Tefaf in Maastricht

Comeback für die Tefaf

Die Tefaf findet nach vielen Corona-Unruhen wieder als physische Messe in Maastricht statt und lädt zu einem Spaziergang durch mehr als zweieinhalb Jahrtausende Kunst ein

Von Peter Dittmar
20.06.2022
/ Erschienen in Kunst und Auktionen 10/22

New York und Maastricht trennen 3711 Meilen oder 5975 Kilometer. Und 45 Tage. Denn am 10. Mai ging die Tefaf im Park Avenue Armory zu Ende, und am 24. Juni beginnt sie im Maastrichter Messezentrum. 91 Händler waren in New York dabei. Einem Drittel von ihnen wird man – obwohl einige prominente Galerien wie Zwirner, White Cube, Ropac, Gmurzynska, Gagosian es mit New York genug sein ließen – unter den 242 Ausstellern im südlichsten Zipfel der Niederlande wiederbegegnen. Wie auch manchem Kunstwerk. Bei der Galerie Chenel (Paris) beispielsweise der römischen Marmorskulptur der „Aphrodite als Venus Genetrix“, deren Provenienz bis ins 17. Jahrhundert reicht, als sie in der Villa Pamphilia (wenngleich als „Euterpe“ verkannt) stand. Oder bei Beck & Eggeling (Düsseldorf) der überdimensionierten federartigen Stele „Joy“ wie dem „Weißen Rotor mit weißen Punkten“ von Heinz Mack, während ein Gemälde von Manolo Valdés erfolgreich für 350.000 Dollar New York gen Houston verließ. Aber an weiteren Bildern des spanischen Malers mangelt es der Galerie in Maastricht nicht.

Die Messe lädt wie immer zu einem Spaziergang durch mehr als zweieinhalb Jahrtausende Kunst ein. Zu den ältesten Stücken gehört, ebenfalls bei Chenel, die Katzengöttin „Bastet“, die in Ägypten zu Zeiten der 26. bis 30. Dynastie (664–332 v. Chr.) in Bronze gegossen wurde. 1,5 Millionen Euro werden für sie erwartet. Das könnte man noch bescheiden gegenüber den 4,5 Millionen Dollar nennen, die die Omer Tiroche Gallery (London) auf das Preisschild des Gemäldes „almost like skiing“ (1991) von David Hockney gesetzt hat. Denn Gegenwärtiges, soweit etabliert und kanonisiert, beansprucht in Maastricht inzwischen ein Gutteil des Platzes. Thomas Salis (Salzburg) unterstreicht das mit einem Exkurs über das „Prinzip Collage“, wie es von Arp, Ernst, Höch, Schwitters, Picasso und anderen originell variiert wurde. Und wem die Schwelle von einer bis anderthalb Millionen Euro kein Hindernis ist, hat die Wahl zwischen einer „Natura morta“ von Giovanni Morandi bei Tornabuoni (Florenz) oder „Mann und Frau“ von Emil Nolde bei Utermann (Dortmund).

Rembrandt, Tefaf, Rumbler
Nicht zu übersehen ist die Rembrandt-Radierung „Weiblicher Akt auf einem Erdhügel“, die Rumbler unlängst im Katalog „Lasst die Hüllen fallen! / Drop the Covers!“ vorstellte. © H. H. Rumbler, Frankfurt

Die Alten Meister haben es dagegen schwerer. Dafür sind sie immer wieder für Überraschungen – und Zuschreibungen – gut. Dazu gehört bei Caretto & Occhinegro (Turin) das „Bildnis eines Architekten“, das möglicherweise den Nürnberger Hans Behaim darstellt. Denn der venezianische Maler Jacopo de’Barbari – berühmt ist seine von sechs Platten gedruckte Ansicht von Venedig aus der Vogelperspektive – war um 1500 nach Nürnberg gezogen, wo er als Jacob Walch oder Jacob der Welsche nachzuweisen ist. Das Frontalporträt verrät, dass er sich offensichtlich den dort geschätzten Stil der Dürerzeit anzueignen verstand. Aber auch eine „Betende Maria mit blauem Schleier“, Mitte des 17. Jahrhunderts wahrscheinlich von Giovanni Battista Salvi, genannt Sassoferrato, gemalt (und 2017 für 62.500 Euro im Dorotheum verkauft) bei Altomani (Mailand) oder das Porträt von „Vincenzo Gonzaga, dem Herzog von Mantua“, um 1602 von dem jüngeren Frans Pourbus (und im November 2021 im Dorotheum mit 332.518 Euro bezahlt), bei der auf Royales spezialisierten Gallery Weiss (London) bereichern diese Sektion. Und nicht zu übersehen sind die drei Rembrandt-Radierungen mit „Jupiter und Antiope“, einem „Weiblichen Akt auf einem Erdhügel“ und einem „Männlichen Akt, sitzend“, die Rumbler (Frankfurt) unlängst im Katalog „Lasst die Hüllen fallen! / Drop the Covers!“ – vereint mit einer beachtlichen Zahl von altmeisterlichen Akten – vorstellte.

