Leonardo da Vinci, der am 2. Mai vor 500 Jahren starb, hat die Menschheit wie kein anderer Künstler bewegt. Er schuf nicht nur das berühmteste Bild aller Zeiten, sondern fasziniert bis heute als Forscher und Naturbeobachter. Zahlreiche Ausstellungen erinnern an ihn
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30.04.2019
Die Geschichte schafft die merkwürdigsten Parallelen. Und so will es der historische Zufall, dass wir in diesem Jahr zugleich die Jubiläen des Bauhaus und von Leonardo da Vinci feiern. Die einflussreichste Kunstschule der Moderne, vor 100 Jahren in Weimar gegründet, und der Renaissancekünstler, der am 2. Mai vor 500 Jahren in einem französischen Schloss starb – verbindet sie womöglich mehr, als es zunächst scheinen mag?
Beide sind Mythen, oft mehr verklärt als erhellt, und ein fundamentaler Aspekt jedenfalls ist ihnen gemeinsam, das Ideal von der Einheit der Künste. Während das Bauhaus die Gemeinschaft aller Kunstgattungen und des Handwerks, später auch die Zusammenarbeit mit der Industrie vorantrieb, propagierte Leonardo: „Der Maler muss nach Universalität streben“.
Das hieß bei ihm nicht nur, dass er mit wissenschaftlichem Ehrgeiz anatomische Studien betrieb, sondern dass er alle Gegebenheiten der Natur und der Welt beobachtete, dass er monumentale Bronzeskulpturen ebenso plante wie grandiose Architekturen, futuristische technische Geräte entwarf oder visionär ganze Flussumleitungen konzipierte, dass er die Phänomene der Optik mit der gleichen Intensität erforschte wie das Innenleben des Menschen. Zudem schrieb er auf Tausenden von Blättern Traktate, philosophierte über Gott und die Welt, formulierte Aphorismen, lehrreiche Rätsel und Prophezeiungen. Auch als Arrangeur fantasievoller Feste hat er einen Erfindungsreichtum bewiesen, der ihn heute zum Star in Hollywood oder in der Modebranche werden ließe.
Das alles macht aus Leonardo keinen vorzeitigen Bauhäusler, aber es zeigt, dass er auch in unserer digitalisierten Welt einen Nerv trifft, so, wie er das zu allen Zeiten getan hat. Jede Epoche schuf sich ihren eigenen Leonardo, nur kalt gelassen hat er die Menschen nie. Gewiss liegt das auch daran, dass wir über den Mann aus Vinci so viel wissen wie über kaum einen anderen historischen Künstler. Mehr als 6000 Blätter voller Texte und Zeichnungen sind erhalten, außerdem zahlreiche Archivquellen und Äußerungen von Zeitzeugen. Schließlich die gedruckten, im Original oft verlorenen Schriften zur Malerei, die sein Schüler Francesco Melzi postum zusammenstellte.
Leonardo bietet für jeden etwas, um sich ihm nahe oder von ihm verstanden zu fühlen. Seine Gemälde sind tiefgründige Seelenbilder, die jeden Betrachter berühren. Dabei ist auch Leonardo nicht vom Himmel gefallen. In seinen ersten Werken, etwa der um 1473/75 gemalten „Verkündigung an Maria“ in den Uffizien, sticht er im Kontext der Florentiner Frührenaissance nicht allzu sehr hervor. Mit dem fest konturierten Figurenstil hatte er sich an seinem Lehrer Andrea del Verocchio und den anderen Größen der Szene geschult, an Botticelli, Domenico Ghirlandaio, Filippino Lippi oder Antonio del Pollaiuolo. Man muss schon auf Details wie den hauchzarten Schleier auf Marias Lesepult achten, um seine herausragende Bedeutung zu erahnen. Vor allem offenbart sich die Meisterschaft in der Hintergrundlandschaft. Raffiniert verschmelzen Erde, Luft und Licht zu erst bläulichem, dann weißem Dunst, bevor sich die Szenerie in der Tiefe völlig auflöst.
