Vor allem mit seinen Landschaftsaufnahmen aus der Umgebung Münchens und des Voralpenlands definierte Eduard Schleich der Ältere (Vilsbiburg 1812 – 1874 München) nachhaltig den Münchner Stimmungslandschaft. Seine Performance auf dem heutigen Markt reflektiert seine einstige Bedeutung kaum noch. Sollte man jetzt investieren?
Von
09.10.2016
In seinen Anfängen orientiert an klassizistisch geprägten Zeitgenossen wie Carl Rottmann, fand Eduard Schleich der Ältere unter dem Einfluss des flämischen und niederländischen Barock schließlich zu einer realistischen Naturschau. Nach der Berührung mit den Malern von Barbizon zählte er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den stilbildenden Vermittlern der Paysage intime in Deutschland. Seiner Landschaftsauffassung entsprechend blieben erzählende Figuren- oder Tierstaffagen für ihn von untergeordneter Bedeutung; wenn er als Konzession an den Publikumsgeschmack dennoch nicht ganz auf sie verzichtete, überließ er die Ausführung nach Möglichkeit spezialisierten Kollegen wie Friedrich Voltz, Carl Spitzweg oder Alois Bach. Schleichs herausragende Bedeutung für die Entwicklung der Landschaftsmalerei in München ist nach wie vor unstrittig, doch blieb auch die Rezeption seines Œuvres von der schwindenden Wertschätzung der Malerei des 19. Jahrhunderts nicht ausgenommen. Es ist in diesem Zusammenhang auch bezeichnend, dass seit Siegfried Wichmanns 1951 erschienener Dissertation keine umfassende Monografie zu seinem Werk vorgelegt wurde. Immerhin würdigten die Gemäldegalerie Dachau und das Heimatmuseum seines Geburtsorts Vilsbiburg mit Ausstellungen den 200. Geburtstag des Malers vor drei Jahren. Der uneheliche Sohn eines hohen bayrischen Staatsbeamten besuchte nach dem Tod des Vaters das katholische Seminar in Amberg, bevor er 1827 an die Königliche Kunstakademie in München aufgenommen wurde. Der Besuch der Historienklasse war indessen offenbar nicht vom erhofften Erfolg begleitet, denn schon nach kurzer Zeit wurde dem unmotivierten Studenten aufgrund „völliger Tatenlosigkeit“ der Abgang von der Akademie nahegelegt – angeblich begleitet von der sarkastischen Empfehlung des Akademieleiters Peter von Cornelius, sich besser als Schuster zu versuchen. Der 15-Jährige pfiff auf den wohlmeinenden Rat und verlegte sich fortan auf Landschaftsdarstellungen – eine Disziplin, die während der Amtszeit des noch ganz der romantisch-idealistischen Kunstauffassung verpflichteten Nazareners Cornelius in den Lehrplänen der Akademie ohnehin nicht vorgesehen war. Der Anfänger war mithin auf autodidaktische Studien vor der Natur angewiesen, um sich das nötige Handwerkszeug zu erarbeiten. In diesen frühen Jahren orientierte er sich bei seinen Partien aus den Alpen und dem Voralpenland vornehmlich an Vorbildern wie Johann Jakob Dorner d.J., Christian Morgenstern, Carl Rottmann und dem zeitweilig ebenfalls in München tätigen Norweger Thomas Fearnley. Namentlich von Fearnley übernahm er die zu einheitlicher Oberflächenglätte zusammengefasste Organisation aller Kompositionsteile, während seine anfangs noch sehr leuchtende Palette von den „historischen“ Landschaften Rottmanns inspiriert war. Obwohl das früheste bekannte Gemälde, das gleichzeitig den Beginn seiner ersten markanten Schaffensphase markiert, erst 1832 datiert ist, ist bereits zwei Jahre zuvor eine erste Beteiligung an den Ausstellungen des Münchner Kunstvereins nachweisbar. Das folgende Jahrzehnt ist nur lückenhaft dokumentiert – erst für das Jahr 1841 erwähnen seine Biografen eine Wanderung durch das Inntal mit dem Tiermaler Friedrich Voltz. Auch danach unternahm er, häufig in Begleitung von Spitzweg und anderen befreundeten Malern, zahlreiche Exkursionen und Studienreisen, die ihn unter anderem nach Tirol, Oberitalien, Prag, Dresden und Leipzig führten.
