Seit einigen Jahren ist das Werk von Irma Blank in einer internationalen Ausstellungsreihe zu sehen – und am zweiten Markt zahlt sich ihre Präsenz bereits aus: Noch ist die „Ware für Kenner“ allerdings für vergleichsweise kleine Summen zu haben
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21.05.2021
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 8
Manchmal ist mehr eben doch mehr: Seit 2019 macht eine Ausstellungsreihe das Werk der 1934 in Celle geborenen Irma Blank einem internationalen Publikum bekannt – und am zweiten Markt zahlt sich ihre derzeitige Präsenz bereits aus: Blanks Zeichnungen, Aquarelle, Ölgemälde haben sich in den letzten zwei Jahren im Wert oft vervielfacht – speziell in Italien.
Am 10. Dezember 2019 beispielsweise verdoppelte ein „Schriftzug = Atemzug“ von 1988 beim Mailänder Auktionshaus Il Ponte mit einem Zuschlag bei 40.000 Euro die Taxe. Ein Jahr später erreichte dort ein ähnliches, etwas älteres Gemälde mit dem Titel „Radical Writings, Short Sea Story 18-10-87“ bei gleichem Schätzpreis 60.000 Euro. Das Haus hat allgemein eine gute Hand bei Blank: So kletterte im Juli 2020 ein weiteres, 1999 entstandenes Ölbild aus der „Radical Writings“-Serie von 8000 auf 22.000 Euro. Und in derselben Auktion wurde die Arbeit „Ur-schrift ovvero Avant-testo, 19-3-01“, eines ihrer Kugelschreiber-Bilder auf Polyester, von 3000 auf 21.000 Euro gehoben. Fünf Monate später konnte ein ähnliches Werk den Schätzpreis vervierfachen.
Der italienische Aufschwung für das Werk der Künstlerin, die 1955 ihrem Ehemann aus Norddeutschland nach Siracusa auf Sizilien folgte und heute in Mailand lebt, hat das übrige Europa und Übersee noch nicht ganz erreicht. Christie’s London beispielsweise war im März mit einem in Aluminium auf Papier ausgeführten „Denkmuster“ von 1997 weniger erfolgreich: Die Arbeit wurde bereits bei 2800 Pfund abgegeben – 200 Pfund unterhalb der Taxe. Höchste Zeit also, die trotz ihrer Teilnahmen an der Documenta 1977 und der Venedig-Biennale 1978 einem breiten Publikum noch immer kaum bekannte Künstlerin, der das Centre Pompidou 2010 eine Soloshow widmete, zu entdecken.
Das kann man seit 2019, wie eingangs erwähnt, in einer von Johana Carrier und Joana P. R. Neves kuratierten Ausstellungsserie, die im Culturgest in Lissabon begann, danach in Genf, Bordeaux, Tel Aviv fortgesetzt wurde und aktuell im Museo Villa dei Cedri im schweizerischen Bellinzona Station macht, wo die Schau „Irma Blank. Blank“ noch bis 29. August zu sehen ist. Dann wird der Stab ans ICA Mailand und schließlich ans Bomba Gens Kunstzentrum in Valencia übergeben.
Die Idee hinter dieser Ausstellungsserie ist es, an verschiedenen Orten stets einen anderen Aspekt der Kunst von Blank herauszustellen. „Bei unseren Atelierbesuchen kamen unbekannte Arbeiten zum Vorschein, die Zugänge zu den tiefen Schichten ihrer künstlerischen Entwicklung ermöglichen“, sagte Carrier mit Bezug auf die „Germinazioni“ und „Annotazioni“ in der Schau des Museo Villa dei Cedri. Die zwischen 1982 und 1983 entstandenen, violetten oder rosafarbenen, mit Gold gehöhten Aquarelle sind hier erstmals der Öffentlichkeit zugänglich. „In Bellinzona wurde jeder der 13 Säle einer Farbe gewidmet“, erklärt Carrier weiter. Zentral sei die Trias „Rot, Blau, Schwarz, das Spektrum von Druckwerk, Schreibmaschine und Kugelschreiber.“
Im Genfer Mamco waren drei Wände im dritten Stock den zwischen 1968 und 1973 entstandenen „Eigenschriften“ gewidmet, mit denen Blank ihre Arbeit mit „Zeichen“ und „Sprache“ begann. 2017 konnte Christie’s New York die 1970 entstandene „Pagina 53-A“ aus dieser Serie von 15.000 auf 22.000 Dollar steigern. Diese „Seiten“ entstanden in fast meditativen nächtlichen Sitzungen, während derer sich Blank in ihre Zeichnungen regelrecht einschrieb. Den intensiven körperlichen Aspekt ihrer Arbeiten haben die Kuratorinnen im CAPC in Bordeaux sogar hörbar gemacht: So erfüllte die ersten Säle das Kratzen der Feder, mit der Blank ihre Text-Bilder schrieb.
Gleichwohl bleiben ihre Werke die einer Bildkünstlerin. Blank zielt auf die piktoriale Kraft eines Textkorpus, der in der heutigen Zeit, die vom Phantasma des Immateriell-Digitalen betört wird, zunehmend an Bedeutung verliert. Dabei hat der Schriftkörper erheblichen Anteil am semantischen Gehalt. Er ist Geste, Präsenz, Materialität – richtet aus und ein, was Worte sagen. Eindrücklich zeigten das Blanks „Twelve Chapters“ – Buchkapitel eines 1975 als Roman angelegten Zeichenwerks aus druckschriftähnlichen Schraffuren, die im CAPC erstmals seit 1979 wieder vollständig präsentiert wurden.
Oft erinnern Blanks wortlose Grammata an Robert Walsers Mikrogramme. Dann wieder sieht man in ihnen Cy Twomblys energische Zeichnungen oder die asiatischer Kalligrafie verwandten Schriftbilder eines Henri Michaux. Methodisch ist Blank allerdings weniger einem „wild writing“ zuzuordnen, wie es der Zeichner und Schriftsteller Travis Jeppesen in einem 2019 im „Mousse Magazine“ veröffentlichten Essay zu Schrift-Bildnern vorgeschlagen hat. Denn Blank findet ihre zart-strichelnde Kunst vielmehr durch Sorgfalt und Konzentration.
Ab 1973 machte die Künstlerin mit der Serie „Trascrizioni“: „Abzeichnungen“ die Bedeutungswucht eines Schrift-Satzes erkennbar – ohne ein einziges Wort zu verwenden. Eine solche „Trascrizione“ in weißer Tusche auf Papier wurde vergangenen September in Brescia von Studio d’arte Martini für taxgerechte 5000 Euro zugeschlagen – ein Beispiel dafür, dass Blanks „Ware für Kenner“ momentan auch noch für kleine Summen zu haben ist.