Wenige Jahre später überraschte Leonardo dann fast über Nacht das verwöhnte Kunstpublikum mit psychologisch aufgeladenen Madonnen und Frauenporträts. Wahre Gefühlslandschaften tun sich hier auf, wobei sich hinter den zarten Gesichtszügen immer ein Rest von Unerreichbarkeit verbirgt. Eine Figur im Bild muss die „Leidenschaft der Seele“ ausdrücken, schreibt der Maler mehrmals, sonst ist sie misslungen.
Doch war Leonardo nicht nur der empfindsame Menschenversteher, er war vor allem der unerbittliche Empiriker, der nimmermüde Forscher, der sich in seinem Erkenntnisdrang selbst vom Tod nicht schrecken ließ und für seine anatomischen Studien insgesamt dreißig Leichen beiderlei Geschlechts und jeden Alters sezierte, wie er an seinem Lebensende beteuerte.
Nichts entging dem großen Beobachter. Das Auge, das alles sah, rühmte er als das vornehmste Organ; und stets trug er einen Notizblock am Gürtel, um alles festzuhalten. Die Welt war seine Schule, die Natur die einzige Instanz, die er akzeptierte. Was er nicht verstand, das wollte Leonardo ergründen.
So wurde er zum großen Entdecker: gerade in seiner Universalität bis heute ein Leitbild für viele Wissenschaftler. Zugleich war er Konstrukteur und Erfinder, zumindest auf dem Papier, denn nichts von seinen fantastischen Geräten wurde je realisiert – was moderne Technik-Freaks nicht davon abhielt, ihn als frühen Ingenieur, ja als Vorläufer des Computerzeitalters zu preisen. Kein Wunder, dass Microsoft-Gründer Bill Gates 1994 für damals sagenhafte 30,8 Millionen Dollar Leonardos „Codex Leicester“ (auch als „Codex Hammer“ bekannt) ersteigerte.
Leonardo war ein Zweifler und ewiger Experimentator, darum unterbrach er so oft die Arbeit an seinen Gemälden und ließ viele Werke unvollendet. Das begann schon in Florenz mit der „Anbetung der heiligen drei Könige“, dem ersten großen Auftragsbild, das ein fragmentarischer Torso blieb, als er 1482 die Stadt verließ.
Das berühmte „Abendmahl“ in Santa Maria delle Grazie in Mailand vollendete er zwar, doch war es nichts für ihn, diszipliniert in Tagewerken auf den feuchten Putz zu malen. Manchmal soll er sich stundenlang nur in die Komposition versenkt und ein paar Pinselstriche hinzugefügt haben, nicht selten erschien er tagelang gar nicht. Statt im buon fresco, wie es alle taten, malte er in einem Ei-Tempera-Gemisch auf die trockene Wand. Schon bald fing das allseits gerühmte und bewunderte Bild an, sich aufzulösen und abzublättern.
Ob Fürsten oder die päpstliche Familie, die mächtige Sammlerin Isabella d’Este (deren Kunstagenten ihn vergeblich bedrängten) oder die Stadtregierung von Florenz: Leonardo stieß die meisten Auftraggeber vor den Kopf, ließ sich teuer bezahlen, um am Ende ein Fragment oder nur ein wolkiges Projekt zu liefern – am gravierendsten beim gewaltigen, 17 Meter breiten Wandbild, das im Ratssaal des Palazzo Vecchio an die Anghiari-Schlacht erinnern sollte, während Michelangelo zeitgleich an einem Pendant zur Schlacht von Cascina arbeitete. Künstler und Kunstkenner pilgerten zu den beiden ausgestellten Kartons, noch Jahrzehnte später schwärmte der Goldschmied Benvenuto Cellini in seiner Autobiografie von der prominenten Bildkonkurrenz als „Schule der Welt“. Denn für drei kurze Jahre, von 1504 bis 1506, waren nicht nur die beiden großen Rivalen der Hochrenaissance in Florenz, auch der junge Raffael hielt sich in der Stadt auf und ließ sich besonders von Leonardo nachhaltig inspirieren.