Gegen Ende der Vierzigerjahre vollzog Schleich einen signifikanten Wechsel seiner Stilmittel. Vermutlich angeregt von der Farbtheorie des österreichischen Malers Carl Rahl, gewiss aber durch die niederländische Barockmalerei, fand er vor allem in den Landschaften Aert van der Neers und Jacob van Ruisdaels den Vorwurf für die realistischen Naturdarstellungen seiner Reifezeit, während Rubens’ Münchner „Regenbogenlandschaft“ als Vorbild für seinen Umgang mit Lichteffekten genannt wird. Der noch von Rottmann inspirierte, auf gliedernde Farbkontraste setzende Kompositionsstil wich nun einem einheitlichen Farbschema von warmer, goldener Tonigkeit. Gleichzeitig wurden die aufgeführten Farben in feinste Valeurs aufgebrochen, die die einzelnen Kompositionsteile durch weiche Übergänge verbanden. Dem neuen Streben nach Harmonisierung entsprechend verschwanden bald auch die rauhen, wildromantisch gefärbten Gebirgslandschaften aus seinem Repertoire. Stattdessen verlegte sich der Maler auf Überblickslandschaften mit meist tief gelegtem Horizont, die freilich auch andere Abmessungen erforderten. Während Schleich früher meist hochrechteckige oder annähernd quadratische Leinwände verwendet hatte, verlegte er sich mehr und mehr auf Bildträger aus Holz im für ihn so typischen quergelegten Handtuchformat, die der angestrebten Weite des Ausblicks Rechnung trugen. Der zunehmenden Beschränkung auf kleinere bis mittlere Formate lagen aber wohl eher kommerzielle Überlegungen zugrunde: Zum einen boten die guten Stuben seines bürgerlichen Käuferpublikums nur selten den erforderlichen Platz für große Bilder, zum anderen eigneten sich handliche Größen auch besser für den Verkauf an durchreisende Touristen, der gerade für freie, von den etablierten Netzwerken des offiziellen Kunstbetriebs ausgeschlossene Maler eine zunehmend wichtige Einnahmequelle war. Einen weiteren wichtigen Impuls für Schleichs künstlerische Entwicklung gab eine Paris-Reise, die er 1851 gemeinsam mit Carl Spitzweg, Carl Ebert, Christian Morgenstern und Dietrich Langko unternahm; zweifellos gehörten die Münchner zu den ersten deutschen Künstlern, die die Maler von Barbizon und ihren Entwurf der Paysage intime aus eigener Anschauung kennenlernten. Sowohl Schleich als auch Spitzweg nutzten diese Erfahrung für die eigene Entwicklung, wirkten fortan durch ihren Einfluss aber auch über München hinaus als Vorreiter einer naturalistischen, betont unliterarischen Landschaftskonzeption, die in der Abhandlung des unspektakulären, nach damaligem Empfinden „unmalerischen“ Sujets in krassem Widerspruch zu den an den Akademien formulierten Zielen stand. Vier Jahre später beschickte Schleich die Pariser Weltausstellung mit einem den neuen Tendenzen folgenden Landschaftsgemälde, zu dem Friedrich Voltz sein gleichbleibend andächtiges Weidevieh beigesteuert hatte. Der internationale Auftritt markierte einen Höhepunkt seiner Karriere, dem bald darauf die Ernennung zum Professor der Münchner Akademie, weitere Ehrungen und exponierte Funktionen im Münchner Kunstbetrieb folgten. In Anpassung an den Zeitgeschmack präsentierte sich der Maler seit etwa 1865 erneut mit veränderter Handschrift. Seine Aufmerksamkeit richtete sich nun verstärkt auf die pointierte Darstellung von Lichtphänomenen, sodass die detailgenaue Benennung des Gegenstands zurücktrat, um einer eher skizzenhaften Auffassung Platz zu machen; gleichzeitig hellte sich die Palette merklich auf. Er konnte sich auch mit diesen Arbeiten bestens auf dem Markt behaupten und musste folglich nicht erleben, von der eigenen Zeit überholt zu werden; als er 1874 an Cholera starb, war seine führende Stellung innerhalb der Münchner Landschaftsmalerei immer noch unangefochten.
