In der Renaissance und im Barock entstanden raffinierte Geräte, um die Welt zu vermessen und die Himmelskörper zu veranschaulichen. Es sind Objekte mit hohem Kunstanspruch, faszinierend für Technikfreaks wie für Ästheten. Unser Sammlerseminar zeigt: Auch mit kleinerem Geldbeutel lassen sich sehr schöne Stücke erwerben
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16.12.2020
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 160
Dass Wissenschaft und Schönheit ein Gegensatz seien, glaubt nur, wer noch nie den Blick in die Vergangenheit warf. Ein astronomisches Reisebesteck des 16. Jahrhunderts kann so reizvoll sein wie ein indisches Mandala. Von außen erinnert es an ein reich verziertes Notizbuch oder an eine Puderdose, innen offenbart sich ein wissenschaftliches Kompendium mit Einlegeplättchen unterschiedlicher Funktionen. Da reihen sich die zwölf Sternzeichen als fantasievolle Himmelswesen um einen kleinen Kompass, Zahlenkreise mit römischen und arabischen Ziffern ziehen in klarer, schöner Schrift ihre Bahnen. Eine andere Scheibe zeigt ein Spinnennetz, hinter dem sich der Schattenwurf einer Sonnenuhr zu verschiedenen Jahreszeiten ablesen lässt. Oder ein drehbarer Arm misst auf den dichten Gitterlinien einer Erdscheibe den Neigungswinkel zum Äquator. Wo keine wissenschaftliche Information untergebracht ist, gibt es fein gravierte Ornamente oder Wappen, während pausbäckige Puttenköpfe den Wind in alle Himmelsrichtungen blasen.
Das Sammeln von wissenschaftlichen Instrumenten der frühen Neuzeit ist eine Reise durch die Menschheitsgeschichte. Um 1460 wurde der Kompass ein gängiges Instrument zur Orientierung. Es war die Zeit des frühkapitalistischen Aufbruchs. Die Geldwirtschaft löste den Naturalienhandel ab, und mit der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus im Jahr 1492 wuchsen die Träume von Galeeren voller Gold und Luxusgüter. Nautische Kenntnisse wurden so wichtig wie ein gut ausgebautes und kartografiertes Wegesystem.
Die Welt begann, sich neu zu ordnen – auch in den Wissenschaften. Ein neues, von der Theologie losgelöstes Denken über den Zusammenhalt der Welt setzte ein. Humanisten wie Erasmus von Rotterdam, Ulrich von Hutten und Philipp Melanchthon verbreiteten ein modernes Menschheitsideal. Martin Luther und die Reformation ist ein weiteres Kapitel dieser bewegten Epoche, in der die Mathematik und die Geometrie die Inspiration aller Wissenschaften lieferte.
Die Naturwissenschaft brauchte Instrumente für die drei Grunddisziplinen: Messen, Wiegen, Zählen. Und der Mensch benötigte zu See und zu Lande Instrumente der Orientierung wie ewige Kalender, Astrolabien und Sonnenuhren. Viele Instrumente wie die Erfindung des Teleskops 1608 oder des Luftdruckbarometers um 1648 lassen die Innovationsschübe erkennen, die Wissenschaft und Technik in der Renaissance und im Barock erfuhren. Die andere Seite ist die Ästhetisierung von Mathematik, Astronomie und Optik, schließlich galt die Wissenschaft als eine Kunst. Davon zeugen feine Gravuren, dekorativ durchbrochenes Gitterwerk, Zierränder, vergoldete Stäbe oder skulpturale Elemente. Das goldglänzende Messing als bevorzugtes Material tat seinen Teil dazu. Die geheimnisvollen, raffinierten Geräte hatten ihren Platz in den höfischen Kunstkammern: Herrschaft über Wissen bedeutet die Beherrschung der Welt.
Es gibt schon lange wieder eine Lust zu staunen. Auch das ist ein Grund, warum ein astronomischer Sonnenring oder eine kleine Rechenmaschine mit dicht nebeneinander liegenden Zählscheiben, wie sie um 1645 der französische Mathematiker Blaise Pascal erfunden hat, nicht nur von Museen beachtet wird. „Die vielen Geheimnisse, die sich in diesen Dingen verbergen, sind bis heute ein Teil ihrer Attraktivität“, sagt Eric Delalande, der in Paris seit über vierzig Jahren mit wissenschaftlichen Instrumenten handelt.
