Ukraine-Krieg

Wie reagiert der Kunstmarkt auf den Krieg?

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine dauert nun schon zwei Wochen an. Auch am Kunstmarkt werden erste Auswirkungen spürbar – nicht nur durch die Sanktionen gegen russische Oligarchen

Von Sebastian C. Strenger
10.03.2022

Auf der Arco Madrid, die am 23. Februar startete – noch kurz vor Putins Überfall am nächsten Tag –, stand der Krieg in der Ukraine zwar schon spürbar im Raum – doch die überwiegende Zahl der internationalen Aussteller machte bis zum Ende gute Geschäfte. Denn die Gesamtstimmung, zu der die Galeristen vor Ort stets maßgeblich beitragen, war noch nicht komplett am Boden – und sie ist immer ein präzises Barometer für den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg einer Veranstaltung.

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Die Artgenève vor zwei Jahren. Dieses Jahr reisten zur Messe keine osteuropäischen Galerien mehr an. © Artgenève, Julien Gremaud

Anders dann bereits auf der Artgenève in Genf, die vom 3. bis 6. März stattfand. Dort reisten schon keine osteuropäischen Galerien mehr an. Aber auch Gagosian, der immerhin eine Dependance vor Ort betreibt, Hauser & Wirth und David Zwirner entschieden sich kurzfristig gegen einen Messeauftritt zwischen den Alpen und dem Juragebirge. Der Aufwand erschien ihnen angesichts der bedrohlichen Weltlage zu groß. Die verbliebenen Aussteller der Messe waren alle hochnervös, fühlten sich mitunter an die Balkankriege der Neunzigerjahre und die anschließenden Marktverwerfungen erinnert. Größere Verkäufe blieben denn auch aus, in Genf. Die Organisatoren der Veranstaltung taten sich überdies ungemein schwer, eine angemessene Reaktion auf die Krisensituation zu formulieren – immerhin entschied die Pace Gallery am Ende, ihren Messegewinn über ein Hilfswerk der Vereinten Nationen an die Ukraine zu spenden. Russische Sammler hatten sich rar gemacht. Und sie werden, nachdem die Schweiz Anfang März sämtliche EU-Sanktionen gegen Russland übernommen hat, die Vermögen russischer Oligarchen überall eingefroren wurden, wohl auch so schnell nicht wiederkommen.

Es ist kein Geheimnis, dass in Krisenzeiten Geld allgemein in alternative Anlageformen gesteckt wird – beispielsweise in Schmuck, Uhren und Kunst. Gerade Gemälde gelten als leicht transportierbares, krisensicheres Investment. Und so ist der Kauf von Kunst im High-End-Bereich seit Beginn des Ukraine-Kriegs so gefragt wie lange nicht. Allerdings ist die Käuferschaft in diesem Sektor überwiegend konservativ unterwegs, sodass arrivierte künstlerische Positionen wie Joan Miró, Jackson Pollock, Jean-Michel Basquiat vor einem weiteren Preisschub stehen dürften. Denn die modernen Klassiker versprechen, ihre Werte mit der Zeit weiter zu steigern. Wenige ausgewählte Positionen werden also – gewissermaßen als Destillat der traurigen Umstände – vom Krieg profitieren. Der Auktionsmarkt wird diese Entwicklung bereits recht zeitnah abbilden können, und die Kunsthändler werden anschließend bei ihrer Bepreisung nachziehen.

Krieg Ukraine Kunstmarkt Phillips Auktionshaus
Das Auktionshaus Phillips gehört der russischen Mercury Group an. Doch 100 Prozent der Kommissionsgelder des Londoner Evening Sale vom 3. März – 5,8 Millionen Pfund – werden laut Aussage des Unternehmens dem ukrainischen Roten Kreuz zugutekommen. © Phillips, London; Foto: Haydon Perrior / Thomas De Cruz Media

Ob – und wenn ja, inwieweit – russische Oligarchen auf dem globalen Kunstmarkt die gegen sie und ihr Land ausgesprochenen Sanktionen umgehen könnten, wird gerade viel diskutiert. Unter besonderer Beobachtung stehen daher derzeit die großen internationalen Versteigerer – Sotheby’s, Christie’s und natürlich auch Phillips, das weltweit drittumsatzstärkste Auktionshaus für den Bereich zeitgenössischer Kunst in Besitz der auf Luxusgüter spezialisierten Mercury Group mit Sitz in Moskau, das fest in russischer Hand ist. Aktuell versucht das 1796 in London gegründete Unternehmen natürlich, alle Zweifel an seiner Integrität zu zerstreuen und verkündete jüngst, sämtliche generierten Kommissionsgelder des Londoner Evening Sale vom 3. März dem ukrainischen Roten Kreuz spenden zu wollen.

Sind die glanzvollen Zeiten mit russischen Oligarchen als Preistreiber auf dem Kunstmarkt nun also vielleicht vorbei? Sind Großinvestoren wie Viktor Vekselberg, der 2004 für 100 Millionen Dollar neun Fabergé-Eier aus der Forbes-Kollektion übernahm, am Ende? Oder Ölmagnaten wie Roman Abramovich, der 2008 bei Sotheby’s Francis Bacons „Triptych“ (1976) für 77 Millionen Dollar ersteigerte?

Das Riesenreich China, das mittlerweile große Dominanz im Kunst- und Auktionshandel aufgebaut hat und Kunstkäufe durch Ausländer per se nicht gesetzlich reguliert, kritisiert die Sanktionen gegen Russland und wird die Tür für russische Kunden jedenfalls weiter offenhalten. Ein lang anhaltender Ukraine-Krieg dürfte den asiatischen Markt demnach weiter beflügeln und chinesische Auktionshäuser – unter starker Beteiligung russischer Käufer und Verkäufer – möglicherweise noch schneller an die Weltspitze katapultieren. Das Nachsehen könnte also bald der Westen haben – wieder einmal …

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