Was ist eine Alhidade, und was unterscheidet den Quadranten vom Sextanten? Wo kann man wissenschaftliche Instrumente sehen und wo kaufen? Unser kompakte Übersicht gibt Antworten
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16.12.2020
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 160
Äquatorialsonnenuhr: Bei dieser Sonnenuhr wird das Zifferblatt entsprechend dem Breitengrad, auf dem sich der Benutzer befindet, durch Aufklappen einer Scheibe oder eines Rings in eine dem Äquator parallele Position gebracht. Dadurch wird der schattenwerfende Polstab zur Erdachse ausgerichtet.
Alhidade: Winkelmessgeräte besitzen eine Schiene bzw. einen Zeigerarm, mit denen das Ziel avisiert wird. Dieser Teil wird Alhidade genannt und ist in der Regel mit zwei senkrecht stehenden Plättchen (darin Löcher oder Schlitze) ausgestattet.
Armillarsphäre: Sie diente dem Verständnis und der Berechnung von Planetenkonstellationen zu verschiedenen Jahreszeiten. Bestehend aus mehreren beweglichen Ringen, die Laufbahn und Stellung der Planeten um ein Zentralgestirn darstellen. Wichtige Elemente sind der Horizont mit einer Gradeinteilung sowie der auch Vertikalkreis bezeichnete Meridian. Bis Ende des 17. Jh. folgten die Instrumentenbauer dem ptolemäischen bzw. geozentrischen oder terrestrischen Weltbild, das die Erde ins Zentrum der Gestirne stellt und auf Theorien des antiken Wissenschaftlers Claudius Ptolemäus basiert. Nikolaus Kopernikus’ Erkenntnis von der Sonne als Zentrum des Universums setzte sich nur allmählich durch.
Astrolabium: Das scheibenförmige, senkrecht aufgehängte Instrument mit einem nicht konzentrisch angeordneten Kreis veranschaulicht die Bewegung der Planeten. Es besteht aus fixen Elementen, die den Horizont und die entsprechenden Monate abbilden, sowie aus drehbaren Planetenbahnen. Astrolabien, die es schon in der Antike gab, bildeten den sich verändernden Himmel nach und dienten auch als Kalendarium. Durch Anpeilen von Sternen mit einem Zeiger konnten Tag und Uhrzeit berechnet werden.
Ewiger Kalender: Er folgt astronomisch-mathematischen Berechnungen und kann in Form von übereinanderliegenden Scheiben oder als Tabelle ausgeführt sein. Durch die Fixierung des Tags oder des Monats können Wochentage, Feiertage, Mondphasen und mitunter auch Sonnenauf- und -untergang abgelesen werden.
Gnomon: Wie Polos ein Begriff für den Schattenwerfer der Sonnenuhr. Die Besonderheit des Gnomon liegt in der festen, senkrecht zur Erdoberfläche stehenden Fixierung. Solche Sonnenuhren sind nur an dem für sie bestimmten Ort brauchbar. Jahreszeitliche Veränderungen des Sonnenstandes werden durch ein Liniensystem zur Stundenablesung sichtbar gemacht.
Horizontalsonnenuhr: Die meisten Tischsonnenuhren, bestimmt für eine Kunstkammer oder Bibliothek, sind nach diesem Prinzip gebaut und ruhen im rechten Winkel zur Erdoberfläche.
Klappsonnenuhr: Sie besteht aus einer Bodenplatte mit integriertem Kompass und einer Deckklappe, die innen Tafeln mit Polhöhen und Orten aufweist, nach denen der Polfaden ausgerichtet werden kann. Vor allem als Reisesonnenuhr verwendet, enthielt sie mitunter auch Multiplikationstabellen oder Ewige Kalender. Sammler schätzen an den meist aus Elfenbein gefertigten Exemplaren die zarten, farbigen Dekorationen.
Polos: Schattenwerfer einer Sonnenuhr. Der Begriff Polos verrät, dass er parallel zur Erdachse positioniert werden muss. Siehe Gnomon.