Die Funktion vieler Geräte ist uns heute nicht mehr bewusst und es ist die große Ausnahme, dass jemand wie der Pariser Instrumentenbauer Philippe Danfrie 1587 auf eine rechteckige Messingplatte mit Lot und allerhand Maßstrichen schrieb: „Cest instrument est apelle Niveau“ – „Dieses Instrument wird Höhenmesser genannt“. Mit seiner Würfelmuster-Skalierung, die parkettartig und in bester Zentralperspektive ein Fußbodenmuster sein könnte, ermöglichte das Gerät Landvermessern eine Winkelgenauigkeit bis auf einen halben Grad. Es gehört derzeit zu den interessantesten und bedeutendsten Exponaten in der Galerie Delalande.
Mit einem Preis um 100.000 Euro gehört Danfries Höhenmesser zu den teuren Objekten, doch beim Sammeln von wissenschaftlichen Instrumenten ist man durchaus schon mit kleinerem Geldbeutel dabei. Im Dorotheum etwa wechselte ein Pariser Proportionszirkel des 17. Jahrhunderts 2016 für 1000 Euro den Besitzer, ein englisches Reißzeug der Zeit um 1800 kostete dort letztes Jahr 560 Euro. Immer wieder sind schöne Stücke in diesem Segment zu entdecken.
Es mag paradox erscheinen, aber die Erkundung unserer Erde begann mit der Beobachtung des Himmels. Seefahrer agierten mit dem Jakobstab und orientierten sich schon früh an den bekannten Fixsternen. Die Mondphasen wurden Berechnungsgrundlage für Kalendarien, die unserem Lebensrhythmus eine vorausschaubare Struktur verleihen. Den Lauf der Gestirne zu verstehen, das gab den Menschen auch einen Einblick in den Bauplan Gottes. Erste astronomische Globen entstanden um 1480 in der Werkstatt des Wiener Physikers und Mathematikers Hans Dorn. Die mechanischen Armillarsphären, die Planetenkonstellationen und Himmelsbewegungen vor Augen führen, kamen um 1530 auf. Egal wie viele Planeten sie berücksichtigen, sie sind philosophische Weltbilder; denn noch stand die Erde im Zentrum des Universums.
Die Uhrwerke des Himmels, wie die Armillarsphären genannt wurden, manifestierten mathematisch-astronomische Kenntnisse und dienten ihren Besitzern zugleich als prestigeträchtige Schaustücke. Auf ihren astronomisch exakt angeordneten Reifen ließ sich der Äquator ausmachen und der Verlauf der Sonne verfolgen, aber auch der Wendekreis des Krebses, jener Moment, wenn der Winter in den Frühling überspringt. Auf schöne Gestelle platziert, entwickelte die Dreidimensionalität und die Dynamik der Reifen eine skulpturale Anschaulichkeit, hinter der Zeichnungen und Drucke, die diese Probleme darstellten, verblassten. Welcher Fürst wollte auf so ein Renommierobjekt verzichten? Der Mathematiker und Instrumentenbauer Caspar Vopelius aus Köln jedenfalls hatte mehr als nur einen Kunden; zehn Armillarsphären aus seiner Werkstatt sind bis heute erhalten. Bei Sotheby’s in New York erzielte letzten November ein Exemplar von 1549 samt Aufgeld 125.000 Dollar.
Noch bis Ende des 17. Jahrhunderts bauten viele Hersteller ihre Ringkugeln nach dem geozentrisch oder terrestrisch genannten System. Wie etwa der Mechanikus Christian Carl Schindler, der in Halle und Wien tätig war. An Feinheit kaum zu übertreffen ist seine um 1700 entstandene Armillarsphäre, die im Herbst 2007 im Dorotheum die Taxe von 50.000 bis 80.000 Euro rasch hinter sich ließ und auf 306.000 Euro brutto stieg. Die These von der Sonne als Zentrum des Universums, die Nikolaus Kopernikus schon 1543 formulierte, hat Schindler und viele andere lange nicht überzeugt. Erst der Franzose Jean Pigeon baute kurz nach 1700 als einer der Ersten eine heliozentrische Armillarsphäre. In ihrer Symbolik blieben diese Geräte aber, was sie immer waren: Ausdruck der Harmonie des Kosmos. Sie bekrönten Prunkuhren, und für die Kunstkammern setzten Bildhauer Atlasfiguren aus Bronze vergoldete Sphären auf die Schulter. Die Balance der Welt war ein hohes Gut.
