Sammlerseminar

Wissenswertes zur Aboriginal Art

In welchen Museen kann man die Kunst der Aborigines anschauen? Welche Galerien gibt es? Was ist bei der Einfuhr zu beachten? Unser Service zum Sammlerseminar gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen

Von Henrike von Spesshardt
08.07.2020

In welchen Museen ist die Kunst der Aborigines zu erleben?

In Europa wird die zeitgenössische Kunst der Aborigines nur von einigen Privatmuseen präsentiert. Besonders engagiert sind in der Schweiz die Fondation Opale in Lens (Kanton Wallis) und die Fondation Burkhardt-Felder in Môtiers (Neuenburg). Die Sammler Alison und Peter W. Klein gehören mit ihrem privat betriebenen Museum Kunstwerk in Nussdorf bei Stuttgart ebenso zu den Connaisseuren der Aboriginal Art wie das Schweizer Ehepaar Joëlle und Pierre Clément, dessen große Kollektion kürzlich erstmals im Kunsthaus Zug zu sehen war. In Paris wird die Fondation Cartier ab November eine Retrospektive von Sally Gabori zeigen. Wer sich für die indigene Kunst Australiens interessiert, wird auch in ethnologischen Sammlungen fündig, etwa im Musée du quai Branly in Paris, dem Museum Fünf Kontinente in München oder dem Linden-Museum in Stuttgart. In den USA ist vor allem die Sammlung Kluge-Ruhe der University of Virginia in Charlottesville ein wichtiger Anlaufpunkt für Interessierte.
Wer intensiv in das Thema einsteigt, wird früher oder später den Drang haben, in das Heimatland dieser Kunst zu reisen. In Australien ist die Aboriginal Art in jedem der größeren Kunstmuseen prominent vertreten. Hervorzuheben sind die Sammlungen und Ausstellungen der National Gallery of Victoria in Melbourne und der Art Gallery of the Northern Territory in Darwin. Aber auch in der National Gallery of Australia in Canberra, der Queensland Art Gallery in Brisbane oder der Art Gallery of New South Wales in Sydney lassen sich immer viele Werke betrachten. Die Art Gallery of South Australia in Adelaide veranstaltet zudem jährlich im Herbst das renommierte Tarnanthi Festival, auf dem die neuesten Entwicklungen innerhalb der Aboriginal Art ausgestellt werden. Der Telstra National Aboriginal & Torres Strait Islander Art Award, Australiens wichtigste Auszeichnung für indigene Künstler, bietet in einer Begleitausstellung in Darwin ebenfalls einen sehr guten Einblick in aktuelle Tendenzen.
Nur allzu verständlich ist der Wunsch, die Kunst in den entlegenen und oft dramatisch schönen Landschaften ihrer Entstehung zu erleben. Einige Art Centres öffnen ihre Türen für Besucher, darunter Ernabella oder Tjala Arts in South Australia. Um sich einen Eindruck von den Lebensbedingungen und Arbeitsweisen der Künstler zu machen, kann ein Besuch empfehlenswert sein, auch wenn die A-Ware meist nicht vor Ort zu erwerben ist. Viele Art Centres wünschen allerdings keine Besuche oder empfangen Interessierte nur nach vorheriger Anmeldung, für die oft Monate im Voraus die Erlaubnis zum Reisen innerhalb der jeweiligen Region eingeholt werden muss.

Wo sind die wichtigsten Galerien für Aboriginal Art?

Kaum mehr als eine Handvoll kommerzieller Galerien widmet sich in Europa dem Thema. Dazu gehören die Freiburger Galerie Artkelch der sehr engagierten Deutsch-Australierin Robyn Kelch, Bertrand Estrangin mit Aboriginal Signature in Brüssel oder Jennifer Guerrini Maraldi mit JGM Gallery in London. In der britischen Hauptstadt hat auch Rebecca Hossack Pionierarbeit geleistet. Der Galerist Michael Reid aus Sydney zeigt in seiner Berliner Dependance regelmäßig Gruppenausstellungen indigener Kunst, das nächste Mal zum Gallery Weekend Anfang Mai.
Eine größere Auswahl an Galerien bietet naturgemäß Australien selbst. Etwa die Vivien Anderson Gallery oder die Alcaston Gallery aus Melbourne, die Short St Gallery in Broome, die APY Gallery und die Utopia Art in Sydney oder Paul Johnstone in Darwin, um einige wenige zu nennen. Im Wüstenort Alice Springs wimmelt es nur so von Galerien, doch hier ist höchste Vorsicht vor Touristennepp geboten. Ernst zu nehmende Händler sind Raft Artspace, Talapi oder Papunya Tula. Als Grundregel gilt: Je weiter sich die Galerie von der Hotelanlage oder dem Kreuzfahrtschiff entfernt befindet, desto seriöser ist ihr Angebot. Auch beste Großstadtlage mit tausend Quadratmeter Schaufläche können sich diejenigen Galerien, die nach dem Indigenous Art Code arbeiten, kaum leisten.

Gibt es Messen für die indigene Kunst Australiens?

