Sammlerseminar

Wissenswertes zur flämischen Landschaftsmalerei

Wie funktioniert die atmosphärische Perspektive, und was hat Frankenthal mit Flandern zu tun? Wo sind flämische Landschaften zu sehen, wo zu kaufen? Unser Service zum Sammlerseminar gibt Auskunft

Von Sabine Spindler
24.09.2020
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 151

Von den Alten Niederländern zur Weltlandschaft – ein kleines Glossar

Altniederländische Malerei: In den südlichen Niederlanden bildete sich im 15. Jahrhundert an der Schwelle von der Gotik zur Renaissance ein bahnbrechender Naturalismus heraus. Die Hintergrundlandschaften in den Bildern von Jan van Eyck, Rogier van der Weyden oder Gerard David waren eine wichtige Stufe auf dem Weg zur autonomen Landschaft.

Atmosphärische Perspektive: Die physikalisch bedingte Lichtstreuung bewirkt, dass Landschaften vom menschlichen Auge im Vordergrund braun bis rot, im Mittelfeld grün und in der Ferne blau wahrgenommen werden. Diese wissenschaftliche Erkenntnis wurde neben der linearen Perspektive zum malerischen Mittel, um vor allem mit hellblauen, dünn lasierten Schichten am Horizont unendliche Tiefe darzustellen.

Frankenthaler Schule: Frankenthal in der Kurpfalz war Ende des 16. Jahrhunderts Zufluchtsort protestantischer Emigranten aus den südlichen Niederlanden, darunter Gillis van Coninxloo, Anton Mirou, Pieter Schoubroeck oder Hendrik Gijsmans, die ähnlichen malerischen Vorstellungen folgten. Es ist umstritten, ob es tatsächlich eine Art Künstlerkolonie war. Nach neustem Stand umfasste die „Frankenthaler Schule“, die sich um 1600 auflöste, höchstens 15 Künstler.

Lukasgilde: Seit dem 15. Jahrhundert eine in den Städten organisierte zunftartige Bruderschaft der Maler, Bildhauer und Kunsthandwerker. Die Mitgliedschaft war auch ein Gütesiegel. Nur wer einen hohen Standard erreicht hatte, wurde aufgenommen.

Orthogonale: Sie erhielt etwa bei Dorflandschaften Bedeutung. Im Unterschied zur Diagonale wurden mit ihr in den Raum hineinstoßende Straßen dargestellt. Die so entstandenen Kompositionen werden auch Fluchtpunktlandschaften genannt.

Staffage: Malerisches Beiwerk wie Tiere, Menschengruppen, architektonische Elemente und Ruinen, Karren oder Windmühlen. Sie dienen der auflockernden, narrativen oder symbolischen Gestaltung einer Landschaft. In der Weltlandschaft mutiert sie zur Mikrostaffage.

Weltlandschaft: Ein bestimmter, auch Überschaulandschaft genannter Kompositionstyp, der fast aus der Vogelperspektive eine weite Landschaft erfasst, die biblische Schöpfungselemente wie Berge, Flüsse, Ebenen sowie Tiere und menschliche Ansiedlungen enthält und als Kosmos einer von Gott gestalteten Welt erscheint.

Flämische Malerei Musées royaux des Beaux Arts Brüssel
Die Musées royaux des Beaux Arts in Brüssel besitzen eine der besten Sammlungen flämischer Malerei. Alle wichtigen Künstler sind mit Hauptwerken vertreten. © Philippe van Gelooven

In welchen Museen lassen sich die flämischen Meister am besten studieren?

Die Kunstlandschaft Flandern ist in etwa identisch mit dem heutigen Belgien. Antwerpen war das Epizentrum der flämischen Landschaftsmalerei. Da liegt es nahe, dass das dortige Koninklijk Museum voor Schone Kunsten mit Werken von Joachim Patinir bis zu Winterbildern von Jan Griffier eine bedeutende Sammlung besitzt. Leider ist es derzeit wegen Umbau geschlossen. In Antwerpen lohnt zudem ein Abstecher in das Museum Mayer van den Bergh mit seiner flämischen Malerei bis 1600. Ganz oben auf der Liste der wichtigen Adressen steht die Altmeistersammlung der Musées royaux des Beaux-Arts in Brüssel. Dort gibt es einen hervorragenden Bestand von Pieter Bruegel d. Ä., überhaupt ist fast jeder wichtige flämische Maler mit Hauptwerken vertreten. In allen großen europäischen Museen mit langer Sammlungstradition sind Landschaften aus Flandern zu entdecken. Der Prado in Madrid kann mit einer reichen Patinir-Kollektion punkten, der Louvre in Paris mit Jan Gossaert und Paul Bril, die Eremitage in St. Petersburg mit der Brueghel-Familie und David Teniers. Das Kunsthistorische Museum in Wien, das bis 13. Januar 2018 einen Großteil des Œeuvres Pieter Bruegels d. Ä. in einer sensationellen Schau zeigt, verfügt über die weltbeste Werkgruppe des Renaissancemalers. Schon dank der Verbindung der Habsburger zu den südlichen Niederlanden hat das Haus auch sonst viele herrliche flämische Landschaften zu bieten. Über die politischen und kulturhistorischen Hintergründe des langen Kriegs zwischen südlichen und nördlichen Niederlanden kann man sich bis 20. Januar 2019 im Amsterdamer Rijksmuseum in der spannenden Ausstellung „80 Years’ War“ informieren.

