Das Auktionshaus Metz in Heidelberg bietet am 28. Mai in der Auktion „Bedeutende Porzellane“ frühe Stücke aus Meissen, darunter zwei Kaffeekannen, die mit Chinoiserien (Taxe 15.000 Euro) bzw. Kauffahrteiszenen (Taxe 14.000 Euro) dekoriert sind. 70.000 Euro werden für ein Koppchen mit Unterschale aus dem Wappenservice Clemens August von Bayern erwartet (Abb.). Das teuerste Los stammt hingegen von Frankenthal: Für die Figuren Okeanos und Thetis von 1770 müssen 125.000 Euro eingeplant werden. Wie sich der Markt für Porzellan über ein ganzes Jahr hinweg entwickelte, hat unser Experte Alfred Ziffer für KUNST UND AUKTIONEN zusammengefasst.
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06.05.2016
Allein auf meinem Computer finden sich über 150 Webadressen von Auktionshäusern in ganz Europa. Bei „Lotissimo“ füllen die Porzellane seit dem 1. September 2014 knapp 450 Seiten mit über 24.000 Einträgen. Angesichts dessen wäre es anmaßend zu behaupten, man habe einen Überblick über den Markt. Allerdings ist das Spektrum breit – was die Hersteller, das Alter und die künstlerische Qualität angeht. Denn der Werkstoff, der unter unglaublich schwierigen, fast mystischen Umständen zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Europa neu erfunden wurde, war stets dazu gedacht, Serien herzustellen.
Legt man den Schwerpunkt auf die „Kunst“, reduziert sich die Auswahl deutlich. Topzuschläge verdanken ihren Erfolg dem entwerfenden Modelleur, dem manufakturellen Aufwand bei der Ausführung und nicht zuletzt dem heutigen Zustand – der übrigens oft schwer nachvollziehbar ist. Einer von Johann Joachim Kaendler 1736 entworfenen Liebesgruppe neben einem Tischchen mit Schokoladenkanne in hervorragender Bemalung, die bei Lempertz in Köln am 14. November 2014 von 60.000 auf 120.000 Euro stieg, stand ihre Verfassung jedenfalls nicht im Weg.
Weil es nur selten eigene Kataloge füllt, wird Porzellan heute meist als Teil der „Antiquitäten“ offeriert. Lobenswert ist deshalb das Einwerben umfangreicher Konvolute, wie es Bonhams in London, Lempertz in Köln / Berlin oder Metz in Heidelberg unternehmen. Die gemeinsame Offerte mit Glas oder Silber, wie sie das Dorotheum in Wien und Koller in Zürich zelebrieren, geht auf die klassische Tafelkultur zurück.
In mehr als einer Auktion ging es trotz zahlreicher Telefonbieter recht ruhig zu – ein Grund war nicht zu erkennen. Trotzdem ereigneten sich auch sportliche Bietergefechte, die manchmal zu neidvollem, aber ehrlichem Applaus führten. So konnte ein Haubentaucher, den Kaendler 1734 in Meissen für das Japanische Palais von August dem Starken modellierte, am 15. September 2014 in einer bemalten Fassung bei Koller in Zürich stolze 120.000 Franken erzielen. Des Königs legendäre „maladie de porcelain“ ist also glücklicherweise bis heute ein Anreiz, selbst eine Sammlung aufzubauen.
Erfreuliche Überraschungen für Auktionshäuser sind Einlieferungen kompletter Sammlungen, etwa der 116 Lose starken, beeindruckenden „Hasse Collection“ bei Bonhams in London. Toplos mit 24.000 Pfund war ein Chinese mit Kind, um 1750 in Meissen nach einem Modell von Reinicke entstanden, gefolgt von den 22.000 Pfund für eine Augustus-Rex-Flaschenvase mit einem Vogel im Blumenkranz. Und für 16.000 Pfund gab es ein Paar großer Katzen von Kaendler. Das war aber noch nicht der letzte Preis für dieses Modell: Am 12. September erzielte bei Schloss Ahlden ein farblich anderes Paar 28.000 Euro.