Die Spanne zwischen klassisch und modern führt De Wit Fine Tapestries (Mecheln) anschaulich vor. Das unterstreicht zum einen der prächtige Wandteppich aus den südlichen Niederlanden des frühen 16. Jahrhunderts mit einem „Beschlossenen Garten mit wilden Tieren“, darunter als Hauptfigur einem Greif. Und ein fantastisches Tier, ein Einhorn, ist auch der Protagonist auf der modernen Tapisserie „La Licorne passe sur la mer“ von 1962 nach einem Entwurf von Le Corbusier. Schließlich ist das 20. Jahrhundert mit Design und Kunstgewerbe recht vielseitig präsent. Die Galerie Marcilhac (Paris) konzentriert sich auf die Jahre 1920 bis 1940 und das Art déco. Marc Heireman (Antwerpen) bietet für 35.000 Euro einen strengen Vitrinenschrank des Niederländers Onno Schelling mit den Fibonacci-Zahlen als real-abstraktem Dekor an. Und bei Axel Vervoordt (Wijnegam) wartet für 24.000 Euro ein bestechend einfacher Tisch mit einer Marmorplatte und Metallgestell von Carlo Scarpa. Dagegen bedarf die Anmutung der „Consol Cristalloide Rainbow“ von Hervé Van der Straeten, einem Wandtisch aus unregelmäßig zusammengefügten knallbunten Vierecken aus Stahl, bei der Galerie Flore (Brüssel) schon eines recht eigenen Geschmacks.

Johann Christian Neuss, Tefaf, Matzke
Bei Helga Matzke kann man für 250.000 Euro zwei von einst acht Weinkühlern erwerben, die Johann Christian Neuss 1781/83 in Augsburg im Auftrag von Zarin Katharina der Großen für das Charkowsche Gouvernementservice anfertigte. © Helga Matzke, Grünwald

Von der Zurückhaltung bei antiken Möbeln, die in der Vor-Corona-Zeit messetypisch zu sein schien, ist in Maastricht nichts zu spüren. Das belegt bei Steinitz (Paris) das außergewöhnliche Ensemble aus einer dreitürigen Kommode und zwei dazugehörigen Eckkommoden in Schwarzlack mit japanischen Motiven, das Armand Fréderic-Ernest Nogaret um 1665/70 für den späteren König Charles X. schuf. Und das gilt auch für die beiden hochbeinigen Nachttische bei Piva & C (Mailand), die Guiseppe Maggiolini 1787 für den Marquis Giorgio Pio Pallavicini Trivulzio fertigte. Damit aber all das nicht kahl in den Räumen stand und steht, bieten sich bei Röbbig (München) rare Meissner Porzellane als schmückendes Beiwerk an. Beispielsweise die beiden Malabaren, jene seltsam bekleideten exotischen Figuren, die Kaendler und Friedrich um 1750 modellierten und staffierten. Oder, ebenfalls von Kaendler, die beiden Turmfalken, von denen der eine eine Lerche, der andere eine Maus frisst.

Geht es aber um nützliche Gerätschaften, natürlich aus edlem Metall, vermag Helga Matzke (Grünwald) Treffliches beizusteuern. Da kann man für 500.000 Euro auf zwölf silberne Leuchter mit der Provenienz Sanssouci zurückgreifen, die einst den Tisch von Friedrich dem Großen erhellten. Oder, nur halb so teuer, auf zwei von einst acht Weinkühlern, die Johann Christian Neuss 1781/83 in Augsburg im Auftrag von Zarin Katharina der Großen für das Charkowsche Gouvernementservices anfertigte. Und von einer Dame, die vielleicht zu solch fürstlicher Tafel geladen worden war, hat Matzke ein elfteiliges Toilettenservice im Repertoire. Dazu gehören mehrere Pinsel, Bürsten, Dosen und auch zwei Leuchter. Das Ganze, Silber vergoldet, um 1711/15 in der Augsburger Werkstatt von Friedrich II Schwestermüller ausgeführt, und nun für 95.000 Euro feilgeboten. Damit gehört es zu jenen Objekten, die andeuten, dass Maastricht durchaus auch zu locken vermag, obwohl man sich nicht leichtherzig von sechsstelligen Beträgen trennen kann.

Service

MESSE

Tefaf, Maastricht

25. bis 30. Juni 2022

tefaf.com

Zur Startseite