Nach zweijähriger Renovierung hat die Hamburger Kunsthalle wiedereröffnet. Mit einem opulenten Haupteingang und einer komplett neu strukturierten Sammlung schafft das Haus den Sprung in eine neue Dimension
Von
02.05.2016
Am letzten Aprilwochenende hat die Hamburger Kunsthalle in einem großen Festakt wieder ihre Türen geöffnet. Diese Türen sind nicht mehr dort, wo sie mal waren. Vor der zweijährigen Renovierung lag der Eingang fast ein Jahrhundert lang zur Bahnhofsseite, im neoklassischen Neubau von 1919. Das Museum umfasst drei Gebäude, neben dem Neubau gibt es den im Renaissancestil errichteten Altbau aus dem 19. Jahrhundert und den 1997 errichteten schlichten Kubus der Galerie der Gegenwart. Die Verlegung des Eingangs zurück in den Altbau und damit zu Stadt und Binnenalster hin ist die größte und spektakulärste Neuerung, die der Umbau der Kunsthalle mit sich gebracht hat. Ging man vorher durch eine schmale Tür zunächst in eine Garderobe, um dann, durch einen Kuppelsaal und den Museumsshop geleitet, nach langem Weg endlich bei der Kunst anzukommen, betritt man das Museum nun über einen breiten, repräsentativen Treppenaufgang, von dem aus im Inneren eine ausladende Marmortreppe direkt ins Herzstück der Sammlung führt.
Für den Museumsdirektor Hubertus Gaßner kommt das Museum mit dieser „Volte“, sich um 180 Grad zu drehen, „endlich wieder zu sich selbst“. Schon mit dem Bau der Galerie der Gegenwart 1997 habe sich der Schwerpunkt des Ensembles hin zur Innenstadt verschoben, nun seien alle drei Gebäude endlich in echten Zusammenhang gebracht. Gaßner strahlt vor Freude über sein neu aufgestelltes Haus. Für ihn ist die Wiedereröffnung ein Triumph. Er geht im Herbst in den Ruhestand, und seine zehnjährige Amtszeit war nicht ohne Turbulenzen. Zwischenzeitlich dachte die Hamburger Politik laut darüber nach, die Galerie der Gegenwart mit ihren bedeutenden Werken von Gerhard Richter über Hanne Darboven bis Andreas Gursky aus Finanznot zu schließen – was einem Offenbarungseid hanseatischer Kulturpolitik gleichgekommen wäre. Und so ist es durchaus eine feine Spitze, wenn Gassner in seiner Festrede am Eröffnungsabend betont, das nun geradezu opulente Entree sei im Grunde unhanseatisch. Und dabei Siegfried Lenz zitiert, der die Hamburger Mentalität als die „Kunst“ beschreibt, „die Welt am Lieferanteneingang zu empfangen und ihr das Gefühl zu geben, dies sei die größe Auszeichnung“.
Ermöglicht wurde der 22 Millionen Euro teure Umbau durch eine 15-Millionen-Euro-Spende der Dorit und Alexander Otto Stiftung, die Stadt gab den Rest hinzu. Alexander Otto, Immobilienentwickler und jüngster Sohn des 2011 verstorbenen Otto-Versand-Gründers Werner Otto, hat seiner Stadt mit dieser außergewöhnlichen privaten Finanzierung einen großen Dienst erwiesen. Denn durch den Umbau erhielt das Museum nicht nur einen schöneren Eingang, auch die Technik wurde rundum erneuert, ein raffinierter Terrazzoboden unten altem Linoleum hervorgezaubert, Licht und Großzügigkeit in der Raumgestaltung Einlass gewährt. Die Sammlung wurde komplett neu gehängt und sowohl zeitlich als auch thematisch geordnet.
Das Ergebnis kann in vielen Punkten überzeugen. Der Rundgang vom 14. Jahrhundert bis in die Nachkriegsmoderne des 20. Jahrhunderts ist sinnvoll chronologisch aufgebaut und wartet immer wieder mit echten Höhepunkten wie den zwei großen Max-Beckmann-Räumen mit diversen neuen Dauerleihgaben auf. Die Architektur gibt Werken und Besuchern nun Luft zum Atmen, auch das lichte, weite Entree ist dem Rang der Sammlung mit ihren drei Manets, Caspar David Friedrichs »Wanderer über dem Nebelmeer« oder Franz Marc »Affenfries« endlich angemessen. Ob man sich an den kräftigen Wandfarben der Räume bis zur Moderne – vor allem am senfgelben Kuppelsaal – sattsehen wird, sei dahingestellt.
Nur wenig gelungen ist die Anbindung der Galerie der Gegenwart an das Gesamtensemble, ein erklärtes Ziel des Umbaus. Der Weg dorthin führt nach wie vor durch den mit einem Leuchtband von Jenny Holzer versehenen unterirdischen Gang, der ins Kellergeschoss der Gegenwartssammlung führt, wo dann der dortige Rundgang beginnt. Der direkte Weg führte eigentlich vom neuen Haupteingang direkt gegenüber zum Kubus, doch dieser ist leider versperrt durch den marmornen Pyramidenrumpf mit Schriftkunst von Ian Hamilton Finlay – ein architektonischer Fehlgriff der Vergangenheit, der durch den Umbau nur noch deutlicher wird. Denn dadurch fehlt im Außenraum der vom Verkehr umtosten Museumsanlage jegliche Aufenthaltsqualität, was auch der erneuerte breite Fußweg zum Bahnhof nicht auffangen kann. In seiner Festrede erzählte der Mäzen Alexander Otto von einigen „verrückten Ideen“, die keine Umsetzung gefunden hätten, wie einer Brücke hinüber zur Binnenalster oder der Überdachung des Finlay-Plateaus. Beim Anblick der am Eröffnungswochenende regenüberströmten Sichtblende zwischen altem und jüngstem Bau, denkt man: Oh, wie schade.