Kunst und Recht

Wie steht es um den Artenschutz im Kunsthandel?

Der Artenschutz ist beim Verkauf oder Erwerb von Kunstobjekten von erheblicher Bedeutung. Rechtlich gibt es häufig Änderungen, vor allem der Schutz von Elfenbein wurde jüngst erneut verschärft

Von Zacharias Mawick
06.05.2022
/ Erschienen in Kunst und Auktionen 7/22

Juristische Themen mit einer gewissen Publikumswirksamkeit betreffen für gewöhnlich den Kulturgutschutz oder spektakuläre Restitutions- und Fälschungsfälle, die demnach auch in der Presse breit diskutiert werden. Der Artenschutz wird seltener aufgegriffen, dabei ist seine Beachtung und korrekte Umsetzung im alltäglichen Geschäft des Kunsthandels von erheblicher Bedeutung. 

Am Anfang jedes artenschutzrechtlichen Problems steht die Frage, ob das jeweilige Kunstobjekt – zum Beispiel ein altes Möbelstück oder eine Skulptur – aus Materialien gefertigt wurde, die heute geschützt sind. Wenn Sie im Kopf einmal durchgehen, welche Arten Ihnen spontan als geschützt einfallen, werden Sie wahrscheinlich vor allem auf Elfenbein kommen. Aber was ist mit bestimmten Tropenhölzern, die in vielen Möbelstücken verarbeitet wurden? Was ist mit Federn, die gelegentlich in indigener Kunst Verwendung fanden? Was mit bestimmten Korallenarten, die Bestandteil von Schmuckstücken geworden sind? Grundsätzlich kann jedes Material organischen Ursprungs mehr oder weniger geschützt sein – je nachdem, wie schlecht es um die Stabilität der Population bestellt ist, von der dieses Material gewonnen wird.

Lange Listen mit Artnamen

Die Liste geschützter Arten nach Verordnung (EU) 2019/2117 besteht aus 98 Seiten und enthält pro Seite rund 25 lateinische Artnamen, geordnet in Anhang A, B und C, nach denen sich der Grad des Schutzes ergibt, aus dem wiederum entsprechende Auflagen folgen. Einerseits verdeutlicht der schiere Umfang dieser Publikation – auch wenn sie nur das absolute Minimum der Arten aufführt, die eines Schutzes würdig wären – wie viele potenzielle Fälle es im Kunsthandel geben mag, in denen der Artenschutz relevant wird. Andererseits führt sie dazu, dass sich Kunsthändler auf ein gewisses eigenes Störgefühl in Bezug auf Kunstobjekte aus bestimmten Zeiträumen und Regionen verlassen müssen – denn niemand kann leisten, die Liste so zu verinnerlichen, dass jede geschützte Art sofort identifiziert werden kann. Auch würde es nicht ausreichen, die Namen schlicht auswendig zu lernen, denn typisch für diesen Bereich ist, dass sich die rechtliche Lage ständig ändert, häufig neue Arten unter Schutz gestellt werden und gelegentlich die Unterschutzstellung einer Art endet.

Artenschutz Elfenbein London
Anfang dieses Jahres hat sich die Gesetzeslage in der EU für Elfenbein-Objekte weiter verschärft. Der kommerzielle Handel mit Rohelfenbein – hier zu sehen ein antikes Lager der Londoner Docks – ist ohnehin verboten. Foto © ilbusca

Hat man nun eine geschützte Art festgestellt, ist das weitere Vorgehen zu entscheiden. Für nach Anhang A der Verordnung streng geschützte Arten benötigt man sowohl eine Vermarktungs- als auch eine Exportgenehmigung für die Ausfuhr in Länder, die nicht zur Zollunion der EU gehören. Nach Anhang B geschützte Arten verlangen lediglich nach einer solchen Exportgenehmigung während nach Anhang C geschützte Arten nur zum Export angemeldet werden müssen. Vermarktungsgenehmigungen können bei der zuständigen unteren Naturschutzbehörde, zum Beispiel dem städtischen Umweltamt, beantragt werden. Für Objekte, die vor 1947 geschaffen wurden und einen gewissen Grad an künstlerischer Bearbeitung aufweisen, gilt eine Ausnahmeregelung: Es wird weder eine Vermarktungsgenehmigung noch eine Exportgenehmigung benötigt. Das Alter muss jedoch nachgewiesen werden, wobei der sachverständige Kunsthandel die Datierung begründet selbst vornehmen kann. Soll eine Exportgenehmigung erwirkt werden, verlangt das in diesem Fall zuständige Bundesamt für Naturschutz in Bonn jedoch eindeutige Provenienznachweise, durch die das Alter des Objekts auf vor 1947 bestimmt werden kann. Da der Altersnachweis auf diese Weise nur im absoluten Ausnahmefall zu erbringen ist, wird eine Exportgenehmigung häufig nicht erteilt. Alternativ kann zum Beispiel per Rechnung der Erwerb vor Unterschutzstellung nachgewiesen werden, was ebenfalls den Export erlaubt. Relevant wird dies zum Beispiel bei Möbelstücken, die bestimmte Holzarten enthalten, die erst vor Kurzem unter Schutz gestellt wurden. Dies ist zum Beispiel bei Bahia Rosenholz (Dalbergia decipularis) und Königsholz (Dalbergia cearensis) der Fall, die erst seit 2017 nach Anhang B geschützt sind.

