wie inhaltlich und mit einem neuen Fokus auf Kunst aus der ehemaligen DDR.
Zeit zur Akquise habe sie gerade kaum, erklärt die junge Kunsthistorikerin. Das Angebot an Einlieferungen reiße nicht ab und verlange ihre ganze Konzentration. Die Messe in St. Agnes akzeptiert Angebote von Händlern, Künstlern und Privatpersonen, denen man Diskretion garantiert. Fotografieren war während der ersten beiden Ausgaben verboten, selbst Galeristen werden als Einlieferer nicht genannt. Ob es bei den Bedingungen bleibt, klärt Winter mit König im permanenten Gespräch. Die beiden kennen sich seit Langem. „Wir sind im konstruktiven Dialog und wissen, dass wir vertrauensvoll miteinander umgehen können“, so Winter.
Ihre Erfahrungen hat sie in mehreren deutschen Auktionshäusern gesammelt. Von Lempertz in Köln wechselte die 39-Jährige als Expertin für Gegenwartskunst und Auktionatorin nach Berlin zu Grisebach. Anfang 2020 holte Ketterer sie als Head of Contemporary Art ins Münchner Haus, wo Winter ein knappes Jahr tätig war. Dass sie als Direktorin einer hochkarätigen Verkaufsausstellung – die sich mit Blick auf die Kirche doppeldeutig Messe nennt, aber lange noch kein klassisches Messeformat ist – das Auktionsmetier verlässt, empfindet Winter als „sehr inspirierend“. Die neue Aufgabe sei „eine schöne Kombination meiner Kernkompetenz mit extremer Nähe zu dem, was mich immer interessiert hat: Kunst der Gegenwart“.
Gleichzeitig möchte sie das Angebot der Messe in St. Agnes um Malerei vor allem aus den 1940- und 1950er-Jahren erweitern. Karl Hartung, Werner Heldt und Ernst Wilhelm Nay fallen Lena Winter unmittelbar ein. „Künstler, deren Formsprache absolut frisch wirkt, an denen man aber auch sein Auge schulen und einer jungen Sammlerschaft erklären kann, wo die Kunst der Gegenwart herkommt.“
Und die Profession fürs Auktionieren, das ihr in Berlin bei Grisebach wie in München so wichtig war? Auf die Frage, ob sie vielleicht bald auch in der Kirche den Hammer schwingt und das Angebot der Galerie um ein nächstes Segment erweitert, antwortet sie sibyllinisch: „Wir denken über vieles nach.“ St. Agnes, ein Powerhouse der Möglichkeiten.
Messe in St. Agnes, Berlin
bis 22. August