Quadrant: Streng genommen nichts anderes als ein Viertelkreis mit einer Einteilung zwischen 0 und 90 Grad. Mittels eines Lots oder einer Messschiene kann der Neigungswinkel zu anderen Objekten ermittelt werden. Ursprünglich ein astronomisches Instrument zur Ermittlung des Höhenwinkels von Gestirnen, hatte der Quadrant seit dem 15. Jh. besondere Bedeutung in der Nautik und der Geodäsie.
Sextant: Winkelmessgerät, mit dem vor allem auf See der Abstand eines Gestirns vom Horizont gemessen wird. Daraus lässt sich die Schiffsposition ermitteln. Der Name leitet sich von der Größe der Messskala ab. Sie beträgt mit 60 Grad ein Sechstel des Kreises. 1699 entwickelte Isaac Newton den Spiegelsextanten. Dessen halbdurchlässiger Spiegel auf der Peilschiene ermöglicht das gleichzeitige Erfassen von Horizont und reflektiertem Gestirn.
Sternuhr: Auch Nokturnal. In der Nacht war der Polarstern der fixe Orientierungspunkt. Durch das Einstellen des Datums auf einer Scheibe, die zur besseren Handhabung in der Dunkelheit oft einen Zackenrand aufweist, und das Verschieben der Peilschienen in Richtung Großer Bär oder Kassiopeia wurde die Uhrzeit angegeben.
Theodolit: Mit diesem Winkelmessgerät, das die Instrumentenbauer schon im frühen 17. Jh. beschäftigte, können horizontale wie vertikale Messungen vorgenommen werden. Durch den Einsatz von Zielfernrohren erhöhte sich die Genauigkeit der Ergebnisse um ein Vielfaches. Von Sammlern vor allem wegen ihrer technischen Raffinesse geschätzt.
Unvergleichlich und überwältigend ist der Mathematisch-Physikalische Salon im Dresdner Zwinger. Zwei Meter breite sphärische Brennspiegel aus der Renaissance stehen hier neben mannshohen Quadranten des 16. Jh. und tellergroßen Winkelmessern. Seit 1560 sammelten die sächsischen Kurfürsten wissenschaftliche Instrumente, insgesamt mehr als 1000 Objekte. Ein anderer wissenschaftsbegeisterter Regent – und selbst angesehener Astronom – war Landgraf Wilhelm IV. von Hessen. Schon 1560 baute er in Kassel eine kleine Sternwarte. Der Astronomenfürst gab damit den Anstoß für eine Sammlung von Teleskopen, Mikroskopen und Rechenmaschinen, die heute als Astronomisch-Physikalisches Kabinett im Orangerieschloss in der Kasseler Karlsaue untergebracht ist. Von Beginn an sammelte das 1903 gegründete Deutsche Museum wissenschaftliche Instrumente aus früheren Jahrhunderten. Als Technikmuseum ist die Münchner Institution breit aufgestellt, herausragend aber ist ihre Astrolabiensammlung. Aus der Wittelsbacher Schatzkammer und aus bayerischen Universitäten stammen zahlreiche Exponate des Bayerischen Nationalmuseums. Ein Teil des Instrumentenbestandes ist in der Burg Trausnitz in Landshut ausgestellt: In dem Landshuter Zweigmuseum des BNM dreht sich alles um die Kunst- und Wunderkammer Herzog Albrechts V. Im Bielefelder Museum Huelsmann zeigt die Sammlung des Stifters einen repräsentativen Querschnitt von Sonnenuhren bedeutender Hersteller. Und wo, wenn nicht im Augsburger Maximilianmuseum sollte man die europaweit gefragten Werke der hervorragenden Instrumentenbauer dieser Stadt besser bestaunen können? Dort ist auch die Gelehrtenstube von Christoph Schissler nachgebaut.