Weshalb deutsche Sammlungen gerne in London versteigert werden, ist ein offenes Geheimnis: Man sucht Kunden aus der ganzen Welt. Besonders sinnvoll ist das bei legendären Porzellanen, deren Geschichte bestens durch Literatur und Ausstellungen dokumentiert ist. Wie beim Schwanenservice des Grafen Brühl, aus dem eine 35,2 Zentimeter lange, ovale Henkelplatte am 26. November 2014 bei Bonhams in London am Telefon 58.000 Pfund erreichte. Bei Metz in Heidelberg brachte ein Gläserkühler am 9. Mai 44000 Euro. Von noch exklusiverer Provenienz war eine Teedose mit grünen Watteau-Szenen und Wappen, um 1745 in Meissen entstanden, die als Teil des Toilettenservices von Königin Maria Amalia von Neapel und Sizilien identifiziert und am 23. März bei Koller in Zürich von 40.000 auf 68.000 Franken gehoben werden konnte.
Wohl wenige Jahre vor diesem Stück ist in Meissen ein umfangreiches Speiseservice entstanden, das seinen heutigen Namen dem legendären letzten Besitzer Christie Miller verdankt, der am 7. Juli 1970 bei Sotheby’s London 61 Teile versteigern ließ. Am 15. Mai brachte ein achteckiger Teller aus dem Service, mit rastenden Soldaten und Landschaftsmotiven auf der Fahne, bei Lempertz in Köln angemessene 20.000 Euro. Als gleichermaßen legendär gilt eine Provenienz aus der Sammlung Klemperer. So der Fall bei einer umlaufend mit Chinesen in einer Landschaft bemalten Teekanne, die – nach der Restitution aus The Cummer Museum of Art, Jacksonville – am 26. November 2014 bei Bonhams in London stolze 105.000 Pfund (Taxe 30.000 Pfund) brachte.
Von gleich hoher Qualität war die Sammlung von Emma Budge aus Hamburg, aus der in derselben Auktion Kaendlers um 1740 geschaffener, grotesker Harlekin mit Affe von 30.000 auf 65.000 Pfund stieg. Und am 17. Juni versteigerte das Haus aus der Sammlung Budge die vom Cecil B. Higgins Museum in Bedford restituierten Nymphenburger Büsten der vier Jahreszeiten von Franz Anton Bustelli, die den Weg zurück nach Deutschland fanden. Zu überraschenden Erkenntnissen führte die Einlieferung der Familie Kaumheimer aus den USA bei Bonhams, da sich durch Abgleich der eingebrachten Teile mit alten Aufnahmen aus der Stuttgarter Wohnung herausstellte, dass sich nicht nur in Italien beschlagnahmte Porzellane erhalten hatten, sondern auch einige Geschirre aus Nymphenburg, Ludwigsburg und Ansbach (s. KUA 20 / 2014, S. 4).
Zum Glück haben sich manche Sammlungen im Verborgenen erhalten, wie der zweibändige Katalog der Villa Grisebach zum Besitz des ehemaligen Berliner Kunsthändlers Rohde-Hinze zeigt. Am 4. Juli verführte eine schlichte Vase aus Böttgersteinzeug, 1710 / 15 entstanden, zu einem Gebot von 21.000 Euro; eine bislang unbekannte Komödiantenfigur der Zeit um 1725 aus weißem Böttgerporzellan erzielte 10.500 Euro; zwei Teller aus dem Krönungsservice für August III. von Polen erzielten 23.000 beziehungsweise 22.000 Euro.