In Deutschland konkurriert die Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister mit der ebenfalls bestens bestückten Alten Pinakothek in München, die zudem viele sehenswerte Gemälde ihres Flamen-Bestandes im Zweigmuseum in Neuburg an der Donau zeigt. Natürlich ist die flämische Malerei auch in der Gemäldegalerie in Berlin prominent vertreten, ebenso in der Gemäldegalerie Alte Meister in Kassel. Das Staatliche Museum in Schwerin, in dem die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts von jeher ein Schwerpunkt ist, konnte durch die große Schenkung des Sammlers Christoph Müller im Jahr 2013 auch die flämische Malerei bedeutend stärken. Das Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen zeigt bis 3. Februar 2019 unter dem Motto „Chambre Privée. Flämische Meisterwerke aus dem Wohnzimmer eines Sammlers“ die beglückende Quintessenz einer fast vierzigjährigen Kunstleidenschaft.

Flämische Landschaften Kunstmarkt Sammlerseminar Thomas van Apshoven
Die Landschaft aus dem Umkreis von Thomas van Apshoven, um 1650, ist bei Maria Galen in Greven für 4000 Euro zu haben. © Galen Galerie

Welche Händler sind auf dem Gebiet aktiv?

Die Tefaf in Maastricht ist der Olymp der Altmeisterhändler. Hier kann man sich alljährlich im März am besten darüber informieren, was der Markt zu bieten hat. Die Preise sind hoch, dafür gibt es exzellente Qualität und gründliche Expertisen. Galerien wie De Jonckheere in Genf, Richard Green in London, Florence de Voldère in Paris, Koetser in Zürich, Sanct Lucas in Wien sind Institutionen, wenn es um flämische Malerei geht. Ebenso die Amsterdamer Kunsthandlungen P. de Boer, Salomon Lilian und Douwes Fine Art. Aber auch French & Company und Adam Williams Fine Art in New York oder der Genf ansässige Rob Smeets agieren in der Top-Liga auf diesem Gebiet. In Deutschland durchläuft der Altmeisterhandel gerade eine Talsohle. Erfreulich ist das Engagement von Maria Galen in Greven bei Münster. Seit ein paar Jahren pflegt sie ein ausgewähltes Angebot im erschwinglichen Preissegment. Einige der renommierten generalistischen Antiquitätenhändler, etwa Peter Mühlbauer in Pocking oder die Galerie Neuse in Bremen, bieten zuweilen einzelne qualitätvolle Stücke.

Flämische Landschaften Kunstmarkt Sammlerseminar Brueghel d.Ä.
Die atmosphärisch betörende „Flusslandschaft mit Fischern und einem Pferdewagen“ von Jan Brueghel d.Ä., gemalt auf Kupfer und wohl um 1605/10 entstanden, erzielte im November 2017 bei Lempertz samt Aufgeld 1,46 Millionen Euro. © Kunsthaus Lempertz/Saša Fuis Photographie

In welchen Auktionshäusern kann man die Werke der flämischen Meister ersteigern?

Im deutschsprachigen Raum haben sich Lempertz in Köln, das Dorotheum in Wien und Koller in Zürich als führende Auktionshäuser für Altmeister-Spitzenwerke positioniert. Für die globalen Multis Christie’s, Sotheby’s und Bonhams sind sie durchaus Konkurrenten. Nicht zu unterschätzen sind Van Ham in Köln, Im Kinsky in Wien oder Artcurial in Paris. Im Fokus sollte jeder Sammler auch Neumeister, Hampel oder Karl & Faber in München oder Nagel in Stuttgart haben. Hier picken selbst international agierende Händler gerne ihre Rosinen raus. Auch auf Stahl in Hamburg oder Leo Spik in Berlin kann man immer ein Auge haben.

Welche Bücher bieten eine gute Einführung in das Thema?

Den besten Überblick gibt der Katalog der Ausstellung „Die flämische Landschaft 1520 bis 1700“, die sich 2003/04 in Essen und Wien dem Thema widmete. Den geistigen Hintergründen geht der Katalog zur Dresdner Schau „Das Paradies auf Erden. Flämische Landschaft von Bruegel bis Rubens“ von 2016 nach. Wie groß der Forschungsbedarf ist, zeigt der Mangel an Monografien und Werkverzeichnissen. Gleich einen Monumentalband brachten Jürgen Müller und Thomas Schauerte 2018 bei Taschen heraus: „Pieter Bruegel. Das vollständige Werk“. Ein Standardwerk ist der Katalog der derzeitigen Bruegel-Ausstellung in Wien, und bei Hatje Cantz erschien unlängst der schöne Band „Bruegels Winterlandschaften“. Auf dem heutigen Markt ist Jan Brueghel d. Ä. die zentrale Figur. Zu ihm gibt es seit 2013 Mirjam Neumeisters „Gemälde von Jan Brueghel d. Ä.“.

Hier geht’s zum Sammlerseminar Flämische Landschaften.

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