Kunstwissen

Zum Tod von Barbara Weiss

Sie brachte Künstler wie Monika Baer, Harun Farocki oder Thomas Bayrle auf die Documenta. Geta Brătescu, eine Pionierin der rumänischen Konzeptkunst, rettete sie vor der Vergessenheit. Am 31. Dezember ist die einflussreiche, verdiente Galeristin Barbara Weiss in Berlin gestorben

Von Tim Ackermann
05.01.2017

Es ist nicht leicht, in einer Kunstwelt voll wechselnder Moden und temporärer Geschmacksdiktate den eigenen Weg unbeirrt zu verfolgen. Wem dies sogar über mehr als zwei Jahrzehnte gelingt, dem gebührt größte Achtung. Die Galeristin Barbara Weiss war eine bemerkenswerte Persönlichkeit eben wegen ihrer Eigenständigkeit, wegen ihres speziellen, glasklaren Blicks auf die Kunst und wegen ihrer Fähigkeit, bei allem Erfolg kein großes Aufheben um die eigene Person zu machen. Am 31. Dezember ist Weiss nach einer langen Krankheit gestorben, mit 56 Jahren, viel zu früh. Der Berliner Kunstcommunity reagierte entsprechend geschockt, als die Nachricht am Mittwoch bekannt gegeben wurde.

„Als Galerist hat man weniger Einfluss, als sich die Menschen das vorstellen“, sagte Weiss 2012 in einem Interview zum 20-jährigen Bestehen ihrer Galerie. Doch Uneingeweihte liefen bei ihr eher Gefahr, die Wirkungsmacht ihrer ruhigen, konzentrierten Arbeit zu unterschätzen. Wie wichtig Weiss tatsächlich nicht nur für die Szene der Hauptstadt sondern für den ganzen internationalen Kunstbetrieb war, wird man in den kommenden Monaten und Jahren noch deutlich erkennen. Die Galeristin brachte nicht nur Schriftzug-Kunstwerke der türkischen Künstlerin Ayşe Erkmen an Kreuzberger Hausfassaden oder die klappernden Motorenskulpturen von Thomas Bayrle in die heiligen Kasseler Documenta-Hallen. Sie setzte sich beharrlich für alle ihre Künstler und vor allem auch für ihre Künstlerinnen – wie Monika Baer oder Amelie van Wulffen – ein. 2016 wurde die New Yorker Malerin Nicole Eisenman in den amerikanischen und deutschen Feuilletons wie eine Offenbarung gefeiert. Weiss präsentierte ihre Werke schon 2005 in Berlin.

Beachtung bei Sammlern und Ausstellungsmachern

Eine ihrer letzten Neuentdeckungen war Geta Brătescu. Dass die lang vergessene Pionierin der rumänischen Konzeptkunst im vergangenen Jahr zu ihrem 90. Geburtstag eine Retrospektive in der Hamburger Kunsthalle bekam, hatte auch mit ihrem beharrlichen Engagement zu tun. Wen Barbara Weiss in ihrer Galerie zeigte, der fand Beachtung bei Sammlern und Ausstellungsmachern. Mit ihrem Ehemann, dem Kurator Kasper König, bildete sie ein Power-Paar im deutschen Kunstbetrieb.

Ob Andreas Siekmanns Kapitalismuskritik-Piktogramme, Boris Mikhailovs postsowjetische Fotografien oder die blitzgescheiten Videoanalysen des 2014 verstorbenen Filmemachers Harun Farocki – die Galeristin stellte bevorzugt Kunstwerke aus, die auf die Gesellschaft blickten, die nicht unabhängig von unserer Erfahrungswelt existieren konnten und wollten. Der hohe intellektuelle Anspruch hatte wohl auch mit Weiss’ Biografie zu tun. Die gebürtige Fränkin kam in den Achtzigerjahren zum Philosophie- und Kunstgeschichtsstudium nach Berlin, wurde in Kreuzberg im Umfeld von Künstlern wie Martin Kippenberger und Hans Haacke und der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) sozialisiert und kooperierte bald mit Michael J. Wewerka in der Galerie Wewerka & Weiss.

„Kunst muss Widerstand haben“ war ihr Motto

Ihre ersten eigenen Räume eröffnete sie 1992 auf der Potsdamer Straße mit expliziten Bildern des amerikanischen Fotografen Larry Clark – und spaltete damit gleich das Publikum, wie sie sich erinnerte: Die einen waren be-, die anderen entgeistert. Weiss allerdings hatte ihre Haltung gefunden. „Die Kunst muss einen Widerstand haben,“ erklärte sie 2012 im Interview.

Sie hat diesen Leitsatz immer befolgt. Und das Widerständige zeigte sich beispielsweise, als die Künstlerin Maria Eichhorn 2011 alle Fenster der Galerie Barbara Weiss in der Zimmerstraße in Mitte mit Brettern vernagelte. Es war der imposante Schlussakkord, bevor es die Galeristin nach zehn Jahren in der Nähe des trubeligen Checkpoint Charlie wieder zurück nach Kreuzberg zog, in die Kohlfurther Straße, unweit des Landwehrkanals. Eichhorns radikale Geste schien sehr gut zur Persönlichkeit von Weiss zu passen, die ihre Unabhängigkeit bewusst schützte und sich von berlintypischer Szeneklüngelei fern hielt. Wer sie etwas näher kennenlernte, schätzte sie für ihre offenen Worte über die Absurditäten des Kunstmarkts und für ihren feinen, sehr trockenen Humor. Dass Barbara Weiss von Beginn ihrer Galeriearbeit an auch die verrückten Schleuder-und-Explosions-Aktionen des Schweizer Künstlers Roman Signer ausstellte, durfte man durchaus programmatisch verstehen: Wer ihre Galerie aufsuchte, konnte eben nie ganz sicher sein, in welche Richtung die Kunst als nächstes beflügelt werden würde.

 

(Foto: Dawin Meckel/OSTKREUZ)

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