Die Art Basel Hong Kong versucht ihr Comeback, doch auch die Konkurrenz im asiatischen Raum hat sich neu aufgestellt
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26.03.2024
Erstmals nach vier Jahren Pause respektive mit 40 Prozent weniger Galerien im vergangenen Jahr startet die Art Basel Hongkong nun Ende März mit 243 Galerien aus 40 Ländern. Damit ist sie erneut so umfangreich wie vor der Covid-Pandemie. Zwar muss die Messe auf zahlreiche Blockbuster-Galerien wie etwa Marian Goodman oder Sean Kelly verzichten, jedoch füllen diese Lücke traditionsreiche Galerien wie Sprüth Magers oder Lisson. Erstmalig dabei sind 24 Galerien und 38 Teilnehmer reisen aus dem deutschsprachigen Raum an, darunter Buchmann aus Zürich mit dem Künstler Daniel Buren, Rosemarie Schwarzwälder mit Arbeiten von Katharina Grosse und die Galerie Kadel Willborn (Düsseldorf) mit Body Art.
Das Hauptfeld deutscher Galerien kommt aus Berlin, darunter Carlier Gebauer, Contemporary Fine Arts, Thomas Schulte, Max Hetzler und Mehdi Chouakri. Insgesamt machen die Teilnehmer aus Deutschland zehn Prozent aus, im Programm haben sie internationale Kunst von Gerhard Richter bis Yayoi Kusama, während asiatische Galerien neben Stars wie Mulyana, Chun Kwang Young, Mu Boyan, Lee Wen und Yue Minjun auch Werke von Nankoku Hidai zeigen, einem der einflussreichsten Vertreter avantgardistischer Kalligrafie. Außergewöhnlich ist das Angebot des in Taipeh ansässigen PTT Space: Er präsentiert Porträts aus der queeren Szene, die der 1981 verstorbene Maler Shiy De-jinn ab den Fünfzigerjahren schuf. Sollte das der Versuch einer gesellschaftlichen Öffnung sein oder gar ein zarter Neuanfang im sonst moralisch so strengen China, das natürlich auch auf die 2013 ins Leben gerufene Messe wirkt?
Die Mega-Galerie Hauser & Wirth scheint mit dem kürzlichen Umzug ihrer Hongkong-Dependance in die größeren Räume der ehemaligen Kronkolonie Großbritanniens jedenfalls einen Vertrauensvorschuss geben zu wollen. Auch Sotheby’s und Christie’s haben in diesem Jahr neue Verkaufsräume und Zentralen in Hongkong eröffnet. Das Auktionshaus Phillips hat bereits seit vergangenem Jahr seinen erweiterten Hauptsitz in der chinesischen Metropole. Seit man im vergangenen Jahr die Pandemie für beendet erklärte, stiegen laut dem aktuellen Art Basel UBS Global Collecting Survey die Kunstexporte aus Hongkong im ersten Quartal um fast 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und in der Vergangenheit profitierte man lange Zeit vom Handel mit China. Der prognostizierte wirtschaftliche Abschwung auf dem Festland mit Dominoeffekt, was die chinesischen Immobilienentwickler und ihren Kollaps am Immobilienmarkt anbelangt, wirkt sich jedoch bereits auf die Kunstszene der Sonderverwaltungszone aus.
Symptomatisch gab es enttäuschende Ergebnisse in den vergangenen Hongkonger Herbstauktionen. Zudem hat sich der Aktienmarkt von der Pandemie und dem aggressiven politischen Kurs gegenüber Taiwan noch nicht wieder erholt. Aber auch die zunehmende politische Annäherung an China gefährdet weiterhin die Position Hongkongs als führendes Kunstzentrum. Die Angst vor stärkerer Kontrolle durch Peking wurde zuletzt durch ein neues Sicherheitsgesetz geschürt, das sich willkürlich anwenden lässt. Und so sieht man in Fachkreisen den Standort zwar als kurzfristig gewinnbringend, mittelfristig jedoch gefährdet und langfristig als perspektivlos.
Als kommendes Mekka der zeitgenössischen Kunst wird immer wieder die koreanische Metropole Seoul genannt. Ihr Ruf als asiatischer Hotspot gründet auf zahlreichen Neuansiedlungen von Galerien. Darüber hinaus verfügt Seoul über eine lange, primär unternehmerische Sammlertradition mit einer hohen Dichte an Privatmuseen. Dies brachte die Londoner Frieze im September 2022 dazu, hier in Konkurrenz zur ortsansässigen Kunstmesse KIAF ihren ersten Messeableger in Asien aufzubauen. Mit dem Ergebnis, dass Seoul dank ähnlich attraktiver Steuerprivilegien fast augenblicklich zum unmittelbar größten Konkurrenten der Art Basel Hong Kong wurde. Das allerdings wird im gemeinsam mit der Art Basel herausgegebenen UBS Report nicht erwähnt.
Schaut man auf weitere Player in Asien, so führt auch an Singapur und Tokio als internationale Kunstmarktzentren mittelfristig kein Weg vorbei. Neben Frieze und Art Basel ist The Art Assembly Gruppe der dritte große Player. Letzterer organisiert sechs Messen für Kunst und Fotografie in Asien, davon die noch junge Art SG ebenso wie die Tokyo Gendai, die der japanischen Metropole jenseits der seit 2005 stattfindenden Art Fair Tokyo zu international größerer Bekanntheit verhelfen soll.
Wer in Asien also künftig die Nase vorne haben will, der muss die asiatischen Sammler und Sammlerinnen hinter sich versammeln. Dafür lohnt einmal mehr der Blick auf das statistische Kaufverhalten. Japan wie Hongkong meldeten einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Käufen im Erstmarkt, Hongkonger Sammler gaben neben US-Amerikanern zudem einen Spitzenanteil von 17 Prozent ihres Budgets auf Kunstmessen aus. Immerhin gaben Sammler von Festlandchina im vergangenen Jahr durchschnittlich fast 400.000 US-Dollar überwiegend für Gemälde aus. In Hongkong dürfte dieser Wert noch höher liegen, das ist der Hoffnungsschimmer der diesjährigen Messe.
Heterogen ist auch die Größe der Sammlungen, die im asiatischen Raum von Region zu Region variiert. Von der durchschnittlich kleinsten in Singapur mit 39 Werken bis zur größten in Taiwan (65). Der Durchschnitt über alle asiatischen Märkte hinweg lag bei 48 Werken, und nur etwa ein Viertel der vermögenden Sammler hatte größere Sammlungen von 100 Werken oder mehr. Das Schwergewicht dürfte hier auf Sammlungen in Südkorea, Hongkong und Japan mit überwiegend Unikaten in den traditionellen Medien wie Gemälde, Papierarbeiten und Skulptur liegen, während Drucke, Multiples und Fotografien durchschnittlich nur zu 16 Prozent in den Sammlungen vertreten sind. Der Anteil fotografischer Werke ist hier mit sechs Prozent bei Verkäufen im vergangenen Jahr weiter gesunken, ebenso wie NFTs in den wichtigsten Handelsländern USA wie in Festlandchina mit Wert und Volumen weiter auf dem Rückzug sind. Eine Ausnahme dabei macht Seoul.
Hongkong sammelt dennoch gern zeitgenössisch, mehr als die Hälfte an Werken in den Sammlungen stammen von aufstrebenden Kunstschaffenden. Die Tür für gute Geschäft auf der Art Basel Hongkong scheint also offen.