In welchen Museen kann man den Blick auf die Kunst des kühlen Realismus in den Zwanzigerjahren schulen? Wo sind Häuser von Künstlern zu besichtigen? Wo kann man Werke kaufen? Unser Service zum Sammlerseminar gibt eine kompakte Übersicht
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16.09.2020
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 174
Die Neue Sachlichkeit ist mittlerweile weltweit in Museen präsent, aber die besten Bestände finden sich nach wie vor in Deutschland. An erster Stelle rangiert die Neue Nationalgalerie in Berlin, die allerdings wegen Sanierung geschlossen ist. Weil Berlin das Zentrum der Neuen Sachlichkeit war, fehlen Werke von Nussbaum, Schlichter und Jeanne Mammen auch in der Berlinischen Galerie nicht. Die Kunsthalle Mannheim, die der Bewegung mit ihrer Ausstellung von 1925 den Namen gab, hat einen hervorragenden Bestand. Im Frankfurter Städel Museum begegnet man Hubbuch, Radziwill, aber auch dem Sonderling Volker Böhringer. Dresdens Galerie Neue Meister im Albertinum setzt den Fokus auf die sächsischen Maler und auf Otto Dix. Eine der besten Dix-Sammlungen überhaupt besitzt das Kunstmuseum Stuttgart, darunter das berühmte »Großstadt«-Triptychon. Eine ganze Abteilung zur Neuen Sachlichkeit bietet das Lenbachhaus in München, aber auch in vielen anderen Museen wie der Staatsgalerie Stuttgart, dem Sprengel Museum in Hannover oder dem Aachener Suermondt-Ludwig-Museum kann man sein Auge schulen. In Österreich lohnt das Obere Belvedere in Wien, in Linz bietet das Lentos Kunstmuseum neusachliche Seherfahrungen. Die Schweizer Szene ist gut vertreten im Kunst Museum Winterthur. Einblick in das Schaffen einzelner Maler gewähren das Museum Haus Dix in Gaienhofen am Bodensee, das Otto-Dix-Haus in Gera oder das Christian Schad Museum, das demnächst in Aschaffenburg eröffnet wird. Im schweizerischen Berlingen, unweit von Konstanz, ist das authentisch erhaltene Adolf-Dietrich-Haus zu besichtigen. Den Nachlass des eigenbrötlerischen Malers bewahrt das Kunstmuseum Thurgau in Ittingen. Ein Magnet in Dangast an der Nordsee ist das Franz-Radziwill-Haus. Der 125. Geburtstag des Malers ist Anlass für die Ausstellung „Lichtspiele“ (bis Januar 2021). Und noch bis 23. August zeigt das Landesmuseum in Oldenburg, das die größte Radziwill-Sammlung besitzt, seine Jubiläumsschau. Der Beziehung von Fotografie und Neuer Sachlichkeit geht die Ausstellung „Welt im Umbruch. Von Otto Dix bis August Sander –Kunst der 20er Jahre“ ab 2. Oktober im Münchner Stadtmuseum nach.
Werke der Neuen Sachlichkeit erzielen gerade Höchstpreise, wie die letzten Auktionen bei Grisebach in Berlin, Lempertz und Van Ham in Köln, Ketterer und Karl & Faber in München, aber auch im Zürcher Haus Koller und im Wiener Dorotheum gezeigt haben. Nicht zu unterschätzen ist Schmidt in Dresden. Ständig im Auge behalten muss man Lehr in Berlin. Kunsthändler, die sich nur der Neuen Sachlichkeit widmen, gibt es nicht, aber viele Moderne-Galerien haben sie im Programm. Das Hochpreissegment bedient niemand üppiger als Richard Nagy in London. Solch eine Konzentration ist in Deutschland nicht zu finden, aber in Berlin gibt es mit den Galerien Berinson, Brockstedt, Fischer, Michael Haas, Jörg Maaß und Wolfgang Werner gleich mehrere Anlaufstellen. In München lohnt es unbedingt, mit der Galerie Michael Hasenclever und Kunkel Fine Art Kontakt aufzunehmen. In Österreich hat sich der Linzer Kunsthandel Freller auf diesem Gebiet einen Namen gemacht, in Wien sind die Galerie Schütz, die Galerie Widder sowie Kolhammer & Mahringer zu nennen. Schweizer Vertreter der Strömung vermitteln der kunstverkauf.ch in Zürich
und die Galerie Carzaniga in Basel.
Wieland Schmieds geschliffen analytisches Buch„Neue Sachlichkeit und Magischer Realismus in Deutschland“ (1969) ist immer noch das Standardwerk mit seiner genauen Aufschlüsselung von Sujetgruppen, stilistischen Klassifizierungen und zahlreichen Werkanalysen. Einen guten Überblick gibt auch Sergiusz Michalski in „Neue Sachlichkeit: Malerei, Graphik und Photographie in Deutschland“ (1992). Wichtige Publikationen entstanden zu Ausstellungen. Die Mannheimer Schau „Neue Sachlichkeit“ von 1925 beleuchtet der Katalog „Neue Sachlichkeit. Bilder auf der Suche nach der Wirklichkeit“ (1994). Ein Schlaglicht auf die sächsische Szene wirft „Neue Sachlichkeit in Dresden« (2011). Die Augen für die Schweizer Maler öffnet „Neu. Sachlich. Schweiz« (2017), und viele weniger bekannte Maler, die in Böhmen, Schlesien und abseits der Hauptzentren agierten, holt „Messerscharf und detailverliebt“ (2015) hervor. In die Welt der neusachlichen Zeichnung führt „Gefühl ist Privatsache“ (2010) ein.
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