Michelangelo fing mit der Arbeit an der Wand gar nicht erst an, und Leonardo hinterließ 1506 nur einen Torso seiner dramatisch durcheinander gewirbelten Pferde und Kämpfer, die in der Ausführung eine Weltsensation geworden wären. Wieder einmal war er an einem ehrgeizigen Auftrag gescheitert, das Fragment verschwand später unter einem manieristischen Wandbild. In seinem Buch „Der Hofmann“ ätzte der Zeitgenosse Baldassare Castiglione über Leonardo: „Einer unter den ersten Malern der Welt verachtet die Kunst, in der er so einzigartig ist, und beginnt, Philosophie zu treiben; in ihr hat er so seltsame Begriffe und neuartige Hirngespinste, dass er sie mit seiner ganzen Malerei nicht darzustellen vermöchte.“
Leonardo höhnte seinerseits gegen die Humanisten und Literaten, deren Welt ihm verschlossen war, seit der Vater dem illegitimen Sohn die höhere Bildung verweigert hatte. Latein brachte er sich selbst bei, und den Akademien der Schriftgelehrten stellte er die „Schule der Erfahrung“ entgegen, seine akribische Methode der Welt- und Naturbeobachtung. Für ihn gab es keinen Zweifel, dass der Maler-Philosoph, als der er sich verstand, an der Spitze allen intellektuellen Tuns anzusiedeln war. „Alles, was im Universum ist, als Wesen, Gegenwart oder Vorstellung, hat er zuerst in seinem Geist und dann in den Händen“, schrieb er einmal. Diese Sonderrolle des Malers bezog Leonardo aus seiner Verehrung der göttlichen natura, aus der alles entsteht. Aus Respekt vor ihr tötete er keine Tiere und aß kein Fleisch. Auch jegliche Soldateska verabscheute er, was ihn nicht daran hinderte, zahlreiche schaurige Kriegsmaschinerien zu entwerfen und diversen Potentaten anzubieten.
Die Malerei war für ihn „rechtmäßige Tochter der Natur“, um das gleich wieder, typisch Leonardo, zu differenzieren. „Nennen wir sie lieber die Enkelin der Natur, denn diese hat alle sichtbaren Dinge geboren, aus denen dann die Natur geboren wurde.“ Und mehr noch: „Wir nennen sie daher mit Recht die Enkelin der Natur und eine Verwandte Gottes.“ Das Gottesbild indessen, wie es die Kirche vertrat, bedeutete Leonardo wenig. Ein gläubiger Katholik war er nicht, nach allem, was man weiß. Die gängige Theologie und kanonischen Bildprogramme hebelte er in seinen biblischen Gemälden immer wieder in fast provokativer Weise aus.
Außenseiter war Leonardo schon durch seine Herkunft. Als uneheliches Kind kam er 1452 im toskanischen Städtchen Vinci zur Welt. Die Mutter, ein Landmädchen, spielt in seinem Leben keine Rolle mehr. Er wuchs zuerst bei seinem begüterten Großvater auf, später in Florenz beim Vater, einem erfolgreichen Notar, der ihm aber meist die zahlreichen legitimen Sprösslinge vorzog. Statt in die Lateinschule steckte Piero da Vinci seinen offenbar nicht sehr geliebten Sohn in die Lehre um 1466 bei Andrea del Verrocchio, der als Maler und vor allem als Bildhauer damals den Ton in der Stadt angab.
Überzeugt von seinem Genie und seiner Ausnahmestellung, gelang es Leonardo, sich am Mailänder Hof von Ludovico Sforza durchzusetzen. Er malte die Geliebte des Herrschers (die „Dame mit dem Hermelin“), plante ein riesiges Reiterdenkmal und festigte seinen Ruhm mit dem „Abendmahl“.
