Die zeitgenössische Kunst der Ureinwohner Australiens erhält in Europa immer mehr Aufmerksamkeit. Das Sammelgebiet der Aboriginal Art eröffnet eine uralte Kultur und faszinierende Bildwelten. Noch ist das Preisniveau sehr moderat, aber es steigt
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01.07.2020
Millionen bunter Punkte wogen und brausen wie ein bewegtes Meer. Aus gemusterten Striemen bilden sich Ebenen, die unsere Augen zum Flimmern bringen. Ein rot glühendes Wesen, das sich im tiefblauen Wasserloch unter den Steinen windet; flirrende Farbströme, äußerst komplexe, dabei oft höchst grazile Muster und Formen: Die Kunst der Ureinwohner Australiens bietet magische Seherlebnisse, und um Sammler, die sich erst einmal intensiver mit ihr beschäftigt haben, ist es oft für immer geschehen.
Lange galt die Aboriginal Art in Europa und Amerika als Kunsthandwerk oder als eher ethnologisch interessantes Relikt einer uralten Kultur. Ihre Akzeptanz als ernst zu nehmende Gegenwartskunst stieg Anfang der Neunziger mit einer Reihe internationaler Ausstellungen. So weckte 1993 „Aratjara. Kunst der ersten Australier“ in Düsseldorf das Interesse der deutschen Öffentlichkeit und auch der Sammler. Die letzte und bislang stärkste Blüte der Aboriginal Art am Markt endete 2008 mit der globalen Finanzkrise. Schuld daran waren auch ein Überangebot an zweifelhaften Gemälden und die mangelnde Trennung des Fine-Art-Segments von der Kunst für Touristen.
Vor allem die hochpreisigen Werke, die über Auktionshäuser und große Galerien verkauft wurden, unterlagen in den Folgejahren zum Teil erheblicher Wertverlangsamung oder sogar gravierenden Preiskorrekturen. Auch ihre Beliebtheit bei Sammlern außerhalb Australiens konnte die Aborigine-Kunst kaum noch ausbauen. Während die Werke der Ureinwohner in ihrer Heimat in keiner Sammlung zeitgenössischer Kunst fehlen dürfen, sind sie in Europa und den USA bisher ein Nischensegment geblieben. Das wird sich voraussichtlich ändern. Indigene Kulturen erfahren derzeit im Kontext des Postkolonialismus allgemein viel Beachtung. Zudem hat es sich eine Riege junger, internationaler Kuratoren zur Aufgabe gemacht, speziell die Aboriginal Art auf dem internationalen Parkett zu stärken.
Außerhalb Australiens wird Aboriginal Art bislang nur von einigen Privatmuseen ausgestellt und ebenso selten von Galerien repräsentiert. Die Deutsch-Australierin Robyn Kelch ist hierzulande eine der wenigen ernst zu nehmenden Anlaufstellen. Die Tochter deutscher Auswanderer wuchs in Down Under auf. Aus Liebe zum Land und Leidenschaft für die Kunst der Ureinwohner gründete sie 2006 in Freiburg im Breisgau ihre Galerie Artkelch. Seither hat sie mehr als 100 Ausstellungen kuratiert, 13 davon in deutschen Museen. „Obwohl mittlerweile Werke von Aboriginal-Künstlern ihren Platz in bedeutenden Museen und Galerien der Welt gefunden haben, steht ihre Verbreitung und Akzeptanz als zeitgenössische Kunst in Deutschland, Österreich und der Schweiz tatsächlich erst in den Startlöchern“, sagt Kelch. Aber auch sie ist überzeugt davon, dass die Zeichen mehr als gut für eine Wiederkehr der Aboriginal Art auf den internationalen Markt stehen.
Jetzt käme endlich die zweite Chance, raunten auch die Händler im vergangenen Herbst auf der Sydney Contemporary, Australiens größter Kunstmesse. Und nicht ohne Stolz verkündete eine Vertreterin der Firmensammlung der Deutschen Bank, man habe mit einer Videoinstallation von Amala Groom soeben die erste Arbeit eines „Australian First Nation Artists“ angekauft. Mehrere Schauen in New York, große geplante Ausstellungen in Europa und vor allem die Tatsache, dass Sotheby’s im Dezember erstmals in New York eine Auktion für Aboriginal Art durchführte, festigen den Eindruck des neu erwachenden Interesses.