Schleichs Performance auf dem heutigen Markt reflektiert seine einstige Bedeutung kaum noch, und die insgesamt mageren Resultate dämpften offenbar auch das Engagement der Anbieter, sodass der Umfang der Offerte mit rund 90 Losen seit 2006 um 15 Prozent zurückging. Korrespondierend sank der Anteil der Rückgänge geringfügig auf 30 Prozent. Da man sich im Ausland noch nie sonderlich für Schleichs regional gefärbte Landschaften interessierte, dürfen deutsche Häuser weiterhin fast die gesamte Offerte versorgen – selbst in der Schweiz und Österreich tauchen nur selten Arbeiten auf, obwohl dort die beiden höchsten Ergebnisse überhaupt realisiert wurden. Alles andere als ermunternd ist der Blick auf die Spottpreise, zu denen häufig auch überdurchschnittliche Qualitäten den Besitzer wechseln. Geradezu beispielhaft reflektieren sie das weiterhin laue Interesse an der Malerei des 19. Jahrhunderts allgemein und der Münchner Schule im Besonderen: Neun von zehn Losen mussten bereits gegen vierstellige Gebote abgegeben werden, während in der vorangegangenen Dekade immerhin noch knapp jeder vierte Zuschlag über 10.000 Euro erteilt wurde. Zwei Drittel schafften nicht einmal die Hürde von 5000 Euro, und geradezu alarmierend ist die Zunahme des unteren Preissegments bis 2000 Euro, das sich mittlerweile verdoppelt hat und nun bereits bei nahezu 40 Prozent liegt. Trotz dieser frustrierenden Bilanz gab es aber auch einige Lichtblicke, denn erstmals seit über 20 Jahren wurden seit 2009 wieder drei Werte über 20.000 Euro notiert. Ein weiteres positives Signal ist, dass drei der insgesamt nur fünf Werte im fünfstelligen Bereich erst seit 2013 notiert wurden; der Anschluss an das Niveau der goldenen Achtzigerjahre, als vereinzelt sogar Preise um 100.000 Euro bezahlt wurden, ist vorerst aber nicht in Sicht. Das vergangene Jahrzehnt begann lustlos genug: Innerhalb von knapp vier Jahren konnte kein einziges Gemälde für mehr als 10.000 Euro vermittelt werden; das wenig engagierte Höchstgebot von 4000 Euro, das Lempertz, Köln, im Mai 2006 für eine durchaus attraktive „Landschaft im Dachauer Moos“ akzeptierte, brachte die zurückhaltende Stimmung des Markts auf den Punkt. Vor diesem Hintergrund kam es fast einem Erdbeben gleich, als im Herbst 2009 bei Koller, Zürich eine überdurchschnittlich große „Isarlandschaft“, eines der typischen Handtuchformate, für 47.000 Franken – mehr als das Dreifache der Taxe – vermittelt werden konnte, eine Preislage, die seit 1992 nicht erreicht worden war. Ähnlich erfolgreich war zwei Jahre später Scheublein, München, wo im September 2011 mit dem „Blick ins Isartal“ ein weiteres Hauptwerk zum Aufruf kam. Auch in diesem Fall wurde die selbstbewusstere Taxe von 18.000 Euro mit einem Zuschlag von 27.000 Euro erheblich übertroffen. Trotz dieser Vorlage schien der Preisvorschlag von 35.000 Euro für eine seltene frühe „Waldlandschaft mit Rinderherde“, die im Oktober 2013 im Wiener Dorotheum versteigert wurde, recht beherzt, konnte sich am Ende aber sogar noch um 1000 Euro steigern. Auch heuer kam es wieder zu einem Ergebnis, das Hoffnung macht. Mit verschmitzt niedrig angesetzten 5000 Euro bezifferte Neumeister, München, den Wert einer „Isartallandschaft“, die im Rahmen der Sonderauktion „Sammlung Schäfer“ Ende Oktober versteigert wurde, konnte sich dabei jedoch wie erhofft auf die Zugkraft der erstklassigen Provenienz verlassen: Das Gemälde wurde erst für den vierfachen Betrag weitergereicht. Neben den vor allem gefragten Ansichten aus Oberbayern wurden gelegentlich auch seltenere Ansichten aus Italien oder von der Nordseeküste angeboten. In der Regel waren solche Außenseiter-Motive aber schwer zu vermitteln und spielten in den vorderen Preisrängen kaum mit. So blieb eine „Mondscheinnacht an der holländischen Küste“, die im Oktober 2012 bei Karl & Faber, München, mit 4000 Euro angesetzt war, bei ebendiesem Betrag stehen.
Die Bewertung mit einer tabellarischen Auswahl erzielter Auktionszuschläge der letzten zehn Jahre finden Sie in Kunst und Auktionen Nr 20 / 2015.