Stellt sich später heraus, dass es sich bei einem ersteigerten Los um Hehlerware gehandelt hat, bleibt es beim Eigentumserwerb. Doch im Kulturgutschutzgesetz versteckt sich ein Regelungsinhalt, der dieses Auktionsprivileg gefährdet. Wie reagiert die Rechtssprechung?
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05.08.2020
Unsere Rechtsordnung stellt einen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit und Rechtsfrieden her. Hierzu dienen verschiedene Instrumente – beispielsweise die „Verjährung“, die es nach Ablauf bestimmter Fristen ermöglicht, einen im Übrigen berechtigten Anspruch zurückzuweisen. Ein anderes Beispiel ist der „gutgläubige Erwerb“, der es grundsätzlich ermöglicht, auch von einem Nichtberechtigten Eigentum zu erwerben – wenn das fragliche Objekt dem ursprünglichen Eigentümer nicht abhandengekommen, also insbesondere gestohlen worden ist. Auf Auktionen allerdings kann Eigentum auch an abhandengekommenen Objekten erworben werden (§ 935 Abs. 2 BGB). Mit dieser Norm werden Auktionskäufer seit über 100 Jahren privilegiert. Denn selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es sich bei dem ersteigerten Los um Hehlerware gehandelt hat, bleibt es beim Eigentumserwerb.
Seit Inkrafttreten des Kulturgutschutzgesetzes (KGSG) am 6. August 2016 ist jedoch umstritten, ob das oben beschriebene Auktionsprivileg für den Bereich der Kulturgüter aufgehoben worden ist. §40 KGSG nämlich regelt, dass das Inverkehrbringen von Kulturgut, das abhandengekommen, rechtswidrig ausgegraben oder unrechtmäßig eingeführt wurde, verboten ist. In Absatz 2 wird als Rechtsfolge dieses Verbots angeordnet, dass Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte, die nach Absatz 1 verboten sind, automatisch nichtig sind. Die Besonderheit dieser Regelung ist die doppelte Nichtigkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts, also beispielsweise des Kaufvertrags und des davon getrennt zu bewertenden Verfügungsgeschäfts, also der Übereignung des Sacheigentums. Wenn unter Geltung des KGSG also jemand ein Kunstwerk ersteigert und sich im Nachhinein herausstellt, dass dieses einem Vorbesitzer – nicht notwendigerweise dem direkten (Vor-)eigentümer – gestohlen worden ist, dann ist mit dem Zuschlag gerade keine Heilung dieses Rechtsmakels eingetreten und der Ersteigerer nicht Eigentümer geworden. Er muss vielmehr das Kunstwerk nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung wieder herausgeben. Im deutschen Recht gilt das sogenannte Abstraktionsprinzip, das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft voneinander trennt. Dieses Abstraktionsprinzip wird vom eindeutigen Wortlaut des § 40 KGSG durchbrochen, der die Rechtsfolge der Nichtigkeit für beide Geschäfte anordnet – und zwar ohne die hierzu sonst erforderliche Fehleridentität. Fehleridentität liegt zum Beispiel vor, wenn das Kunstwerk von einem Geschäftsunfähigen eingeliefert wurde oder die Einlieferung Folge einer arglistigen Täuschung war.
Wieso versteckt man einen für den Auktionshandel derart weitreichenden Regelungsinhalt im KGSG? Ersichtlich war sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Norm dieser Tragweite gar nicht bewusst. Folgerichtig wird auch in den Erläuterungen, die vom Ministerium als Handreichung für die Praxis herausgegeben wurden, lediglich zu §40 Absatz 1 klargestellt, dass sich der dort verwendete Begriff des „Abhandenkommens“ nach § 935 BGB richtet. Für Absatz 2 fehlt ein entsprechender Verweis auf die Abschaffung des Auktionsprivilegs. Im heiß diskutierten Gesetzgebungsverfahren zum KGSG wurde die Abschaffung des Auktionsprivilegs gar nicht thematisiert. Im Gegenteil: Das Auktionsprivileg stehe nicht zur Disposition, meinte anlässlich eines Vortrags zum Kulturgutschutzgesetz an der Rheinischen Friedrich Wilhelms Universität Bonn am 30. Januar 2019 Ministerialdirektor Günter Winands, der Amtschef bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Also viel Lärm um Nichts? Wohl kaum. Denn die Entscheidung im Einzelfall wird nicht das Ministerium, sondern ein Richter treffen, der das Gesetz anwendet. Und dieser wird sich – solange der Gesetzgeber nicht im Rahmen einer Evaluation des KGSG einen klarstellenden Zusatz einfügt, wonach das Auktionsprivileg fortbestehen soll – primär an den insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm halten. Zwar könnte sich ein Richter auch ohne eine entsprechende Klarstellung der in der Literatur (insbesondere von Haimo Schack) vertretenen Auffassung anschließen, wonach § 40 KGSG teleologisch dahingehend zu reduzieren sei, dass das Auktionsprivileg unberührt bleibt. Doch für Auktionskäufer besteht ein extrem hohes Risiko, dass sich das Gericht nicht auf eine solche Reduktion einlässt – und den Zuschlag eines abhandengekommenen Kunstwerks für unwirksam erklärt.