Wer in dieses Sammelgebiet einsteigt, sollte sich genügend Zeit zur Recherche nehmen. Denn die Kultur der indigenen Völker Australiens ist äußerst heterogen. Ihre heute noch rund 450 Sprachen und Dialekte weichen zum Teil stark voneinander ab, genauso facettenreich ist die Kunst der verschiedenen Regionen. Derzeit existieren rund 50 „Schulen“ traditioneller Kunst. Die Künstler leben großenteils weitab der Städte und sind meist in sogenannten Community Based Art Centres organisiert. Von diesen Kooperativen, im alleinigen Besitz der jeweiligen Gemeinschaft, existieren etwa 80 mit insgesamt geschätzten 7000 Künstlern. Allerdings ist nur ein kleiner Teil davon tatsächlich für Museen, Kuratoren und Sammler interessant. Die Manager dieser Zentren kommen meist aus der „weißen“ Kunstszene und vermitteln zwischen den Künstlern und dem Markt, den sie über Galerien mit Werken versorgen. Dazu kommen die „Stadtkünstler“, die den Wohnorten ihrer Vorfahren den Rücken gekehrt haben, in den Metropolen leben und dort sozialisiert sind, ihre indigenen Wurzeln aber in eine zeitgenössische Kunst nach westlichen Vorstellungen einfließen lassen. Tracey Moffatt ist die wohl berühmteste dieser Protagonisten, „bei denen die Herkunft zwar eine Rolle spielt, aber nicht mehr an erster Stelle steht“, wie es der australische Galerist Michael Reid ausdrückt, der in Sydney, Murrurundi und Berlin Dependancen unterhält.
Die wichtigsten Kunstlandschaften der Aborigines liegen in meist sehr entlegenen Regionen der Bundesterritorien Northern Territory, Western Australia, South Australia und Queensland. Für eine erste Ordnung lässt sich die Aboriginal Art in fünf Gebiete und Tendenzen einteilen. Die farbenfrohe „Wüstenkunst“ Zentralaustraliens mit ihren meist in Acryl geschaffenen Punkten und Symbolen ist am bekanntesten. Natürliche Pigmente auf Baumrinden sind typisch für die „Top End Art“ im Northern Territory. Die Künstler in den westaustralischen Kimberleys nutzen ebenfalls oft Naturpigmente, wobei es Mischformen mit Acryl gibt. Charakteristisch für Queensland sind Werke mit großflächigen Farbaufträgen in Acryl. Die genannten Künstler in den Städten schließen die grobe Einteilung ab. Einen noch ungeübten Betrachter mögen viele der Bilder an abstrakte Kunst erinnern. Ein großes Missverständnis, denn in Wahrheit handelt es sich bei den Kreisen, Linien, Punkten oder auch monochromen Flächen um teilweise jahrtausendealte zeremonielle Muster, die zeitgenössisch neu interpretiert werden. Wie einst dienen sie noch heute dazu, heiliges Wissen zu praktizieren und weiterzugeben. Malerei spielt in der indigenen Kultur eine fundamentale Rolle und ist seit der Frühgeschichte untrennbar mit der Spiritualität der Ureinwohner und der Weitergabe ihrer Schöpfungsgeschichte („Tjukurrpa“) verbunden.
Die Bilder der Aborigines sind Ausdruck einer mindestens 50.000 Jahre alten Kulturtradition. Die Vorfahren der heutigen Künstler hofften, mit ihren übernatürlichen Ahnenwesen in Kontakt zu treten, indem sie zeichneten und malten – auf Fels, Sand, Rinde oder ihre eigenen Körper. Viele der bis heute verwendeten Muster befinden sich im geistigen Besitz einzelner Menschen oder Gruppen, und viele Symbole können zuweilen von nicht initiierten Clanmitgliedern oder benachbarten Stämmen schon nicht mehr vollständig entschlüsselt werden.
Heute sind einige der gängigen Zeichen der Wüstenkunst auch dem Uneingeweihten leicht zugänglich, andere wiederum sind nach wie vor so komplex, dass man zu ihrer Dekodierung auf die Hilfe des Künstlers oder der Community angewiesen ist – will man sie denn ihrer Mystik berauben. Viele Künstler möchten die Geschichten ihrer Ahnen allerdings nicht mehr gänzlich preisgeben. Eine verständliche Tendenz, wenn man bedenkt, welchen Kulturverlust ihre Vorfahren und sie erleiden mussten. Auch Land- und Besitzansprüche einzelner Stämme sowie der Weg zu rituellen Orten werden durch die Kunst tradiert. Manche der Werke weisen eine verblüffende Ähnlichkeit mit Luftbildern der Landschaften auf, in denen sie entstanden. Ganz so, als sei der jeweilige Künstler einmal im Traum darübergeflogen.
