Eva Kraus

„Leihgaben gestalten sich immer schwieriger“

Die Museen bleiben wegen der Corona-Maßnahmen weiterhin geschlossen. Ein Gespräch mit Eva Kraus, Intendantin der Bonner Bundeskunsthalle, über Ausstellungsplanungen, die Rolle der Galerien und langfristige Folgen der Pandemie

Von Simone Sondermann
26.11.2020

Frau Dr. Kraus, Sie haben im August 2020 Ihr Amt als Intendantin der Bundeskunsthalle angetreten, da hatten die Museen wegen der Corona-Krise schon schwierige Monate hinter sich. Wie haben Sie Ihr Haus vorgefunden?

Parallel zu meinen letzten Aufgaben für das Jubiläum 2020*20 im Neuen Museum Nürnberg habe ich interimistisch schon seit Anfang 2020 mit den Kuratorinnen in Bonn das künstlerische Programm weiter konzipiert und dadurch auch schon vor dem August den ersten Lockdown der Bundeskunsthalle sehr nah miterlebt. Alle waren in Alarmbereitschaft, aber mit diesem hoch professionellen, wunderbaren Team haben wir gemeinsam, mit vereinten Kräften versucht, so gut es eben ging, schnell umzuplanen.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihre Ausstellungsplanungen aus?

Bis auf die grandiose Beethoven-Ausstellung, die wir leider vorzeitig schließen mussten, konnten die Ausstellungen „State of the Arts“ und „Doppelleben“ im Frühsommer fast pünktlich öffnen, „Wir Kapitalisten!“ ist sogar noch verlängert worden. Leider musste aufgrund der sehr schwierigen und noch immer angespannten Situation in Israel und anderen Ländern eine von langer Hand geplante Ausstellung, ein Porträt zur heiligen Stadt Jerusalem, in diesem Winter ausfallen. Ein weitere internationales Kooperationsporjekt mit Japan ist höchst diffizil – und doch sind wir bester Hoffnung, dass meine „Antritts-Ausstellung“ Dress Code. Das Spiel mit der Mode, die ins kommende Frühjahr verschoben wurde, Ende März 2021 eröffnen kann.

Beobachten Sie eine Regionalisierung der Museen?

On the long run müssen Museen sicherlich umdenken, denn Leihgaben aus Übersee gestalten sich immer schwieriger. Bislang ist es jedoch noch zu früh, Tendenzen zu sehen, aber auch wir haben in diesem Winter, als wir spontan das Programm ändern mussten, auf planbarere Kooperationen innerhalb Deutschlands gesetzt. Da sind auch die Budgets belastbarer.

Kleid Bundeskunsthalle Dress Code
Ein französisches Kleid aus dem 18. Jahrhundert für die Mode-Ausstellung der Bundeskunsthalle im Frühjahr. © The Kyoto Costume Institute, Foto: Taishi Hirokawa

Wie sind Ihre Erfahrungen mit digitalen Angeboten?

Digitale Angebote sind dann gut, wenn sie professionell und abwechslungsreich sind. Wir arbeiten verstärkt an unseren Formaten und haben die Möglichkeit bekommen, dank einer BKM-Sonderförderung durch Neustart Kultur, einige neue Maßnahmen zu entwickeln.

Die Galerien sind weiterhin geöffnet, die Museen nicht. Fühlen Sie sich benachteiligt?

Gegenüber den Galerien müssen wir uns nicht benachteiligt fühlen, denn es ist wichtig, dass die Kulturwirtschaft weiter Unterstützung findet und finanziell funktioniert. Jedoch hätte ich mir schon gewünscht, dass die Politik bei den kulturellen Institutionen stärker differenziert. Insbesondere bei den Museen und Kunsthallen wären weitere Öffnungen trotz Kontaktbeschränkung meines Erachtens möglich. Unsere Sicherheitsstandards sind sehr viel höher als in den Großmärkten beispielsweise.

Hat sich Ihre Sicht auf das, was Museen leisten können und sollten, durch die Corona-Krise verändert?

Es wird in pandemischen Zeiten verstärkt klar, dass Museen nicht nur einen hohen kulturellen Freizeitwert haben, sondern insbesondere Bildungseinrichtungen sind. Unserem Publikum bedeuten die Begegnungen und Erfahrungen, die es bei uns machen kann, gerade in diesen Tagen viel. Verstärkt müssen wir ein Augenmerk darauf haben, dass wir ein breites, inklusives Programm anbieten, für das sich viele Besucher*innen interessieren können. Ich plädiere unbedingt dafür, zahlreiche Begegnungen mit der Kunst und der Kultur weiterhin anzubieten und zu ermöglichen – sie sind so wichtig für die Werte unserer Zivilgesellschaft, Museen dürfen nicht in den Rückzug gehen und an Relevanz verlieren!

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