Böttgersteinzeug wurde nur wenige Jahrzehnte produziert. Die seltene braunrote Keramik ist deshalb unter Sammlern heiß begehrt.
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09.01.2019
Die Blütezeit des deutschen Steinzeugs währte etwa von 1400 bis 1700. Bei den Erzeugnissen aus dem Rheinland, Thüringen oder Sachsen hat man volkstümliche Gefäße vor Augen wie die bunt bemalten Creußener Apostelkrüge oder die weiß glasierten Siegburger Schnellen. Bei Böttger und frühem Meissen denkt man unverzüglich an perlweiß schimmerndes Porzellan. Denn August der Starke, seit 1694 Kurfürst von Sachsen und seit 1697 auch König von Polen, war der „maladie de porcelaine“ verfallen. 1704 fand die persönliche Begegnung Augusts mit dem Apotheker Johann Friedrich Böttger statt, der wegen seiner erfolglosen alchimistischen Versuche auf der Flucht war. August der Starke holte ihn an seinen Hof, wo er ihn der Aufsicht des hochgebildeten, weit gereisten Naturforschers und Leiters der kurfürstlichen Laboratorien, Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, unterstellte. Tschirnhaus brachte Böttger von der „Goldmacherei“ ab. Ihren jahrelangen keramischen Versuchen verdanken wir „rothes Porcelain“, auch Jaspisporzellan genannt, ein Feinsteinzeug, das zu den frühen Leistungen der Meissener Manufaktur zählt und später als Böttgersteinzeug in die Keramikgeschichte eingehen sollte.
Mit dem Gelingen des weißen Hartporzellans 1708 begann dessen Siegeszug und seine Verbreitung in ganz Europa. Das höfische Böttgersteinzeug war in der gemeinsamen Anfangsphase ebenso beliebt, denn Böttger lag die künstlerische Gestaltung beider Keramikmaterialen gleichermaßen am Herzen. Es wurde nur wenige Jahrzehnte produziert und ist deshalb bei Sammlern wegen der Seltenheit über die Maßen begehrt. Für das Steinzeug verarbeitete man Rohstoffe aus der Umgebung Dresdens, im Verhältnis ein Drittel Ton, der vor Pirna ergraben wurde, und zwei Drittel roter Bolus, auch Nürnberger Erde genannt. Als Zusatz diente natürliches Eisenoxid, das den Rotton deutlich verstärkt. Bei hohen Temperaturen gebrannt, ergab sich ein dichtes, von hell- bis dunkelbraunrot variierendes Steinzeug. Als vorbildhaft galten Steinzeug aus Yixing, das bereits im 17. Jahrhundert mit Teetransporten nach Europa kam, sowie chinesisches Porzellan.
Das Bildnis Kurfürst Johann Georgs IV., des Bruders von August dem Starken, der nur von 1691 bis 1694 regierte, wurde vor 1711 nach einem Elfenbeinrelief Balthasar Permosers kopiert. Permoser kam 1689 aus Florenz als Hofbildhauer nach Dresden. Sein Monogramm hat sich auf dem Steinzeug-Brustbild mit prächtiger Allongeperücke erhalten. Es gibt auch einige sehr freie Wiederholungen des Dresdener Hofbildhauers Paul Heermann nach römischen Plastiken von Bernini, darunter einen Apollokopf. Eines der frühesten eigenständigen plastischen Werke um 1714 stellt König August II. als römischen Imperator (im „Römischen Habit“) in Porzellan und Steinzeug dar.
Die Kleinplastik gehörte zu einem Schachspiel und war Teil einer königlichen Bestellung. Der Entwurf könnte von dem Permoser-Schüler Johann Joachim Kretzschmar stammen. Bei den Geschirren ahmte man chinesische Blattschalen aus Dehua in Steinzeug nach oder Teekännchen, deren Korpus an einem Bambusstamm erinnert. Häufig wurde die Wandung poliert und mit matt belassenen Reliefs aus Prunus-Blütenzweigen belegt. Auf japanische Vorbilder wiederum gehen Sakeflaschen zurück, die schon um 1710 in Böttgersteinzeug gebrannt wurden.
Für die künstlerische Gestaltung war Johann Jacob Irminger, seit 1687 Hofjuwelier in Dresden, entscheidend verantwortlich. Viele Modelle, die etwa zwischen 1710 – dem Gründungsjahr der Meissener Porzellanmanufaktur – und 1725 in Porzellan und in Böttgersteinzeug ausgeführt wurden, gehen auf ihn zurück. Als „Irminger-Belege“ gelten unter anderem lanzettförmige Blätter, die, in Model gedrückt, angarniert wurden. Ebenso beliebt waren vollplastische, freihändig geformte und aufgelegte Rosen- und Weinblattranken-Dekore. Die Erzeugnisse seiner Porzellanmanufaktur dienten auch als fürstliche Geschenke. So sandte August der Starke 1725 zwölf Kisten – darunter etliche Böttgersteinzeug-Gefäße – an den König von Sardinien.
Außerhalb der Museen kursieren vor allem Böttgersteinzeug-Walzenkrüge und -Humpen, die braun gebrannt oder glänzend poliert und/oder mit eingeschnittenen Dekoren, mit Prunusreliefs oder mit eingearbeiteten Silbermünzen verziert sein können. Oft verfügen sie zudem über Zinn- oder kostbare Silbermontierungen. Kaffee- und Teekännchen folgen meist den zeitgenössischen Silberformen von Irminger. Die beliebte schwarze Manganglasur zahlreicher Gefäße veredelte der Hoflackierer Martin Schnell mit Lackfarben. Dank der Ausguss-Tüllen in Fischmaulform verschmelzen sie zu einer glücklichen Synthese chinesischer und europäischer Elemente.
Im Mai 2017 konnte das Auktionshaus Metz bei seiner Auktion zum fünfzigjährigen Bestehen eine schwarz lackierte Böttgersteinzeug-Teekanne nach Irminger-Modell mit Golddekor von Martin Schnell für stolze 102 000 Euro zuschlagen. Als Anlaufstelle für internationale Sammler bietet die Kunsthandlung Röbbig in München erlesene Objekte aus Böttgersteinzeug.