Was die Armillarsphären in der Dreidimensionalität vorführen, verdeutlichten schon in der Antike die scheibenförmigen Astrolabien. Verschieden eingeteilte, übereinanderliegende Tafeln bilden den sich bewegenden Himmel nach. Mit dem „Rechenschieber des Himmels“ lässt sich die eigene Position bestimmen, das Datum und auch die Uhrzeit, denn auf der Rückseite befindet sich eine Peilschiene, mit der die Höhe der Gestirne gemessen werden konnte.
Astrolabien zählen aufgrund ihrer mathematischen Komplexität zu den faszinierendsten Instrumenten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Auf Auktionen sind sie Höhepunkte, wenn sie perfekt erhalten sind. So kostete vor zwei Jahren ein Messing-Astrolab von 1632, signiert und datiert von dem Pariser Drucker und Kartenstecher Melchior Tavernier, bei Christie’s London mit Aufgeld 137.000 Pfund. Spitzenreiter in diesem Bereich sind jedoch die islamischen Arbeiten. Knapp 1 Million Pfund erzielte Sotheby’s 2014 in London für ein Astrolabium, das al-Ahmar al-Nujumi al-Rumi 1505/06 für die Schatzkammer des osmanischen Sultans Bayezid II. fertigte.
Während Karl der Große um 800 von seinen Mathematikern nicht mehr erwartete als die genaue Bestimmung der Ostertage, konnte sich Kaiser Maximilian II. im 16. Jahrhundert auf exakte Stundenmessungen seiner Sonnenuhr verlassen. Egal wo er gerade residierte, denn die Zeitmessung wurde mit der Sonnenuhr mobil. Heute ist Maximilians säulenähnliche Sonnenuhr aus dem Jahr 1548, an der ein zarter Stab als Schattenwerfer dient, im Kunsthistorischen Museum in Wien ausgestellt. Rund um den Zylinder zeigen kurvenförmige Linien, die dem von Monat zu Monat veränderten Einfall des Sonnenlichts entsprechen, die Uhrzeit an.
Die Sonnenuhr war das wichtigste Messinstrument der Renaissance. Schon um 1530 lieferten Traktate und Lehrbücher, etwa Georg Hartmanns „Fabrica horologiorum“ oder Peter Apians „Instrument Buch“, Vorlagen und Anleitungen für die Hersteller. Und es gab viele Methoden. Ringsonnenuhren messen die Uhrzeit durch einen Lichtpunkt auf der Innenseite eines Reifens, erzeugt durch den jeweiligen Einfallswinkel der Sonnenstrahlen. Äquatorialsonnenuhren und Horizontalsonnenuhren sind die häufigsten Typen, eine formale Kuriosität die Kreuzsonnenuhren.
Wie immer die Zeitmesser konstruiert waren, die künstlerische Seite wurde nie vernachlässigt. Es gibt vielfältige Ornamente, manchen Anzeigentafeln sind ganze Reiterscharen, Stadtansichten, Weltkarten ins Metall graviert. Das Zentrum der Instrumentenbauer im deutschsprachigen Raum wurde Augsburg. Ein Blick auf die jüngsten Auktionsergebnisse im Dorotheum zeigt, dass die Ausstrahlung der dortigen Meister bis heute anhält: Eine Ringsonnenuhr von Johann Willebrand (um 1710) kletterte von 3000 auf 8100 Euro brutto, eine Äquatorialsonnenuhr von Johann Martin (um 1680) verdoppelte ihre Taxe auf 12.500 Euro.
Die Sonnenuhren blieben bis um 1800 die genauesten Zeitmesser und gehörten ins Programm jedes Instrumentenbauers. Meist klein und fein, ausgestattet mit einem Kompass, einem Schattenwerfer (in der Fachsprache auch Gnomon genannt) und einer strahlenförmigen Stundenanzeige passten sie in die Rocktasche eines jeden Gentleman. Sie sind ein beliebter Einstieg in das breit gefächerte Sammelgebiet der wissenschaftlichen Instrumente, denn ihr spielerischer Charakter spricht stärker an als die funktionale Ästhetik von Feldmessgeräten. Mit etwas Glück kann man schon für 2000 bis 3000 Euro Stücke von namhaften Meistern ersteigern.