Vor dem Erwerb eines Bildes empfiehlt sich ein Exkurs in die Kunstgeschichte der Region, für die man sich interessiert. Die zeitgenössische Aboriginal Art begann in einer kleinen Siedlung namens Papunya, 240 Kilometer nordwestlich von Alice Springs. Der Legende nach ermutigte der Künstler und örtliche Grundschullehrer Geoffrey Bardon, damals um die dreißig und weißer Abstammung, im Jahr 1971 einige der Väter und Großväter seiner Grundschulzöglinge, die identitätsstiftenden Symbole und Zeichen der Kultur der Stämme Pintupi und Luritja zunächst an eine Schulmauer, später auf Leinwände und Pappen zu malen. Es war die Geburtsstunde der Papunya Tula Artists. Bereits 1972 gründeten sie erfolgreich eine eigene Firma, die bis heute im Besitz von Aborigines in der westlichen Wüste ist.
Von Papunya aus nahm das Western Desert Art Movement seinen Lauf. Der amerikanische Schauspieler Steve Martin gehörte zu den ersten prominenten Sammlern der Wüstenkunst, die von den Wanderungen der Schöpferahnen und ihrem Wirken erzählt. Teile aus Martins Besitz mit Werken von Emily Kame Kngwarreye, Makinti Napanangka, Ronnie Tjampitjinpa, Bill Whiskey Tjapaltjarri, Tjumpo Tjapanangka, George Tjungurrayi und Willy Tjungurrayi – alle zwischen 1910 und 1945 geboren, die meisten mittlerweile gestorben – waren im vergangenen Jahr in der New Yorker Gagosian Gallery zu sehen. Die großformatigen Arbeiten aus der Anfangszeit der Bewegung sind längst Klassiker der Aboriginal Art und auf dem australischen wie internationalen Markt hoch begehrt. So konnte Sotheby’s New York im Dezember allein acht neue Auktionsrekorde für Aboriginal Artists verzeichnen.
Als bislang erfolgreichste Aborigine-Künstlerin gilt Emily Kame Kngwarreye, die ihr Debüt erst mit 80 Jahren gab, aus der Künstlerkolonie Utopia stammte und 1996 verstarb. Ihr großes Bild „Earth’s Creation I“, 2015 auf der Biennale in Venedig ausgestellt, wurde 2017 auf einer Privatauktion in Sydney für zwei Millionen Australische Dollar (damals 1,31 Millionen Euro) zugeschlagen. Schon 2007 erzielte „Warlugulong“ von Clifford Possum Tjapaltjarri aus Papunya (um 1932 bis 2002) bei Sotheby’s Melbourne rund 1,5 Millionen Euro inklusive Aufgeld. Das Gemälde ging an die National Gallery in Canberra und ist immer noch das am teuersten versteigerte Werk eines Aboriginal Artists. Auch die Künstler, die in die Fußstapfen der ersten Papunya Tula Artists traten, werden zum Teil hoch gehandelt und haben Klassikerstatus, etwa Yukulti Napangati, deren Stamm erst in den Achtzigerjahren in Kontakt mit der modernen Welt trat, oder Warlimpirrnga Tjapaltjarri, der mit seinem Clan noch bis 1984 vollkommen isoliert lebte und 2012 gemeinsam mit Doreen Reid Nakamarra als erster Aboriginal Artist auf der Documenta in Kassel vertreten war.
Doch auch im mittleren Preissegment bis 20.000 oder 50.000 Euro sowie im vierstelligen Bereich sind viele großartige Entdeckungen zu machen, in denen sich die jeweiligen Spielarten der Regionen wiederfinden. In den Werken der zentralaustralischen Künstler spiegeln sich die kräftigen Farben der Wüstenlandschaften wider, gemalt in Acryl, als Untergrund dient meist Leinen. Die Werke der Ken Family Collaborative bilden ein gutes Beispiel für die überbordende Detailliertheit und das expressive Kolorit der Wüstenkunst, in der sich traditionelle Überlieferungen und Muster bisweilen auch mit Zeitgeist paaren, etwa bei Candy Nelson Nakamarra von Papunya Tjupi Arts.
