Bamberg mit den bedeutenden Zeugnissen seiner Geschichte ist immer eine Reise wert. Ein ganz besonderes Vergnügen ist es, wenn die Kunst- und Antiquitätenhändler inmitten der Altstadt einladen, ihre Schätze zu erkunden
Von
17.07.2023
Den Bamberger Reiter kennen auch Menschen, die noch nie einen Schritt in diese zauberhafte, historisch so reiche Stadt in Franken gemacht haben. Viel imposanter ist der Anblick vor Ort. Als wäre er gerade durch das Fürstenportal in den Dom hineingeritten und würde nur kurz innehalten, um sich umzuschauen – so wahrhaftig und zeitlos steht die 800 Jahre alte Steinskulptur hoch oben auf einer Konsole im Dom. Aber Bamberg hat so viel mehr als diesen rätselhaften Reiter. Zwischen gotischen Kirchen und Karmelitenkloster, zwischen Chorherrenstiftshäusern und barockem Bürgerstolz strömt einem in den Gassen unentwegt Kunst und mehr als ein ganzes Jahrtausend Geschichte entgegen. Schließlich war Bamberg einmal der Mittelpunkt eines Kaiserreiches. Heinrich II., der hier 1007 ein Bistum gründete und auf einem Hügel hoch über der Wasserader der Stadt, der Regnitz, den ersten romanischen Kathedralbau errichten ließ, herrschte von dort aus über ein Gebiet zwischen Utrecht, Marseille und Italien.
Ein Spaziergang durch Bamberg gleicht einer entschleunigten Tour durch die Epochen der Kunst. Von der Romanik und der französisch beeinflussten Frühgotik des Doms zeigt sich die Renaissance in ihrer architektonischen Klarheit an der Fassade des Ratsstubenbaus der Alten Hofhaltung, die einst Heinrich II. als Pfalz und den späteren Fürstbischöfen als Regierungs- und Verwaltungsanlage diente. Die satte Herrlichkeit des Barocks kann man am besten in der Neuen Residenz erleben. Für einen Schlosspark gab es hier oben auf dem Domberg keinen Platz, aber für einen der schönsten Rosengärten. In den Sommermonaten verströmen rund 4500 Gewächse einen zarten Duft, den kein Parfümeur nachahmen kann. Das ist der rechte Ruhepunkt, bevor es in die Altstadt mit ihren Adelspalais und südlich inspirierten Bürgerhäusern geht bis zum berühmten Brückenrathaus, das sich wie eine stolze Burg über der Pegnitz niedergelassen hat. Von Kriegszerstörung verschont, hat sich im Stadtkern ein einzigartiges architektonisches Ensemble bewahrt. Seit 30 Jahren darf die Stadt den Unesco-Titel „Weltkulturerbe“ tragen. Keine vierspurige Autostraße zerschneidet die Altstadt. Kein Hochhaus verzerrt die Idyllen am Ufer des Flusses.
Die Bamberger und Tausende von Touristen wissen das längst zu schätzen. Dieser lebendige, aber auch bodenständige Umgang mit der Geschichte ist vielen anderen Städten längst abhandengekommen. In den Gassen der 80 000-Einwohner-Stadt, die übrigens auch Universitätsstadt ist, herrscht ein Flair aus urbaner Unruhe und heiter-unaufgeregter Lebensart. Und mitten in der Altstadt, zum Teil nur einen Steinwurf voneinander entfernt, reihen sich die Geschäfte, in denen Kunst und Antiquitäten für 500 Euro, aber auch für 500.000 Euro zu haben sind. Bei ihnen kann man die Tour durch die Epochen, die man am Kaiserdom begonnen hat, auf andere Art fortsetzen. In der Herrenstraße bei Senger, einem familiengeführten Kunsthandel in zweiter Generation und Teilnehmer der weltbesten Kunstmesse Tefaf, bei Matthias Wenzel und im Kunsthandel Christian Eduard Franke leuchtet einem sofort ein, warum die vor mehr als 20 Jahren ins Leben gerufenen Bamberger Antiquitätenwochen zum beliebten Sommertreff für Kunstliebhaber geworden sind.
In keiner anderen Stadt Deutschlands konzentrieren sich auf überschaubarem Terrain so viele hochkarätige Antiquitäten wie hier: gotische Skulpturen, Gemälde von Lucas Cranach und Joos van Cleve, Augsburger Silber, bedeutende Möbel von David Roentgen bis zum fränkischen Rokoko, Renaissance-Lüsterweibchen, Barock-Spiegel, Empire-Uhren, Gemälde vom 16. bis zum 20. Jahrhundert und vieles mehr. Der Zirkel der Begehrlichkeiten ist freilich noch größer. In einem verwinkelten Eckhaus an der Dominikanerstraße hat sich Julia Heiss dem modernen Silber Dänemarks verschrieben. Namen wie Georg Jensen, Frantz Hingelberg oder Cohr sind für Synonyme für puristische Schönheit. Am Ende der Karolinenstraße verführt das Antiquariat Lorang dazu, angesichts von 50.000 Buchtiteln und alter Grafik Zeit und Raum zu vergessen. Schöne, schlichte Biedermeiermöbel bietet Burkhard Hauptmann in seinem Geschäft an. Spannend wird es im Auktionshaus Schlosser, wenn der Hausherr Kunst aus fünf Jahrhunderten aufruft. Und wer wissen will, wie man mit historischen Möbeln und Kunsthandwerk in einem Haus von 1307 ganz modern und mit Stil leben kann, sollte beim Kunsthandel Schmidt-Felderhoff klingeln.
Die Bamberger lieben ihre Geschichte, aber sie sind auch offen für Neues. So ist die Gegenwartskunst Teil der Antiquitätenwochen geworden. Die Galerie AOA;87 zeigt in diesem Sommer aus Bodo Korsigs Serie „Window of the Mind“ assoziationsreiche, abstrakte Scherenschnitte in Filz. Einen Gastauftritt im Bibra-Palais, dem Sitz des Auktionshauses Schlosser, hat THE gallery. Der Inhaber Thomas Eller betritt als Galerist zwar Neuland, aber als Künstler, Kurator, Kulturmanager, der in Berlin und Peking tätig war, ist er seit Langem mit der Szene vertraut. Vor zwei Jahren gründete er seine Galerie in einer alten Wassermühle in Mürsbach, wo jetzt parallel zu den Bamberger Kunstwochen und nur zwanzig Kilometer entfernt Werke von K. R. H. Sonderborg und Michelle-Marie Letelier gezeigt werden.
Nach diesem reichen Kunst- und Kulturprogramm ist jeder reif für eine Stärkung. Wie gut, dass Bamberg eine Stadt ist, in der man auch kulinarische Genüsse zu schätzen weiß. In den vielen Gastwirtschaften mit ihren deftigen, typisch fränkischen Gerichten und dem berühmten Rauchbier kann man die Eindrücke sacken lassen. So lange, bis die Straßenlaternen angehen und das Sommermärchen Bamberg noch eine Spur romantischer wirkt als am sonnigen Tag.
bis 24. August 2023,
die Galerien sind täglich geöffnet