Die Schönheit der Blumen- und Insektenbilder von Maria Sibylla Merian verblüfft bis heute. Die Künstlerin leistete auch als Insektenforscherin Pionierarbeit. 300 Jahre nach ihrem Tod erinnern wir an die furchtlose Weltreisende, am 11. Oktober hat das Städel Museum in ihrer Geburtsstadt Frankfurt am Main die Ausstellung zur „Tradition des Blumenbildes“ eröffnet
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03.04.2017
Schon in ihrer Jugend hegte Maria Sibylla Merian (1647–1717) eine Passion für Schmetterlinge, aus ihrem Buch „Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung“ stammt das Porträt von Jacob Houbraken. 1699 ging sie auf Forschungsreise nach Surinam, aus dem 1705 veröffentlichten Buch „Metamorphosis insectorum Surinamensium“ stammen die folgenden Abbildungen.
Das Bezauberndste und das Abstoßendste vereint Merian auf dem Blatt, mit dem sie ihr Hauptwerk beginnt. Die Ananas galt ihr als die „wichtigste aller essbaren Früchte“, die Kakerlaken waren „die berüchtigsten aller Insekten in Amerika“. Zu sehen sind Deutsche und Australische Schaben, deren unterschiedliche Formen der Eiablage sie genau beschrieb. Dass sie den Spinnenkokon im Vordergrund mit einem Schaben-Eipaket verwechselte, wie die Biologin Katharina Schmidt-Loske vom Bonner Forschungsmuseum Koenig schreibt, mindert ihre Forscherleistung nicht.
Zu Merians wichtigen Entdeckungen gehört die Große Wabenkröte, lateinisch Pipa pipa, die sie als erste Europäerin beschrieben hat. Sie erkannte die Besonderheit dieser Froschart: Die Weibchen tragen die Eier auf dem Rücken, überzogen von einer Hautschicht, durch die dann voll entwickelte Jungtiere schlüpfen. Nach ihrem Surinam-Buch hatte Merian vorgehabt, einen Band über Reptilien zu publizieren, doch sie konnte dieses Vorhaben nicht mehr realisieren.
Das Thema der Metamorphose faszinierte sie lange vor der Surinamreise. Zu Merians Zeit war in Gelehrtenkreisen noch die aristotelische Theorie der spontanen Urzeugung von Insekten aus Schlamm verbreitet. Merian hingegen zeigte den Werdensprozess vom Ei über Larve und Puppe bis zum Falter, wie hier am Beispiel der riesigen Thysania agrippina, „Weiße Hexe“ genannt – auch wenn die gezeigte Raupe zu einer anderen Mottenart gehört.
Merians Anfänge lagen in der Blumenmalerei, überaus fein zeichnete sie die zartrosa Blüten des Orleanstrauches. Die Samen der Früchte, „länglich rund und stachlig wie eine Kastanie“, dienten den Einheimischen als Färbemittel, wie Merian im Begleittext festhält. Sie griff oft auf das Wissen der Surinamer zurück und zeigte sich ihrer Not gegenüber aufgeschlossen. Zu einer anderen Pflanze schrieb sie, die Frauen würden die Samen als Abtreibungsmittel benutzen, „damit ihre Kinder keine Sklaven werden, wie sie es sind“
Ihr Prinzip war es, die Insekten zusammen mit ihren Wirtspflanzen darzustellen, denn sie verstand, dass die Schmetterlinge bestimmte Gewächse als Nahrung und Lebensraum bevorzugten. Dem Ökosystem des Bananenfalters, das sie naturgetreu wiedergab, fügte sie eine kleine blaue Echse hinzu, „um das Blatt zu schmücken“.
Für die Biologin und Merian-Expertin Kay Etheridge ist dieses Blatt die „unverwechselbarste Komposition des Surinam-Bandes“. Hier geht es ums Fressen und Gefressenwerden, Ameisen greifen eine Schabe an, eine Spinne kämpft um ihre Jungen. Das Blatt enthält wissenschaftliche Entdeckungen wie die Blattschneiderameisen und Übertreibungen wie die vogelverzehrenden Spinnen, die aber dadurch ihren bis heute gültigen Namen „Vogelspinne“ erhielten
„Werdeprozess vom Ei über Larve und Puppe bis hin zum Falter am Beispiel der Mottenart Thysania agrippina“, Metamorphosis insectorum Surinamensium, 1705, (Foto: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt)
Ausstellungen
„Maria Sibylla Merian“, Museum Wiesbaden, bis 6. August
„Maria Sibylla Merian und die Tradition des Blumenbildes“, Kupferstichkabinett, Berlin, 7. April bis 2. Juli (ab 11. Oktober im Städel Museum, Frankfurt)
„Maria Merian’s Butterflies“, The Queen’s Gallery, Edinburgh, 17. März bis 23. Juli
Bücher
Prachtvolles Faksimile, mit Übersetzung der Begleittexte: „Maria Sibylla Merian, Metamorphosis insectorum Surinamensium – Die Verwandlung der surinamischen Insekten 1705″, hrsg. von Marieke van Delft und Hans Mulder, lim. Auflage, WBG, 2016, 150 Euro
Kate Heard „Maria Sibylla Merians Schmetterlinge“, Gerstenberg, 2017, 28 Euro
Barbara Beuys, „Maria Sibylla Merian. Künstlerin, Forscherin, Geschäftsfrau. Eine Biografie“, Insel, 2016, 19 Euro
Kunsthandel
Kunstkabinett Strehler in Sindelfingen bietet viele Merian-Kupferstiche, etwa den seltenen Titelkranz des Raupenbuchs
Maria Sibylla Merian Society
7. / 8. Juni
Royal Tropical Institute
Artis Library / Artis Zoo
Amsterdam
Mit Beiträgen von Katharina Schmidt-Loske, Kay Etheridge, Erik A. de Jong, George McGavin, Redmond OHanlon und anderen