Verschärfung beim Schutz von Elfenbein

Weiter verschärft hat sich die Gesetzeslage seit Anfang dieses Jahres in Bezug auf Objekte, die Elfenbein enthalten. Durch die Änderung der Verordnung EG 865/2006 ist Import und Export von Elfenbeinobjekten seit dem 19. Januar 2022 generell verboten. Lediglich Museen und öffentlichen Sammlungen ist es unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, aus Elfenbein gefertigte Kunstwerke zu erwerben oder zu verkaufen. Angesichts ohnehin fehlender Mittel wird dies auch in Hinblick auf das zudem für viele negativ konnotierte Material wohl eher selten vorkommen, sodass es dem Gesetzgeber nicht schwer gefallen sein wird, diese Ausnahmeregelung zu schaffen. Die Ein- und Ausfuhr von Elfenbein ist für den Kunsthandel somit verboten, aber auch für Objekte, die aus der Zeit vor 1947 stammen, ist ab sofort eine Vermarktungsgenehmigung zu beantragen. Die bisherige Ausnahme in Bezug auf Elfenbein wurde also aufgehoben.

Viele Auktionshäuser nehmen mittlerweile keine Einlieferungen von Elfenbeinobjekten mehr an, denn in demselben Maße, in dem der Verwaltungsaufwand ansteigt, verringert sich der Marktwert. Hinzu kommt, dass die deutschen Behörden Kunsthändlern nicht erlauben, stellvertretend für ihre Kunden Vermarktungsgenehmigungen zu beantragen. Dies hätte einerseits den Vorteil gehabt, Privatpersonen nicht das komplizierte Antragsverfahren zuzumuten, dessen erfolgreiche Bewältigung gewisse Fachkenntnisse voraussetzt. Andererseits hätten diese auch nicht ihre Anonymität preisgeben müssen, denn die Vermarktungsgenehmigung, die das Objekt immer im Original begleiten muss, enthält den Namen des Antragstellers. Dass diese Verwaltungspraxis den Artenschutz fördert, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich. So sehen es wohl auch die belgischen Behörden, die es im Rahmen der Anwendung derselben europäischen Normen den Kunsthändlern gestatten, für ihre Kunden Vermarktungsgenehmigungen zu beantragen. Auch das Bundesamt für Naturschutz äußerte im Rahmen einer Informationsveranstaltung zu der Gesetzesänderung keinerlei Bedenken hinsichtlich einer solchen Auslegung – zuständig sind jedoch die unteren Naturschutzbehörden.

Neue EU-Normen, Diskussionen zum Komplettverbot von Elfenbein in Frankreich, Belgien und dem Vereinigten Königreich: Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass sich der Artenschutz weiter verschärfen wird, was grundsätzlich natürlich zu begrüßen ist. Ob es indes notwendig ist, auch den Handel mit Antiquitäten von oft hohem künstlerischem Niveau – die im Übrigen auch unter das Kulturgutschutzgesetz fallen können – aus eher symbolischen Gründen mit derart strengen Auflagen zu versehen, bleibt hinterfragungswürdig. Sie sind dadurch einem preislichen Verfall ausgeliefert, der zusammen mit einer zunehmenden Stigmatisierung der Eigentümer dazu führen könnte, dass eine unkomplizierte Entsorgung die attraktivere Lösung wäre. Wenn nicht schon aus rechtlichen Gründen, dann ist dieses Ergebnis zumindest aus kunsthistorischer Sicht nicht zu begrüßen.

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