Im Jahr 1500 kehrte er nach Florenz zurück, wo er unter anderem mit der „Mona Lisa“ begann, sechs Jahre später zog er wieder nach Mailand (Hauptwerk aus dieser Zeit ist die „Anna selbdritt“) und arbeitete einige Zeit in Rom. Seit 1517 verbrachte er, fürstlich entlohnt, die letzten Jahre am Hof des französischen Königs Franz I. Gerade einmal fünfzehn Gemälde, auf deren Eigenhändigkeit sich die Kunstwissenschaft einigen kann, sind von Leonardo erhalten. Daneben ein riesiges zeichnerisches Werk: Details zu Gemälden, Menschen- und Pferdestudien, wissenschaftliche Beobachtengen und technische Konstruktionen, groteske Gesichtsfratzen, Sintfluten und Weltuntergänge, Karten und Pflanzen und vieles mehr. Manche der Zeichnungen, etwa der nackte „Vitruv-Mann“ im Kreis, sind genauso berühmt wie die „Mona Lisa“.
Wer auf Leonardos wechselhafte, insgesamt aber doch ziemlich erfolgreiche Karriere blickt, die er den wenig güngstigen Voraussetzungen seiner Herkunft und dem Unverständnis vieler Zeitgenossen für seine ganzheitliche Kunstmethode abtrotzte, sollte eines nicht vergessen: dass er homosexuell war und dies – trotz drastischer Strafen, die drohten – auch auslebte. Giorgio Vasari und andere Renaissance-Autoren machten ihre süffisanten Bemerkungen dazu. Im Jahr 1490 kam der zehnjährige Giacomo Caprotti als Malerlehrling in Leonardos Mailänder Atelier. Alle nannten ihn Salaì, nach einem Teufelchen in einem Schelmenroman. Das war er offenbar auch, und er wie seine Familie nutzten den Meister finanziell nach Kräften aus. Aber Leonardo liebte Salaì, und bis zu seinem Tod blieben sie Lebenspartner.
Zugleich benahm sich der Freigeist und Rebell Leonardo, wie es sich für einen cortegiano, einen Hofmann, gehörte. Er war elegant gekleidet, achtete im Gespräch die Hierarchien und brillierte in Gesellschaft mit geistreicher, amüsanter Konversation. Auch dies einer seiner vielen Widersprüche.
Außenseiter und Eigenbrötler, sexuelle Selbstbestimmung, Verweigerung gegen die Normen und Verteidigung der Autonomie der Kunst, Selbststilisierung bis hin zur egomanischen Beschwörung der eigenen Größe, die Verwerfungen im Lebensweg wie das Fragmentarische vieler Werke: Das alles passt auch zur Moderne mit ihrem Geniekult, ihrer Suche nach Brüchen, der Unangepasstheit und Radikalität. Von Goethe bis Freud, von Stendhal bis Karl Jaspers, von Nietzsche bis zum Steve-Jobs-Biografen Walter Isaacson haben unzählige Autoren am Leonardo-Mythos mitgearbeitet.
Künstler des 20. Jahrhunderts haben ihren Teil beigetragen: von Duchamps Verballhornung der „Mona Lisa“ mit Schnurrbart und obszöner Beischrift bis zu ihrer seriellen Siebdruck-Aneignung durch Warhol. So wurde Leonardo zu Dada und Pop und mit der millionenfachen Reproduktion auf T-Shirts und Tassen zum Teil der Massenkultur: die heutige Form der Vergöttlichung des Künstlers. Nur in diesem Zusammenhang lässt sich auch das irrwitzige Auktionsergebnis von 450 Millionen Dollar erklären, das im November 2017 der „Salvator Mundi“ erzielte, während die besten Kenner gravierende Zweifel an der Urheberschaft Leonardos haben.
Wer sich dem Künstler ohne Legenden und Mystifizierungen nähern will, der kann sich jetzt von den Renaissance-Historikern Volker Reinhardt und Bernd Roeck den Weg weisen lassen. Beide haben bei C.H. Beck zum Jubiläum Biografien vorgelegt, in denen sie Leonardos Leben dicht an den Schriftquellen verfolgen, unrealistische Legendenbildungen aufdecken, souverän den geschichtlichen Kontext berücksichtigen und ein differenziertes Charakterbild des großen Individualisten zeichnen. Reinhardt ist etwas pointierter im Urteil; exzellent, zudem elegant geschrieben sind beide Bücher.
