Neo Rauch gilt als einer der erfolgreichsten Maler seiner Generation. Nun startet am 2. März in den deutschen Kinos ein Film über den berühmtesten Künstler Leipzigs. Regisseurin Nicola Graef zeigt ihn aus nächster Nähe, begeht aber dennoch in ihrem Dokumentarfilm einen entscheidenden Fehler.
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28.02.2017
Eine der schönsten Szenen in Nicola Graefs Dokumentarfilm „Neo Rauch – Gefährten und Begleiter“ ereignet sich gleich am Anfang: Zunächst hört man es eine ganze Weile im Nachbarraum rumpeln, während der Zuschauer lediglich auf ein leeres Podest im verwaisten Atelier blickt. Dann kommt eine riesige weiße Leinwand zur Tür hereinspaziert, man kann mit nur mit Mühe darunter die Schuhe des Malers ausmachen. Alsdann wird ein bisschen gewuchtet, ein bisschen geschnauft und als die Leinwand wegzurutschen droht, auch ein wenig unterdrückt geflucht. „Wo sind bloß die Assistenten, die dreißig…?“, klagt schließlich die bekannte sanfte Malerstimme, noch immer hinter der Leinwand verborgen.
Auch das hat man im Laufe der Jahre erfahren dürfen: Der Leipziger Maler Neo Rauch – weltweit gefeiert vor allem als ernsthafter Verteidiger seines Fachs – besitzt privat einen feinen Sinn für Humor, der sich gelegentlich in leiser Selbstironie äußert. Denn natürlich hat Rauch keine Assistenten. Schon gar keine 30. Er hat immer allein gemalt, ein einsamer Schwerarbeiter im Atelier. Und wenn dann eben mal die Leinwand ins Rutschen kommt, geht der Witz auch allein auf sein Konto. „Slapstick“, urteilt der Maler unglücklich, für die Kamera mittlerweile auf dem Podest voll sichtbar: „Ich mache mich hier zum Ei!“
Diese grundsympathische Einstiegsszene, der im Filmverlauf noch einige weitere sympathische folgen werden, bündelt eigentlich schon Graefs doppelbödiges Interesse – die Malerei genauso zu zeigen, wie den Menschen dahinter. Die Umsetzung gelingt auch, weil die Regisseurin und ihr Team dem scheuen Künstlerstar drei Jahre lang beim Arbeiten über die Schulter schauen durfte. So wird auch der Zuschauer gewissermaßen zum Zeuge. Er sieht, wie Neo Rauch die Leinwand grundiert, wie sich unter dem Strich des feinen Pinsels aus ungegenständlichen, schemenhaften Farbflecken Gesichter formen, wie aus all dem ein Bild entsteht. In den Pausen spricht der Maler relativ offen über seine Gefühle beim Arbeiten: über den „Wiederholungsekel“, den routinehafte Formeln bei ihm auslösen und über das Glück, ein „Schöpfer“ zu sein, der immer wieder neue Figuren und Charaktere hervorbringen darf.
Auch wer schon intensiv über Neo Rauchs Bildwelten diskutiert hat, wird in Graefs Film noch neuen Gesprächsstoff finden: Einige interessante Szenen offenbaren etwa, wie wichtig der Rat der wundervollen Rosa Loy, Malerin und Ehefrau des Künstlers, für die Entstehung seiner Werke ist. Und die Frage, weshalb Rauch vor der Leinwand seinen feinen Pinsel mit den größten Arbeitshandschuhen festhält, konnten auch einige bei der Berliner Filmpremiere anwesende Malerkollegen nicht beantworten. Sie bleibt ein ungelöstes Rätsel.
Wenn man nun „Neo Rauch – Gefährten und Begleiter“ doch etwas vorhalten muss, dann ist es die Art, wie die Regisseurin die Frage nach der Rezeption von Rauchs Bildern behandelt. Seine Malerei wird im Film allein aus der Sicht des Markts bewertet. Und der New Yorker Galerist David Zwirner agiert dabei leider ziemlich exemplarisch, wenn er aus reiner Einfallslosigkeit heraus Rauch als „deutschen Maler“ und damit für Amerikaner auch als „exotisch“ beschreibt. (Der wie immer sehr lustige Leipziger Galerist Judy Lybke darf zum Film nur eine Kennenlern-Anekdote aus den Achtzigerjahren beisteuern.) Die Rauch-Sammler, die Graef in New York, Seoul oder Vincenza aufgesucht hat, bemühen sich in ihren Wohnzimmern zwar tapfer, mit Verweisen auf die „Zeitlosigkeit“ der Bilder oder Vergleichen mit Shakespeare-Texten einen Bogen in die Vergangenheit zu schlagen, aber auch sie scheinen von der an sie herangetragenen Deutungsaufgabe hoffnungslos überfordert. Es wäre besser gewesen, hätte Graef in ihrem Film wenigsten einen Kunsthistoriker zwecks Einordnung zu Wort kommen lassen – zumal sich namhafte Kritiker wie Eduard Beaucamp und Werner Spies bereits eingehend zu Rauchs Werk geäußert haben. So bleibt der Diskurs über seine Kunst im Film merkwürdig flach. Und man hätte es dem Leipziger schon sehr gegönnt, im Rahmen seines Kinodurchbruchs auch kunsthistorisch noch einmal groß beleuchtet zu werden.
„Neo Rauch – Gefährten und Begleiter“: ab 2. März im Kino
Neo Rauch – Gefährten und Begleiter: Neo Rauch, (Foto: Uwe Walter)
„Neo Rauch – Gefährten und Begleiter“: ab 2. März im Kino