Sie finden die Kunstmarktpreise oft schwindelerregend? In unserer Reihe „10 unter 10.000“ durchforsten wir Galerien und Auktionshäuser nach Kunst, die (noch) erschwinglich ist. Folge 18: Vintage-Porzellan und KI-generierte Polaroids
ShareAnfang der Siebzigerjahre begann Ruth Wolf-Rehfeld, Jahrgang 1932, ihre „Typewritings“ zu entwickeln. Mit der Schreibmaschine tippte sie Buchstaben, Nullen, Kommas, Pfeile oder Pluszeichen aufs Papier – und schuf so kleine grafische Kunstwerke. Ihr Mann Robert Rehfeldt war in der DDR eine zentrale Figur der „Mail Art“-Bewegung, das Ehepaar inspirierte sich gegenseitig. Bis zur Wende schuf die Autodidaktin, die vergangenes Jahr für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde, über 600 einzigartiger „Typewritings“. Die Edition „Spheres of Interest“ (Auflage 50), eine Zinkografie des Originals, misst 21,5 mal 30 Zentimeter. Sie kann im Bookshop der Schöneberger Galerie Chert Lüdde, die das Werkverzeichnis der Künstlerin verantwortet, für 1785 Euro erworben werden.
Wie sähe das Osmanische Reich wohl im 21. Jahrhundert aus? Das hat sich der französisch-türkische Künstler Sarp Kerem Yavuz gefragt und mit einer KI imaginäre Porträts queerer Individuen generiert. Nachdem die LGBTQI+-Gemeinschaft in der Türkei vor Kurzem wieder verstärkt ins Visier genommen wurde, erforscht Yavuz in „Polaroids from the Ottoman Empire“ das kontroverse Thema auf einer visuellen Ebene. Die nostalgische Textur und die leichte Unschärfe der Arbeiten schaffen eine Illusion von Authentizität. Gleichzeitig unterstreicht die unzeitgemäße Verwendung von Polaroids, die es im Osmanischen Reich, das 1922 unterging, noch nicht gab, den fiktiven Charakter der dargestellten Szenen. Die Serie ist im Angebot der Palo Gallery in New York. Die Arbeit „Cem & Civan“ (10,6 mal 8,6 Zentimeter) kann für 3450 Dollar (ungerahmt) erworben werden.
Für die Kollektion „Generation T“ hat Hella Jongerius alten Tellern, Tassen und Schalen neues Leben eingehaucht. Das „T“ steht für die englischen Begriffe tradition, transformation und tableware. Das hochwertige Geschirr stammt aus der bayerischen Porzellan Manufaktur Nymphenburg und wurde von der niederländischen Designerin, Jahrgang 1963, selbst bemalt. Die Initiative setzt ein kunstvolles Zeichen gegen die Verschwendung von Ressourcen. In diesem Sommer können die Unikate beim Conzept Store von Andreas Murkudis in Berlin bestaunt und auch erworben werden. Die Stücke kosten je nach Größe zwischen 150 und 440 Euro. Wer noch altes Nymphenburger Porzellan zu Hause hat, kann dieses einsenden und mit den Designs von Jongerius verzieren lassen.
Für ihre Serie „Zeit ist Geld – Eine Schnecke ist eine Schnecke“ (2021) hat die Fotografin Luise Marchand Schnecken dabei beobachtet, wie sie über Geldscheine und -münzen kriechen. Das ungewöhnliche Aufeinandertreffen von Schnecke und Geld wirkt fremd und wirft Fragen auf. Die Praxis der Geldwirtschaft will auf den ersten Blick so gar nicht zu dem naturverbundenen Tier passen. Die Aufnahmen der Schnecken in ihrer Landschaft aus Geld erinnern an Stockfotografie und könnten auch Nachrichten und Werbeanzeigen illustrieren. Das Aufeinanderstoßen organischer und künstlicher Elemente ist ein wiederkehrendes Motiv im Werk der 1987 geborenen Künstlerin. Der gerahmte C-Print (Auflage 3), UV-Druck auf Glas, kostet 2800 Euro und wird von der Bremer Galerie K-Strich angeboten.
Die Kunstglasmanufaktur Loetz Witwe in Klostermühle gehört zu den bedeutendsten ihrer Art. Um 1900 wurde dort die in Blau-Grün-Tönen schimmernde Vase mit Messingmontur gefertigt. Der Jugendstil-Entwurf wird dem österreichischen Bühnenbildner und Maler Alfred Roller zugeschrieben. 1897 war er Mitbegründer der Wiener Secession, von der er sich aber 1902 wieder trennte. Entdeckt haben wir das edle Einrichtungsstück in der Galerie Bel Etage in Wien – ein echter Geheimtipp für alle Fans des Wiener Jugendstils. Dort steht die 22 Zentimeter hohe Vase aus irisierendem Glas für 8800 Euro zum Verkauf.
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