Frankenthaler Porzellan wird derzeit nicht gebührend gewürdigt. Gerade seit das dreibändige Werk von Barbara Beaucamp über die Bestände des Reiss-Engelhorn-Museums in Mannheim mit beeindruckender Präzision einen Großteil des Œuvres aufgearbeitet hat, könnten Sammler lernen, welche Geschichten hinter den Figuren und Geschirren stehen – und sich deshalb stärker für die veritablen Werke des Pfälzer Rokoko engagieren. Eine theatralische „Allegorie auf den Sieg der deutschen Oper Alceste“, 1783 von Konrad Lück entworfen, verdoppelte sich am 29. November 2014 bei Metz in Heidelberg auf 10.600 Euro. Eine bedeutende, um 1758 in Frankenthal mit einer Komödiantenszene von Andreas Philipp Oettner bemalte Vase, die mit großer Sicherheit zu einem Vasensatz in der Münchner Residenz gehört, wurde am 26. November 2014 bei Bonhams in London für 12.000 Pfund zugeschlagen – bedauerlich, dass sie nicht den Weg ins bayrische Museum gefunden hat.
Gerade qualifizierte Häuser bestellen Fachtexte zunehmend bei freiberuflichen Spezialisten. Von Claudia Lehnert-Jobst aus Wien interpretiert, erzielten drei goldmontierte Teedosen aus Du-Paquier-Porzellan in einer japanischen Lackkassette am 17. Juni bei Bonhams in London herausragende 120.000 Pfund. Ähnlich erging es am 9. September der nun wirklich „einzigartigen“ Erstausformung des Nymphenburger Pierrot von Franz Anton Bustelli bei Sotheby’s London, dem – hoffentlich – mein eigener Text über die Geschichte der Manufaktur und des Künstlers half, 75.000 Pfund zu erzielen. Der Titel der Auktion – „A Tale of Two Cities: Venice and Dresden Two Private Collections“ – war hier literarisch verbrämt, was reine Porzellansammler nicht unbedingt animiert. Dabei enthielt gerade der erste Teil exzellente Meissener Walzenkrüge, die auch zwischen 20.000 und 40.000 Pfund erzielten.
Was das Angebot angeht, ist das 18. dem 19. Jahrhundert überlegen. Aber es ist schon beeindruckend, wenn ein vergoldeter Palmen-Tisch von Karl Friedrich Schinkel mit einer 1818 von Carl Friedrich Peter Krüger bemalten Blumenplatte der KPM am 8. Juli bei Sotheby’s London den taxierten 300.000 Pfund gerecht wird. Das Wiener Dorotheum scheint sich auf die Kaiserliche Porzellanmanufaktur St. Petersburg spezialisiert zu haben. Am 22. Oktober 2014 erzielte ein 1840 datierter Teller mit Militärszene 28.000 Euro, gefolgt von einem 1843 datierten Teller gleichen Sujets, der am 22. April 22.000 Euro brachte. Figürliche Szenen und Motive wurden zur Königsdisziplin der Porzellanmalerei des 19. Jahrhunderts. Bereits 1803 / 10 war eine Wiener Kassette entstanden, deren 19 kleine Plättchen in exzellenter Qualität das Sortiment der Sujets wie ein Katalog vorführte, wofür am 22. Oktober 2014 im Dorotheum angemessene 20.000 Euro bewilligt wurden.
Meissen aus dem 19. Jahrhundert drängt zunehmend in höhere Preisregionen, sowohl bei Erzeugnissen der „Reprowerkstatt“ (wie eine bekannte Münchner Gutachterin die Wiederholungen von Kaendlergruppen nach 1820 nennt) als auch bei den um 1880 in pâte-sur-pâte Malerei auf kobaltblauem Fond entworfenen Vasen (Neumeister, München, 3. Dezember 2014, Lose 3 u. 4, Zuschläge 3500 u. 3700 Euro). Der Meissener Tafelaufsatz „Die Jagd und der Fischfang“ forderte auf der Weltausstellung in Chicago 1893 erfolgreich die internationale Konkurrenz heraus – am 22. April vermochte das schiffsförmige Zierteil mit Ceres als Gallionsfigur, bedeutendes Beispiel des einst international geltenden Historismus, im Wiener Dorotheum 17 000 Euro zu erzielen.