„Für viele ist eine Sonnenuhr oder ein Zirkelsatz in einem Etui aus Haifischhaut ein interessantes Accessoire, um die Atmosphäre eines Studiolos zu erzeugen“, erläutert der Münchner Kunstkammerspezialist Georg Laue. Doch für den Kenner geht die Wertschätzung weit über das Dekorative hinaus. „Ganz entscheidend ist die Komplexität der Funktionen, die Universalität und Qualität der Ausführung. Und das ist meistens nur in Zusammenhang mit den wirklich bedeutsamen Werkstätten und Meistern zu haben“, so Laue.
Ein genialer Allrounder der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, gefragt in ganz Europa, war Christoph Schissler in Augsburg. Er war von der Meisterschaft der dortigen Silberschmiede beeinflusst, war vielseitig und originell und hatte ein herausragendes Gespür für Präzision und Schönheit der Geräte. Schisslers Mischung aus hohem wissenschaftlich-technischem Niveau und ästhetischer Noblesse hat ihren Preis: Im Mai 2015 versteigerte Bonhams in London eines seiner kombinierten Messing-Astrolabien mit Sonnenuhr für 146.500 Pfund samt Aufgeld.
Der sächsische Kurfürst August I., der 1553 auf den Thron kam und wissenschaftliche Neuerungen mit Begeisterung verfolgte, war ebenfalls Kunde von Schissler. Aber er hatte mit Christoph Trechsler auch einen eigenen, höchst talentierten Instrumentenbauer am Hof. Dem Kurfürsten ging es nicht allein um Prestigeobjekte. Sachsen war reich an Bodenschätzen, da waren geodätische Messgeräte ein Mittel zum Zweck. Eine andere Leidenschaft Augusts waren die Vermessung seines Landes und die Erfassung von Entfernungen. Auf einer Reise nach Regensburg ließ er einen Wegmesser an der Achse seiner Kutsche anbringen und registrierte voller Wissensdurst die exakten Strecken zwischen den Orten.
Bis heute ist Trechslers Wegmesser, dessen Gehäuse ein ziselierter Vogelhecken-Fries verziert, im Mathematisch-Physikalischen Salon zu bestaunen. Wer die einzigartige Sammlung im Dresdner Zwinger besucht, wird allerdings auch erkennen, dass die Kunst des Instrumentenbaus und das Militär sich nahestanden. Waren die Quadranten geeignet, Abstand und Höhe von fern liegenden Häusern, Berggipfeln und Flussbreiten festzustellen, so waren sie ebenso nützlich, um Kanonen ballistisch auszurichten.
Während man kurz nach der Erfindung des Teleskops im Jahr 1608 Objekte vorwiegend über große Distanzen hinweg heranzoomte, kehrte sich die Perspektive bald um und der Mikroskopie gelang das Blow-up des Naheliegenden. Nach neuesten Forschungen war das erste Mikroskop um 1620 in Gebrauch. Das simpelste Modell besteht aus einem fein gedrechselten, balusterförmigen Schaft mit aufmontierter Lupe, hinter der ein Messingdorn das Objekt der Beobachtung aufspießt. Mehr als ein Jahrhundert beherrschte der 1720 erfundene dreibeinige Culpeper-Typ den Markt. Edward Culpepers Coup: eine Zwischenlinse und ein zweigeteilter beweglicher Tubus. Ein schönes Exemplar dieses Typs, um 1730/40 wohl von Matthew Loft in London hergestellt, bietet Delalande in Paris für 20.000 bis 25.000 Euro an.
London war die Hochburg des Mikroskops, hier konkurrierten Optik-Ingenieure wie Benjamin Martin, John Marshall oder Edward Scarlett miteinander. Eine Verbesserung der Handhabung gelang John Cuff, als er Modelle mit einem Stativ einführte, an dem der Tubus mittels einer Schraube verstellt und die Brennweite variiert werden konnte. Ein einfaches Exemplar des Cuff-Typs aus dem späten 18. Jahrhundert kostete 2011 bei Christie’s mit Aufgeld 5000 Pfund.
