Louis Sachse prägte den Berliner Kunsthandel im 19. Jahrhundert wie kein Zweiter. Nun widmet sich ein Buch der Erfolgsgeschichte des Galeristen, Händlers und Verlegers
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24.10.2017
Endlich wird Louis Sachse, der im 19. Jahrhundert die Grundfesten für die Entwicklung des Berliner Kunstmarktes setzte, seinem Verdienst entsprechend gewürdigt. Anna Ahrens verfasste eine erste Untersuchung zum Beginn des Berliner Kunsthandels. In engagierter Recherche-Arbeit trug sie eine Vielzahl von Daten, Fakten, Bildern, Reisetagebüchern und Dokumenten zusammen, die ihrem Bericht vom Aufstieg Berlins zur Kunsthandelsmetropole besonderen Reiz geben. Louis Sachse ist der Protagonist des Aufstiegs. Anna Ahrens gab ihm den Titel „Der Pionier“. Der Böhlau Verlag übernahm die Drucklegung. Damit ist für alle Interessierten ein grundlegender Bericht zur Frühzeit des Berliner Kunsthandels auf dem Markt, der auch über die Qualitäten eines wissenschaftlich fundierten Quellen- und Nachschlagwerkes verfügt.
Der agile, mobile und unermüdlich aktive Sohn eines Berliner Perückenmachers war zunächst als Sekretär Wilhelm von Humboldts tätig, verfolgte aber noch höher gesteckte Ziele. Mit wachem Sinn für die Chancen der Zeit erkannte Sachse die Aktionsmöglichkeiten, die der rasante drucktechnische Fortschritt ihm bot. Nach dreijähriger Festungshaft wegen des Vorwurfs demagogischer Umtriebe begann er 1825 eine Ausbildung am Königlichen Lithographischen Institut in Berlin. Da Sachse wegen seiner hugenottischen Wurzeln die deutsche und die französische Sprache beherrschte, war er prädestiniert für Unternehmen, die den lokalen Bereich überschritten. Er studierte in der Pariser Filiale des Steindruck-Erfinders Aloys Senefelder; im Anschluss ging er noch in Senefelders persönliche Lehre nach München.
Danach wurde Louis Sachse als Unternehmer, Händler, Galerist, und Auftraggeber im Dienste der Kunst aktiv. Er erkannte als einer der Ersten die Qualitäten der Lithographie, die er als eigenständige Kunstform bewertete. 1828 eröffnete er eine eigene lithographische Werkstatt, das Lithographische Institut Louis Sachse & Co. Sachse, und war unermüdlich auf Reisen, vor allem in die Kunstmetropole Paris. Er knüpfte Kontakte, suchte Anregungen und Informationen zur aktuellen Kunstentwicklung und zum Handel mit zeitgenössischer Kunst.
Berliner Künstler – Karl Blechen, Adolph Menzel, Franz Krüger – begleiteten Sachse bei diesen Reisen; sie nutzten die Gelegenheit zu Bekanntschaften mit französischen Künstlern. 1834 eröffnete Sachse in der Mitte Berlins eine „Permanente Gemäldeausstellung“, in der er Werke zeitgenössischer Künstler zum Kauf anbot. 1839 führte er mit der Erfindung von Louis Daguerre die Fotografie in Berlin ein.
Louis Sachses Initiativen und Innovationen erweisen ihn als idealen Repräsentanten des gewandelten bürgerlichen Selbstverständnisses in Preußen. In seinen Paradebildern machte der Maler Franz Krüger bewusst, dass die Zeit der Untertanen vorbeiging: Berlins Bürgerschaft zeigt sich – „Vom König bis zum Schusterjungen“ – als eine in Selbstbestimmung und Gleichberechtigung verbundene Gemeinschaft. Zu den Dargestellten auf dem im Auftrag König Friedrich Wilhelms III. gemalten Bild einer „Preußischen Parade“ (1839) zählt auch „Kunsthändler Sachse“.
Heute blüht und gedeiht der Handel mit Kunst in Berliner Auktionshäusern, Galerien und Antiquariaten – Louis Sachse hat dem den Weg bereitet. Er war: der Pionier.
Anna Ahrens „Der Pionier. Wie Louis Sachse in Berlin den Kunstmarkt erfand“
Böhlau Köln, 2017