Hinzu kommt die innovative Biografie der Kunsthistorikerin und Journalistin Kia Vahland (Suhrkamp). Sie konzentriert sich auf Leonardos intensives Verhältnis zu Frauen, zeigt in sprachmächtigen Analysen, wie einfühlsam er Marias Mutterliebe zu ihrem Kind schilderte, wie er die innere und äußere Schönheit neuartig in psychologischen Porträts zum Ausdruck brachte, sodass Raffael und andere Meister es gleich aufgriffen. Und dann ist da noch die Großtat von Frank Zöllner und Johannes Nathan, die im Taschen-Verlag alle Gemälde und das zeichnerische Werk erschließen. Sei es im XL-Coffeetable-Format oder in zwei handlichen, unfassbar günstigen Bänden: Übersichtlich, unbestechlich und nach dem aktuellen Forschungsstand führen sie durch Leonardos Schaffen. Wer sich diesen Autoren anvertraut, wird im labyrinthischen Schaffen Leonardos den kühlen Blick bewahren.
Bei der „Mona Lisa“ etwa – dem berühmtesten Bild der Welt, das nach langer Kontroverse jetzt wohl zweifellos die Florentiner Kaufmannsgattin Lisa del Giocondo zeigt – ist es sinnvoll, nicht zu sehr über das vermeintliche Rätsel ihres Lächelns zu grübeln, sondern sich lieber in Leonardos Malstil zu vertiefen, der alle Konturen auflöst, sowie Körper und Landschaften im samtigen Schimmer des von ihm erfundenen „Sfumato“ verschmelzen lässt.
Genauso schön wird das in der „Anna selbdritt“ mit der verschlungenen Figurenregie und dem ätherisch blauen Landschaftshorizont sichtbar. Keinen Pinselstrich und keine Konturen wollte Leonardo in seinen Werken mehr erkennbar lassen. „Achte darauf, dass deine Schatten und Lichter sich ohne Striche oder Linien vereinen, wie Rauch“, schrieb er dazu. Das war Leonardos große Neuerung, die Jahrhunderte in der Malerei Europas nachwirkte: Wie er Schicht um Schicht dünne, spärlich pigmentierte Lasuren und Firnisse auftrug, um die fließenden Übergänge von Licht und Schatten zu erzielen; wie Mensch und Natur eins werden in den hauchzarten Übergängen des Sfumato. Sein „Johannes“, eines der letzten Bilder, treibt das radikal auf die Spitze.
Der Täufer Christi lächelt wie eine von Leonardos Frauen und weist mit dem Finger zum Himmel – um wessen Göttlichkeit es dabei geht, bleibt offen. Der halbnackte Körper löst sich in einer magischen Transformation aus dem rauchigen Dunkel. Nichts ist fest, nur Licht und Schatten, mehr braucht es nicht für die Ewigkeit.
Amboise
Im Château du Clos Lucé auf dem Gelände des Loire-Schlosses Amboise verbrachte Leonardo auf Einladung des französischen Königs seine letzten Lebensjahre. Hier starb er am 2. Mai 1519, dort ist er in der Kapelle Saint-Hubert begraben. Zum Jubiläum findet ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm statt. Kunsthistorisch am bedeutendsten ist der monumentale Wandteppich mit Leonardos Mailänder „Abendmahl“, den Franz I. um 1514 anfertigen ließ und 1533 als Geschenk an Papst Clemens VII. nach Rom schickte. Jetzt ist die Tapisserie erstmals seit dem 16. Jahrhunderts außerhalb des Vatikans zu sehen (7. Juni bis 8. September).
Chambord
Im Jahr, als Leonardo starb, begann Franz I. mit dem Bau von Schloss Chambord an der Loire. Die ambitionierte Ausstellung „L’Utopie à l’Œuvre“ mit vielen internationalen Leihgabe feiert das Doppeljubiläum und widmet sich auch der Frage, wieweit Leonardo in den Entwurf des gewaltigen Renaissance-Baus involviert war (26. Mai bis 1. September).
