Trotz der räumlichen Nähe zur Übermesse Art Basel hat sich die Art Genève in der Schweiz etabliert – dank ihres originellen Konzepts
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19.01.2023
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Kunst und Auktionen 20/22
Längst nicht alles auf der elften Art Genève ist käuflich. Eine Institution wie das Museum Frieder Burda aus Baden Baden präsentiert hier im Januar Fotografie von Andreas Gursky aus den eigenen Depots, und auch die Fondation Dubuffet hat kein Interesse daran, die Werke der französischen Art Brut-Ikone zu veräußern. Vielmehr flankieren ihre Ausstellungen eine Messe mit gewagter Balance zwischen Kunst seit der Moderne und ihrer Kommerzialisierung. Das alles hat mit Direktor Thomas Hug zu tun. Er konzipierte seinen „Salon d’Art“ vor zehn Jahren mit einem dreifachen Anspruch: Neben der anfangs überschaubaren Zahl an Galerien lud er private Museen wie auch öffentlich geförderte Projekte nach Genf, um das eher bilderfeindliche, weil calvinistisch geprägte Umfeld mit möglichst viel zeitgenössischer Kunst zu konfrontieren. Hinzu kommt noch „Art Genève Musique“, ein Avantgardeprojekt akustischer Art, das auf Hugs Zeit als Galerist in Berlin zurückweist: Hier zeigte er bis 2010 experimentelle, auf Musik basierende Arbeiten.
Als gebürtiger Genfer war er die wohl bestmögliche Besetzung für jene anspruchsvolle Aufgabe, drei Bahn stunden von Basel entfernt eine weitere Messe in der Schweiz zu etablieren. Inzwischen gibt es auch einen Skulpturengarten als Biennale am Genfer See, der die Kunst vom Messegelände mitten in die Stadt holt. Dieses eigene Profil hat der Art Genève dabei geholfen – und immer wieder sieht man Flagschiffe der Art Basel auch in Genf. Diesmal nehmen namhafte Galerien wie Urs Meile, Almine Rech, Eva Presenhuber, Perrotin, Continua, Gagosian oder Thaddaeus Ropac teil, der unter anderem Werke von Imi Knoebel und Wolfgang Laib mitbringt. Die meisten waren schon auf vergangenen Ausgaben der Messe präsent, zögerten jedoch in den beiden Corona-Jahren und sind nun wieder präsent. Eine Entwicklung, die Hug besonders freut. Am Stand von Mai 36 hängt unter anderem eine Arbeit von General Idea, bei Thomas Brambilla aus Bergamo findet sich ein frühes Selbstporträt im Wald von Klaus Rinke. Passend zur Jahreszeit bekommt man bei der Schweizer Galerie Monica De Cardenas die Skulptur „Woman with Boots and Winter Jacket“ (2021) von Stephan Balkenhol, während die Edouard Simoens Gallery aus Knokke mit einer kleinen, frühen Bodenskulptur von Carl Andre glänzt, die sie kürzlich auf der Messe in Luxemburg für über 300.000 Euro anbot.
Parallel gibt es Newcomer wie die Salzburger Galerie Mario Mauroner. Sie präsentiert sich unter anderem mit Werken von Rashid Al Khalifa, dessen Friese aus Aluminium die architektonischen Strukturen des nahen und mittleren Ostens aufgreifen und künstlerisch interpretieren. „Spectrum XVI“, eine Arbeit aus diesem Jahr soll 39.900 Euro kosten. Für Mauroner ist es die perfekte Gelegenheit, die Sammler und Sammlerinnen der Galerie aus den französischen Regionen wie auch der West- und Ostschweiz zu treffen. Die Art Genève nennt er ein „interessantes Parkett“, das die Galerie zum Start ins neue Messejahr ausgewählt hat – bevor es als nächstes dann nach Dubai geht.
90 Teilnehmer – und damit einige mehr als 2021– sind es insgesamt, die Institutionen eingeschlossen. Zu ihnen gehören aktuell Nachbarn wie das Centre d’Art Contemporain Genève, aber auch die Serpentine Galleries aus London, die Ringier Collection, das Stipendiengrogramm „Poush“ aus Paris oder das Musée du quai Branly für außereuropäische Kunst. In Genf zeigt das wichtige Pariser Haus Werke aus demselben Kontext, die jedoch nicht Teil der Sammlung, sondern des Angebots sind, mit dem die Messe ihren Fokus über die europäische Kunst hinaus ausdehnen will. Begleitend gibt es Talks und Performances und im Eingangsbereich eine beachtliche Ausstellungsfläche für Arbeiten aus dem Nachlass des britischen Künstlers Barry Flanagan, die sich sämtlich um das Motiv des Hasen drehen. Eine kuratierte Schau mit Künstlerinnen wie Nancy Spero (Galerie Christine König, Wien), Meret Oppenheim (Galerie Knoell, Basel und Galerie Larkin Erdmann, Zürich), Regine Parra (Galerie Jaqueline Martins, Sao Paulo) oder Ada Friedman (Galerie Kendra Jayne Patrick, New York / Bern) erkundet das Metaphysische in der Gegenwartskunst. Auch hier fällt auf, dass nicht allein an der Messe beteiligte Galerien die anderen Projekte mit Werken bestücken können. Hug fragt die Protagonisten nach Bedarf extra, um jene anderen Projekte zu realisieren, die seine Messe ein Stück weit singulär machen.
Nicht zuletzt kurbelt sie den Ehrgeiz der Galerien mit dem „Prix Soloartgenève-F. P. Journe“ an. Der Preis wurde gleich zur Premiere ins Leben gerufen und konzentriert sich auf Messestände mit einer Soloschau. Diesmal feiert man das zehnjährige Jubiläum und bringt noch einmal in einer Retrospektive sämtliche Arbeiten zusammen, die in der Vergangenheit prämiert wurden. Das fordert offenbar die nun versammelten Galerien heraus, von denen gleich 21 eine monografischen Präsentation planen. Auch eine gute Bilanz.