Materialien wie Rinde oder Holz finden als Malgründe vor allem im Norden des Kontinents Verwendung. In Gebieten wie den Kimberleys wird für die Malerei natürliches Ockerpigment, Holzkohle oder Kalk verwendet. Eine junge Generation, darunter Kenan Namunjdja und Rosina Gunjarrwanga, nutzt die Malgründe und Pigmente ihrer Vorfahren und erweitert diese um eine sehr eigene, zeitgenössische Leichtigkeit. Typisch für die Kunst aus dem Arnhemland sind monochrome Hintergründe, in die mit Schraffuren ausgefüllte Motive gesetzt werden, so wie auf den Baumrindenbildern und Papierarbeiten von Noŋgirrŋa Marawili, Jahrgang 1939, die derzeit viel ausgestellt und mit Preisen ausgezeichnet wird. Auch Flechtarbeiten wie die von Lena Yarinkura oder die langgliedrigen Wesen aus Holzstämmen von Owen Yalandja sind typisch für diese Region. Letztere dienten einst als Begräbnisstelen, reich verziert und innen mit den Überresten der Toten gefüllt.
Insgesamt lässt sich beobachten, dass künstlerische Innovationen mittlerweile oft aus dem Norden Australiens kommen. Aber auch das heute unter Selbstverwaltung stehende, in den Fünfzigern als Atombombenabwurfgebiet missbrauchte Spinifex Country in der großen Victoria-Wüste und das ebenfalls lokal verwaltete APY-Gebiet im Süden gelten derzeit als sehr kreative Zentren. Darüber hinaus gehören Skulpturen und Kunstkeramik zu den Artefakten der Aboriginal Art. Getöpfert wird etwa in den Werkstätten der Hermannsburg Potters bei Alice Springs. Und zur Gemeinschaft der Tjanpi Desert Weavers im Dreiländereck zwischen Northern Territory, South Australia und Western Australia gehören rund 400 Frauen aus 26 weit voneinander entfernten Siedlungen, die sich regelmäßig treffen, um nach den Überlieferungen ihrer Ahnen Skulpturen aus gefärbtem Gras herzustellen. Die vielfach ausgestellte Shirley Macnamara aus Queensland wiederum schafft Skulpturen und Objekte aus Spinifexgras und Federn, in denen sich uralte Traditionen mit Einflüssen westlicher Gegenwartskunst vereinen. Zu den Klassikern aus Queensland gehören zudem die großflächig farbigen Gemälde der 2015 mit 91 Jahren gestorbenen Sally Gabori.
Aquarelle spielten in der Aboriginal Art bislang eher eine untergeordnete Rolle. Der bekannteste indigene Aquarellist war Albert Namatjira (1902–1959), der in einem europäisch anmutenden, aber doch sehr eigenen Stil Landschaften malte und so zur leicht vermittelbaren Ikone zentralaustralischer Kunst wurde. Beryl Jimmy oder Ginger Wikilyiri aus dem Gebiet der Nyapari im Süden nutzen neuerdings farbige Tinten für ihre schwerelos erscheinenden Landschaftsdarstellungen, während Peter Mungkuri die Palette seiner großformatigen Papierarbeiten um Tee erweitert. Schließlich reflektieren einige der Künstler schonungslos die Probleme ihrer Gemeinschaft, etwa Sally M. Nangala Mulda – oder auch Richard Bell, dessen Werke auch international hoch gehandelt werden. Insgesamt ist die Aboriginal Art in ihrer überbordenden Vielfalt allen anderen zeitgenössischen Kunstströmungen ebenbürtig.
Beim Kauf von Aboriginal Art sind einige wichtige Aspekte zu beachten. Wesentlich ist ein fairer Handel, denn der Markt weist bis heute auch seine Schattenseiten auf. Während einige der Künstler einer Communitiy oder Kooperative einmal im Monat ein Bild verkaufen, gelten andere als wahre Bestseller. Die Art Centres arbeiten in der Regel auf Ausstellungen großer Galerien und Museen hin. Verteilt werden die Gewinne zu einem gewissen Prozentsatz an die einzelnen Künstler direkt, zum anderen speist sich daraus ein Topf, der nach Beratung durch ein Board an alle im jeweiligen Art Centre organisierten Mitglieder für Anschaffungen ausgeschüttet wird. So kann auch mal ein Schwimmbad mitten in der Wüste oder ein Dialysegerät finanziert werden. Kritiker dieses Systems der Umverteilung sehen die Freiheiten und Möglichkeiten des einzelnen Künstlers bedroht, der nicht entsprechend von seinem Erfolg profitieren könne, andere argumentieren mit der starken indigenen Land- und Clanverbundenheit, die diese Praktik zu einer Selbstverständlichkeit mache.
