Die Ausweitung der Art Basel, mit der die Pariser FIAC aus dem Grand Palais vertrieben wird, gibt Anlass für Spekulationen. Bei der Frage nach den Gründen für die Entscheidung der Messegesellschaft MCH hilft der Blick auf die Schweiz
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10.02.2022
Noch immer schlägt es hohe Wellen, dass die Art Basel die Pariser Kunstmesse FIAC aus dem Grand Palais gedrängt hat und künftig – als viertes Standbein neben Basel, Miami und Hongkong – auch in der französischen Metropole vertreten ist. Dabei muss man klarstellen: Hinter der Entscheidung steckt letztlich nicht die Art Basel als Kunstmesse, sondern deren Veranstalterin, die Messe Schweiz AG oder kurz MCH steht, die zu rund einem Drittel den Kantonen Basel Stadt sowie dem Kanton und der Stadt Zürich gehört. Dabei hat die MCH mit ihrem Projekt einer Art Basel Paris – oder wie immer ihr Name später lauten wird – nicht etwa die fast ebenso traditionsreiche FIAC aus dem Pariser Grand Palais direkt vertrieben. Vielmehr gewann sie eine Ausschreibung, in welcher die diesen prestigeträchtigen Austragungsort bewirtschaftende französische „Réunion des Musées Nationaux – Grand Palais“ eine Nachfolgerin für die FIAC suchte – aus welchen Gründen auch immer.
Die damit verbundene Furcht vor einem Verlust an internationaler Diversität und die Frustration jener Galerien, die in der FIAC eine Alternative zur marktbeherrschenden Art Basel sahen, sind verständlich. Aber dass sich die MCH an dieser Ausschreibung beteiligte, kann man ihr kaum vorwerfen. Die Teilnahme erscheint vor dem Hintergrund des offenkundigen Wachstumsstrebens der MCH im Bereich Kunstmessen eher folgerichtig und logisch. Immerhin hatte sie wenige Tage vor dem Pariser Paukenschlag ja schon ihre Minderheitsbeteiligung – tatsächlich handelt es sich um einen Rückkauf einer schon 2016 erworbenen, aber 2018 wieder veräußerten Beteiligung – an der Veranstalterin der ART SG in Singapore bekannt gegeben.
Dabei bergen diese weltweite Expansion der MCH auch schwer einschätzbare Risiken für die Schweizer Messegesellschaft. Eines dürfte die enge Partnerschaft zwischen der Art Basel mit ihrem Sponsor, der Schweizer Großbank UBS sein, die vor über zehn Jahren im Zusammenhang mit dem Steuerhinterziehungsskandal in den USA unrühmliche Publizität erhielt. Pikanterweise ist die UBS in Frankreich immer noch damit befasst, einen ähnlichen Steuerhinterziehungs- und Geldwäschestreit beizulegen. Derzeit ist denn auch noch gar nicht bekannt, ob die Bank auch in Paris als Partner und Sponsor auftreten wird. Unwägbar und möglicherweise weit größer ist jedoch das Risiko, dass die künftig vier Art-Basel-Schwestern zueinander in Konkurrenz geraten und sich etwa gegenseitig Aussteller abjagen. Immerhin bedeutet die Teilnahme an den bisherigen drei Art-Basel-Top-Anlässen in Basel, Miami und Hongkong selbst für die wirtschaftlich erfolgreichsten US-Galerien eine beträchtliche finanzielle Herausforderung, belaufen sich die Gesamtkosten für einen standesgemäßen Auftritt bei jeder der drei Art-Basel-Schwestern leicht auf mehrere 100.000 Euro bis hin zu einer Million. Noch schwerer dürfte längerfristig die Frage wiegen, ob der Kunstmarkt überhaupt von Jahr zu Jahr genügend marktfrisches Spitzenmaterial bereitstellt, der dem Exklusivitätsanspruch dieser Veranstaltungen genügt. Andernfalls – wenn etwa einzelne Meisterwerke wie Wanderpokale von Messe zu Messe gereicht werden – droht den Veranstaltungen ein existenzieller Verlust an Exklusivität.
Im Fall der künftigen Pariser Veranstaltung gesellt sich die geografische Nähe zur Muttermesse in Basel. Beide sind bloß rund 500 Kilometer oder sechs Autostunden voneinander entfernt und bedienen entsprechend ein sich stärker überlappendes Einzugsgebiet als bislang die Messen in Hongkong, Miami und Basel. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob die umsatzwichtigen, insbesondere die amerikanischen Megagalerien große Lust auf einen Auftritt in Paris zeigen. Einen Hinweis auf den Antrieb der MCH Group, sich dennoch auf das Wagnis einzulassen, lieferten sowohl Chris Dercon als Chef der Vereinigung der französischen Nationalmuseen einschließlich des Grand Palais als auch die künftigen Messebetreiber mit ihrer Ankündigung, die neue Veranstaltung werde sich intensiv auch um die französische Kreativindustrie von Mode und Design kümmern. Im Grand Palais, der ab 2024 renoviert und vergrößert zur Verfügung stehen wird, darf man also neben der reinen Kunstmesse eine Leistungsschau der Luxusgüterindustrie erwarten.
Der Schweizer Messeveranstalter wiederum blickt auf ein unwürdiges Drama und den daraus resultierenden traumatischen Zerfall seiner weltweit branchenführenden Uhren- und Schmuckmesse „Baselworld“ zurück. Dieses bald 100-jährige Kronjuwel der Schweizer Messeszene erlebte in den vergangenen Jahren den Abgang ihrer wichtigsten Aussteller, von der marktmächtigen Swatch-Gruppe mit ihren 18 Marken von Breguet über Glashütte bis Omega 2018 bis zu den tragenden Stars Patek Philippe oder Rolex in der Folgezeit. Interessant und wichtig für die Zukunft der globalen Art Basel-Messefamilie sind die Gründe hinter dieser Havarie eines lange für unsinkbar gehaltenen Prestigetankers wie der Baselworld. Wenn diese vor allem durch Managementfehler der MCH verursacht wurde, wie Branchenkenner und ehemalige Teilnehmer der Messe behaupten, dann könnte ein entsprechend lernfähiges Management auch die Pariser Art-Basel-Schwester zum Erfolg führen – samt der neuen Ausrichtung, mit deren Hilfe man alte Kunden der exklusiven Uhrenmesse einfangen und sogar neue gewinnen könnte. Sollte das Baselworld-Drama dagegen das Ende ebenso hochpreisiger wie monumentaler Großveranstaltungen einläuten, wie andere Beobachter – auch mit Blick auf die Erfolge kleinerer, sogenannter Boutiquen-Messen – vermuten, dann stehen auch der Art Basel und ihren Schwestern schwierige Umbruchzeiten bevor.