Die 100. Ausgabe der traditionsreichen Messe Kunst & Antiquitäten München feiert ihre Jubiläumsschau erneut im Haus der Kunst
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14.10.2021
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 191
Ein Schatzhaus tut sich für uns auf! Fünfundfünfzig Aussteller brillieren zu diesem besonderen Jubiläum mit Topstücken, Kunstfreunde erwartet ein reiches Angebot. Im Jahr 1968 mit Schwerpunkt auf alpenländisch-süddeutschen Exponaten angetreten, präsentiert die Kunst & Antiquitäten heute die ganze Bandbreite veritabler Sammlerstücke, Gemälde, Skulpturen, Kunsthandwerk und Antiquitäten vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart sowie Asiatika. Die Mehrzahl der Kunsthändler ist seit Jahrzehnten dabei, viele schon in zweiter Generation. Längst sind zu den süddeutschen Ausstellern Kollegen und Kolleginnen aus der Bundeshauptstadt, Norddeutschland, dem Elsass und den Niederlanden hinzugekommen. Österreich ist mit Generalisten stark vertreten. Was also wird auf dieser ersten Kunst-und-Antiquitätenmesse nach coronabedingter Durststrecke geboten?
Die Kunstwelt von Magister Rochus Probst aus Graz verspricht „Schönheit und bleibenden Wert“. Dies trifft auf sein alpenländisches Sandsteinrelief mit der Dreifaltigkeit aus der Mitte 18. Jahrhunderts (um 12.800 Euro) ebenso zu wie auf das Paar Wiener Silber-Obstschalen, entstanden um 1910, mit Meistermarke Eduard Friedmann und Glaseinsatz (um 3600 Euro). Mit der „Partie am Lago di Como, Bellagio“ des Münchner Malers Robert Schultze erweist er dem Messeort seine Reverenz.
Bei Dr. Christian Steeb, ebenfalls aus Graz, verblüfft ein elegantes, reich marketiertes und beschnitztes Verwandlungsmöbel aus der Glanzzeit der deutschen Möbelkunst um 1750 wegen seiner vielen Funktionen. Richard Gilgenmann aus Mendig verweist mit seinem Guéridon der Würzburger Brüder Bartsch – in Boulletechnik mit Messing- und Perlmutteinlagen, um 1845 – auf die großartigen Kleinmöbel des Historismus. Markus Kral aus Hörsching bei Linz unterhält eine eigene Restaurierungswerkstätte, die für den guten Zustand seiner breiten Offerte einschließlich Gartenobjekte sorgt. Unter den Gemälden, die er mitbringt, hebt er Oskar Mulleys typischen „Bergbauernhof“ und Gaetano Chiericis „Spielende Kinder mit Tieren vor dem Stall“ hervor.
Wie viele der Aussteller vertritt Martin Puch aus Oberhaching bereits die zweite Generation. 1991 hat er den 1977 gegründeten Kunsthandel vom Vater Viktor Puch übernommen und ist jetzt erster Vorstand des Messeveranstalters Münchner Antiquitätenmarkt e. V. Zu seinen Glanzstücken gehört das manieristische Kabinettbild „Allegorie mit Juno und Saturn“ aus der Jacob-de-Backer-Gruppe, 1570–1600 (26.500 Euro). Den berühmten „Herkules Farnese“ bringt Puch in einer drei Meter großen Berliner Zinkguss-Ausführung von Moritz Geiß aus der Mitte des 19. Jahrhunderts mit.
Dr. Michael Ewenstein, Berlin, setzt Schwerpunkte mit altrussischen Ikonen und Vitrinenobjekten. Eine Vierfelder-Ikone mit biblischen Szenen und Heiligen vom Anfang des 19. Jahrhunderts bietet er für 7500 Euro an, das „Waldsee“-Gemälde von Piotr Ivanovich Petrovichev von 1912 für 14.500 Euro. Von Iwan Chlebnikow, dem Moskauer Hoflieferanten von Zar Nikolaus II., hat er einen Champlevé-Silberbecher für 5500 Euro im Messegepäck.
Seit über 45 Jahren stöbert Roderich Pachmann aus München besondere Erzeugnisse der alpenländischen Volkskunst wie Hinterglasbilder oder Fayencen sowie Möbel, Kunstkammerobjekte oder Skulpturen auf. Für die 100. Messe hat er eine ganze Riege geschnitzter, bunt gefasster „Grödner Zwerge“ aus dem 18. und 19. Jahrhundert gesammelt, die seit den großen Vorbildern von Jacques Callot in Steinskulpturen, Porzellan oder Holzfiguren fortleben. Seine Preisspanne liegt zwischen 2000 und 5000 Euro.
Bei Axel Wieland (Friedberg-Bachern) ist gut einkaufen, was den Zustand der Objekte betrifft, denn der Kunsthändler ist ausgebildeter Restaurator. Vom „Kremser Schmidt“ stammt ein flott gemalter Bozzetto mit Auferstehungschristus in Öl auf Karton aus österreichischem Adelsnachlass. Ein ausdrucksstarkes geschnitztes Corpus-Christi-Fragment, Italien, 14./15. Jahrhundert, besticht durch seine porzellanartig schimmernde Originalfassung.
Religiöse Kunst des 17. bis 19. Jahrhunderts hält Bernhard Pfeiffers Fleur de Lys Curiosité aus München bereit: Das flämische „Ecce Homo“-Ölbild auf Holz von 1501 ist „HB“ monogrammiert. Sein mit ziselierten, feuervergoldeten Kupferblechen verblendetes Nürnberger Ebenholzkabinett des späten 16. Jahrhunderts wird dem Umkreis Wenzel Jamnitzers zugeschrieben.
Ein dreifach starkes Spezialistenteam für deutsche Möbel ist Dr. Thomas Schmitz-Avila mit seinen beiden Söhne Julian und Lennart aus Bad Breisig. Mitte des 18. Jahrhunderts in der Bayreuther Werkstatt der Gebrüder Spindler in verschiedenen Hölzern marketiert ist ein Rednerlesepult auf Cabriolet-Beinen mit vergoldeter Bronze. Die eingelegte, Messing ummantelte Platte ziert das Wappen der fränkischen Stadt Eschenbach mit Mitra und Bischofsstab (25.000 Euro). Mit den Söhnen hat sich das Programm um Gemälde und Kunsthandwerke erweitert. Als Liebeserklärung an München ist Carl Spitzwegs kleine, in Öl auf Karton gemalte „Abendlandschaft mit Stadt“ zu betrachten, die aus dem Nachlass von Charlotte und Walther Leisler Kiep stammt.
Wie elegant im Biedermeier Möbel farblich akzentuiert wurden, zeigen zwei Beispiele bei Dr. Tilman Roatzsch aus Schnaitsee. So zieren die Türen eines wohl in Münchner Nussbaumholz furnierten Kleiderschranks, um 1820 vier klassizistische Vasen in feiner Schwarzlotmalerei. Giebel und Sockelband sind geschwärzt. Typisch für Roatzsch besticht der konservierte Originalzustand samt originaler Schellackpolitur (17.800 Euro).