Vor allem seit der Jahrtausendwende und den Folgejahren des Booms der Aboriginal Art kam es auf dem Markt zu einer Vielzahl unverantwortlicher oder gar illegaler Praktiken. Über Land fahrende Galeristen kauften Bilder quasi am Straßenrand, speisten die Künstler mit Minibeträgen ab oder zahlten sie gar gleich in Zigaretten und Alkohol aus. Die so ergaunerten Werke wurden anschließend in einigen Galerien der großen Städte zu Höchstsummen verkauft. Mit entsprechenden Schulungen und einer Aufklärung der Künstler seitens der Art Centres ist in den letzten Jahren einiges gegen diese kriminellen Praktiken unternommen worden. Dennoch kommt es auch heute noch immer wieder zu Fällen, in denen vor allem ältere Künstler ohne Wissen der Kunstzentren von Galeristen aus ihren Siedlungen „entführt“ und für mehrere Wochen in den Großstädten als Malsklaven in mit Matratzen ausgestatteten Ateliers gehalten werden. In dem Maße, in dem das internationale Interesse an Aboriginal Art wieder steigt, nehmen leider auch die negativen Aspekte des Handels mit ihr zu. Ken Wyatt, Australiens Minister für die indigene Bevölkerung, kündigte just strengere Sanktionen gegen private Kunsthändler oder Trittbrettfahrer an, die schutzbedürftige und ältere Aborigine-Künstler in Zentralaustralien ausbeuten.
Ein gewissenhafter Händler arbeitet mit den indigenen Kunstzentren zusammen oder lässt sich von ihnen beraten. Zudem wurde 2007 der Indigenous Art Code ins Leben gerufen, ein freiwilliges Regelwerk, das einen fairen und ethischen Handel zwischen Kunsthändlern und indigenen bildenden Künstlern fördern soll. Jeder Sammler von Aboriginal Art tut gut daran, auf das Siegel des Art Code zu achten und die Galeristen gegebenenfalls danach zu fragen. In den abgelegenen indigenen Siedlungen Australiens leiden die Menschen unter Armut, Gewalt, Krankheit und Drogenmissbrauch. Die kulturelle und finanzielle Bestätigung, die sie durch den ethisch einwandfreien Verkauf ihrer Bilder erfahren, ist daher von größter Bedeutung für ihre Gemeinschaft. „Das Leben auf ihrem angestammten Land ist für die Clans keine Lifestyle-Entscheidung“, betont die Galeristin Robyn Kelch.
Tatsache ist, dass in den abgelegenen Siedlungen viele Menschen finanziell von einem einzigen erfolgreichen Künstler abhängen. Bisweilen kann die Möglichkeit, für schnelles Geld viele Bilder zu malen, daher eine gewisse Versuchung darstellen. Selbst von der hoch geschätzten Emily Kame Kngwarreye kommt bisweilen überhaupt nur eines von zehn Bildern für eine internationale Auktion infrage.
Die Herkunft eines Werks ist beim Erwerb von allerhöchster Bedeutung und auch mit entscheidend für den späteren Wert. Maßgeblich ist die Zusammenarbeit einer Galerie mit den gemeinschaftsbasierten Art Centres. Diese schriftlich dokumentierte Herkunft erfolgt normalerweise über ein Echtheitszertifikat des Verkäufers, das garantiert, dass das Werk tatsächlich vom angegebenen Künstler stammt und im Art Centre entstand. Die Unterlagen sollten bestenfalls weitere Details enthalten, wie den Titel und Informationen zur Geschichte des Gemäldes sowie die Biografie des Künstlers einschließlich seiner Sammlungen und Ausstellungen.
Fotografien des Künstlers, auf denen dieser das Kunstwerk ausführt oder das fertige Werk in Händen hält, sollten als Echtheitszertifikat abgelehnt werden, auch wenn sie als Zugabe zu seriösen Provenienzpapieren für den Sammler natürlich von Interesse sein können. Keinesfalls sollte man auf derartige Fotografien bestehen, da manche Künstler sehr zurückhaltend sind und womöglich selbst nicht gut ausdrücken können, dass sie keine Aufnahmen von sich erlauben möchten. Auch ohne Foto des Urhebers ist jedes authentische Werk ein intimer Einblick in die Seele seines Schöpfers.
Die New York Times beschrieb die Aboriginal Art einmal als „letzte große Kunstbewegung des 20. Jahrhunderts“. Wer von ihr gepackt wird, sich ernsthaft in ihren Kunstkosmos vertieft und dazu bereit ist, mit Sehgewohnheiten zu brechen und sein Auge neu zu schärfen, wird mit Einsichten in die älteste bestehende Kunsttradition der Welt belohnt. Und mit einem der derzeit spannendsten Sammelgebiete überhaupt.