Ein Instrumentenzentrum war auch Wien. Die Bedeutung der Sammlung im Kunsthistorischen Museum basiert vor allem auf Stücken, die Kaiser Rudolf II. in Auftrag gab. Der legte Wert auf große Talente wie Johann von Gmunden, Erasmus Habermel oder Christoph Schissler. Paris besitzt mit dem Musée des Arts et Métiers eine sehenswerte Sammlung. In London sind das Science Museum, wo das Goldene Zeitalter des Londoner Instrumentenbaus in einer jüngst neu eingerichteten Galerie im Fokus steht, und das National Maritime Museum in Greenwich mit bedeutenden nautischen Erfindungen Pflichtprogramm. Das Museo Galileo in Florenz beherbergt selbstverständlich Instrumente, die Galilei benutzt hat, aber auch vieles aus dem Besitz der Medici. Eine Entdeckung dürften noch die Schätze der Jagiellonen-Universität in Krakau sein, wo unter anderem Kopernikus im 16. Jh. geforscht hat.
Die Zahl der Antiquitätenhändler, die sich ausschließlich auf wissenschaftliche Instrumente konzentrieren, ist in Europa wahrscheinlich an einer Hand abzuzählen. Einer, der in diesem Gebiet immer wieder neue Horizonte eröffnet hat, ist Simon Weber-Unger in Wien. In seinem Wissenschaftlichen Kabinett verkauft er längst nicht nur Vermessungsgeräte und Mikroskope aus der Zeit Maria Theresias. Seine Vitrinen füllen Kristallmodelle und Reizstromgeräte ebenso wie Mondfotografien von Maurice Loewy aus der Zeit um 1900. Traditioneller aufgestellt ist die Pariser Galerie Delalande mit einem breiten Angebot an Sonnenuhren, Mikroskopen und Messgeräten aus Renaissance und Barock. Spek-takuläre Armillarsphären und frühe Meisterwerke des Instrumentenbaus gehören traditionell zum Angebot der Galerie J. Kugel in Paris und natürlich des Kunstkammerspezialisten Georg Laue in München. Aber auch auf anspruchsvollen Antikmessen trifft man immer wieder auch Händler, die zwischen Majolikagefäßen, Mörsern und Münzpokalen Schrittzähler oder Zeichenbestecke anbieten. Der größte Marktplatz für Objekte zwischen High and Low aber ist noch immer die Antique Scientific Instrument Fair in London, ausgerichtet von der Scientific Instrument Society.
Sotheby’s, Christie’s und das Wiener Dorotheum bieten regelmäßig Spezialauktionen an. Auch Bonhams in London ist eine gute Quelle, in den USA hat sich vor allem Skinner in Boston auf dem Gebiet profiliert. Andere Häuser katalogisieren die Instrumente unter Reise- und Naturgeschichte. Flint im südenglischen Aldermaston fasst „Fine Science“, Medizin und Fotografika zusammen. Entdeckungen lassen sich aber auch immer wieder bei den Generalisten wie Nagel in Stuttgart, Neumeister in München oder Lempertz in Köln machen.
Ralf Kerns stattliche, herrlich bebilderte Bände über „Wissenschaftliche Instrumente in ihrer Zeit“ (2010–19) sind derzeit das Opus magnum zum Thema. Nach wie vor empfehlenswert ist Maurice Daumas’ „Scientific instruments of the seventeenth and eighteenth Century and their makers“ (1972). Viele Autoren widmen sich Teilgebieten, so erzählt Dieter Gerlach die „Geschichte der Mikroskopie“ (2009). Kompakter ist Simon Weber-Ungers und Timo Mappes’ Schnellkurs über „Bedeutende Mikroskope 1680–1860“ (2008). Immer noch als Standardwerk bewährt sich René R. J. Rohrs bis auf Babylon zurückblickendes Buch „Die Sonnenuhr. Geschichte, Theorie, Funktion“ (1982).
Hier geht’s zum Sammlerseminar über wissenschaftliche Instrumente.