Fabriano
Während die Unesco in der kleinen Stadt Fabriano in den Marken Mitte Juni ihre Konferenz zum Thema „Creative Cities“ abhält, wird dort Leonardos „Benois Madonna“ in der Pinacoteca Civica Bruno Molajoli als Leihgabe der Petersburger Eremitage zu sehen sein (1. bis 30. Juni). Anschließend wandert das Gemälde weiter ins nahegelegene Perugia, wo es in der Galleria Nazionale dell’Umbria ausgestellt sein wird (4. Juli bis 4. August).
Florenz
Der Palazzo Strozzi widmet sich dem Lehrer des Künstlers: „Verrocchio, Master of Leonardo“ (9. März bis 14. Juli), danach wandert die Schau in die National Gallery in Washington. Ab 30. Oktober ist Leonardos Codex Leicester in den Uffizien zu bewundern, Leihgeber: Bill Gates.
Großbritannien
Die Queen eröffnet ihren einzigartigen Schatz an Zeichnungen Leonardos: Bis 6. Mai sind in 12 britischen Museen je 12 Blätter zu sehen, ab 24. Mai dann mehr als 200 Werke in den Queen’s Galleries in London (bis 13. Oktober) und in Edinburgh (ab 22. November). In der Ausstellung ist auch ein neu entdecktes Altersporträt Leonardos zu sehen, das wohl sein Schüler Francesco Melzi gezeichnet hat. Im Belser-Verlag ist ein deutscher Katalog zu den Ausstellungen erschienen: „Leonardo da Vinci. Das Genie als Zeichner“.
Hamburg
Die Hamburger Kunsthalle besitzt vier Zeichnungen von Leonardo. Vom 5. bis 19. Juni zeigt sie alle Blätter in ihrem Kupferstichkabinett.
Mailand
Die Biblioteca Ambrosia zeigt das ganze Jahr über Zeichnungen aus Leonardos Codex Atlanticus. Sein Deckenbild im Castello Sforzesco ist von März bis August Teil einer Ausstellung und trotz der laufenden Restaurierung zu besichtigen.
Das Mailänder Museo Poldi Pezzoli zeigt ab Herbst „Around Leonardo: The Madonna Litta and the Master’s Workshop“ (8. November bis 10. Februar 2020).
New York
Sotheby’s New York zeigt in seinen erneuerten Galerieräumen als Sommerausstellung „Treasures from Chatsworth“. Unter den rund 40 Kunstwerken aus dem Schloss des Duke of Devonshire befindet sich auch Leonardos berühmte Zeichnung „Leda und der Schwan“, um 1506 entstanden als Vorstudie für ein erotisch aufgeladenes Gemälde, das nur in Kopien überliefert ist. Der Eintritt ist frei (28. Juni bis 18. September).
Paris
Nach einigem Hin und Her leiht Italien jetzt doch Bilder aus. Nur der Auftritt des „Salvator Mundi“ steht noch in den Sternen. Auf jeden Fall wird die Leonardo-Ausstellung im Louvre (ab 24. Oktober) ein Hauptereignis im Jubiläumsjahr sein.
Rom
In den Scuderie des Quirinale huldigt die große, materialreiche Schau „Leonardo. Die Wissenschaft vor der Wissenschaft“ mit vielen Zeichnungen, Plänen, Konstruktions- und Architekturmodellen dem universalen Innovator (bis 30. Juni).
Turin
Die Musei Reali breiten aus ihrem reichen Zeichnungsbesitz von Leonardo bis 14. Juli rund fünfzig Blätter aus, darunter das wunderbare Porträt einer jungen Frau von 1483/85, das der Kunsthistoriker Bernard Berenson einst als „die schönste Zeichnung der Welt“ bezeichnete.
Venedig
Die Gallerie dell’Accademia zeigen bis 14. Juli in der Ausstellung „Leonardo da Vinci. Der Mensch, Modell der Welt“ rund 25 Zeichnungen des Künstlers aus eigenem Besitz. Darunter auch den berühmten und nur noch selten im Original gezeigten „Vitruvianischen Mensch“.