Ja, mittlerweile existieren eine ganze Reihe von Spezialmessen für Aboriginal Art. Seit mehr als 25 Jahren findet mitten in der Wüste eine Verkaufsschau statt, von der außerhalb Australiens nur wenige schon gehört haben. Die dreitägige Desert Mob Art Fair in Alice Springs bietet die Möglichkeit, Werke direkt aus den Kunstzentren zu beziehen. Begleitet wird die Messe von einer mehrwöchigen Ausstellung, auf der zum Teil qualitativ hochwertige Werke zu erwerben sind. Auch die Tarnanthi Art Fair während des gleichnamigen Festivals in Adelaide birgt spannende Entdeckungsmöglichkeiten. Weitere Veranstaltungen sind die Darwin Aboriginal Art Fair, die Cairns Indigenous Art Fair oder die National Indigenous Art Fair (NAIDOC) in Sydney. Nicht zu vergessen Australiens wichtigste Messe für Gegenwartskunst, die Sydney Contemporary, auf der auch die Aboriginal Art präsent ist. Die Reise nach Down Under kann nicht nur wegen der faszinierenden Kunsterlebnisse, sondern auch aus einem anderen Grund lohnend sein: Kunstkauf ist für Besucher aus der Eurozone in Australien wegen des Wechselkurses zurzeit ziemlich günstig.

In welchen Auktionshäusern kann man Aboriginal Art ersteigern?

Seit Dezember 2019 hält Sotheby’s seine Auktionen für Aboriginal Art in New York ab und versteigert diese Kunst damit erstmals außerhalb des roten Kontinents oder Europas. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist man auf Einzelfunde angewiesen, während in französischen Häusern immer mal wieder Auktionen von »Art Aborigène« stattfinden, bei Millon in Paris seit 2018 sogar regelmäßig im Februar oder März. Führend auf diesem Gebiet bleiben aber nach wie vor die australischen Auktionshäuser mit einem reichhaltigen Angebot. Zu nennen wären Bonhams, Sotheby’s, Leonard Joel oder Deutscher and Hackett – alle in Melbourne sowie Sydney ansässig – oder Charleston’s, das mit seinen Auktionen quer durchs Land reist. Informationen über Preisentwicklungen bietet neben den gängigen Kunstpreisplattformen auch der Australian Art Sales Digest, der die Ergebnisse der letzten 30 Jahre verzeichnet.

Aboriginal Art Dr Christian Thompson Michael Reid
Die Michael Reid Gallery, ansässig in Sydney und Berlin, vertritt Dr Christian Thompson, der als Fotokünstler seine indigenen Wurzeln thematisiert: "Navigating You", 2020. © the artist and Michael Reid Gallery

Was ist bei der Ausfuhr von Kunst aus Australien zu beachten?

Werke, die weniger als 30 Jahre alt sind, können in der Regel problemlos ausgeführt werden. Alle anderen bedürfen ab einem Wert von 20 000 Australischen Dollar für Arbeiten auf Rinde, 40 000 AUD für Papierarbeiten oder 100 000 AUD für Gemälde einer Ausfuhrgenehmigung. Für frühe Werke der Wüstenkunst wird diese regelmäßig nicht erteilt. Käufer sollten sich vor dem Erwerb hochpreisiger Arbeiten eingehend bei der Galerie oder beim Auktionshaus über ihre Möglichkeiten informieren und im Zweifel früh genug das zuständige Department im Ministry for the Arts kontaktieren (movable.heritage@arts.gov.au). Die Mitnahme einer kleinformatigen, nicht genehmigungspflichtigen Arbeit im Handgepäck ist möglich, bei Ankunft in Deutschland muss sie aber deklariert werden. Dafür sollte man die Rechnung des Händlers bereithalten. Auf den Warenwert sind 7 oder 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten. Diese wird auch fällig, wenn man sich ein Werk schicken lässt.

Welche Bücher bieten eine gute Einführung in das Thema?

Ausstellungskataloge bieten einen guten ersten Einblick in das breite Spektrum der Aboriginal Art. Ihr Spannungsverhältnis zwischen Vergangenheit und Gegenwart innerhalb der Kunstrichtung steht im Fokus des Katalogs zur Ausstellung »Remembering Forward. Malerei der Australischen Aborigines seit 1960«, die 2010 im Museum Ludwig in Köln stattfand. Der Begleitband zur aktuellen Ausstellung »Before Time Began« der Fondation Opale (2019) bietet ebenfalls einen guten Überblick zur Geschichte der Aboriginal Art. Eine konzentrierte Einführung gibt das zweisprachige Buch »Indigenous Australia. Masterworks from the National Gallery of Australia« zur gleichnamigen Ausstellung im me Collectors Room in Berlin (2017). Als englischsprachige Übersichtswerke sind Wally Caruanas »Aboriginal Art« (2012) oder Susan McCullochs »Contemporary Aboriginal Art: A Guide to the Rebirth of an Ancient Culture« (2002). Kritische Blicke auf den Markt werfen Benjamin Genocchios »Dollar Dreaming« (2008) und Adrian Newsteads »The Dealer is the Devil. An Insider’s History of the Aboriginal Art Trade« (2014).

Aboriginal Art Fondation Opale
Die 2018 eröffnete Fondation Opale im schweizerischen Lens, Kanton Wallis, gehört zu den wenigen Kunstorten in Europa, die sich der Aboriginal Art widmen © Olivier Maire, Fondation Opale

Service

DIESER BEITRAG ERSCHIEN IN

Weltkunst Nr. 168

Zur Startseite