Aber auch Mikroskope konnten zu Prunkobjekten werden. In Paris brachte der Herzog von Chaulnes 1749/50 die Fähigkeiten von Claude-Siméon Passemant, der Mikroskope mit 1000-facher Vergrößerung konstruierte, und die Kunst des Bildhauers und Bronziers Jacques Caffieri zusammen und ließ von den beiden eine Serie höchst prachtvoller Mikroskope auf rocaillengeschwungenen Gestellen herstellen. Ludwig XV. reichte sein Exemplar an Madame de Pompadour, seine Mätresse, weiter, denn beim Teekränzchen amüsierte der Blick auf eine riesig vergrößerte Laus durchaus die Gemüter. Eines der bislang neun bekannten Exemplare ging 2008 via Sotheby’s Paris für 900.000 Euro brutto in eine deutsche Privatsammlung.
Das so begehrte Mikroskop war in perfektem Zustand, denn auch bei wissenschaftlichen Instrumenten hat sich ein hoher konservatorischer Anspruch durchgesetzt. Originalität und Authentizität sind das Maß aller Dinge und bestimmen den Preis mit. Die Ergänzung von fehlenden oder desolaten Teilen sollten Sammler deshalb in die Hände von Profis geben. Viele Uhrmacher haben ein Gespür für die Mechanik der Vergangenheit und manchmal auch ein Ersatzteillager mit zeittypischen Federn, Zeigern, Schrauben. Metallrestauratoren wissen, wie ein matt gewordenes Messingobjekt wieder Ausstrahlung bekommt, ohne ihm die Patina zu rauben. Akzeptieren Sie bei Instrumenten, mit denen gearbeitet wurde, Gebrauchsspuren. Feuchtigkeit und Erosion, übertriebene Reinigung und unachtsame Handhabung der Geräte dagegen haben schon manchem Instrument den Garaus gemacht.
Es ist ganz offensichtlich, dass der Instrumentenbau durch die Wissenschaft seine Regieanweisungen erhielt, aber jede Epoche hatte ihren speziellen Fokus. Ralf Kern, Autor eines vierbändigen Standardwerks zum Thema, fasst es schlüssig zusammen: „In der frühen Neuzeit und der Renaissance waren die geodätischen Kenntnisse sehr eng mit dem Fortschritt in der Astronomie verknüpft. Im Barock rückte die Zeitmessung in den Mittelpunkt. Die Gerätschaften lieferten Messergebnisse mit stetig steigender Präzision. Zur Zeit der Aufklärung und mit dem Aufkommen der praktischen Wissenschaften verlor die künstlerische Seite an Bedeutung. Die solide Konstruktion bestimmte den Wert eines Instruments.“
Im 18. Jahrhundert verlagerte sich das Zentrum des Instrumentenbaus nach England. Konstrukteure wie Jesse Ramsden, Erfinder der Kreisteilmaschine, oder John Dollond, der Fernrohr- und Teleskopspezialist, lieferten die besten Lösungen für wissenschaftliche Experimente. Aber auch Paris hatte mit Claude Langlois und Claude-Siméon Passemant fähige Instrumentenbauer. In Deutschland setzten der Pfarrer und Mechanikus Philipp Matthäus Hahn und der Optiker Johann Heinrich Tiedemann die Tradition fort. International konnte sich allerdings nur der Augsburger Georg Friedrich Brander behaupten, der sich auf die neuen Anforderungen der Wissenschaft einstellte. Er reüssierte mit Pumpen, Haar-Hygrometern zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit und außergewöhnlichen Instrumenten für den Bergbau. Den größten Respekt brachte ihm ein Glasmikrometer ein, bei dem ein einziger Millimeter durch Diamantritzungen in 30 Abschnitte unterteilt war.
Die Aufklärung und der beginnende Siegeszug der Dampfmaschine setzten der Zeit der Kunstkammerobjekte ein Ende. Aus den dekorativen Messgeräten von einst wurden im 19. Jahrhundert funktionale Instrumente, die mit ihrer Maschinenästhetik das Industriezeitalter wiederspiegelten. Moderne Apparate sind ein eigenes, nicht minder faszinierendes Sammlerseminar. Im Jahr 1912 auf der Pariser Luftfahrtschau wandte sich der Kunstrevolutionär Marcel Duchamp an den Bildhauerfreund Constantin Brâncuși: „Wer kann etwas Besseres machen als diese Propeller. Können Sie es?“ Technik hatte in allen Epochen ihre Schönheit. Man muss sie nur wahrnehmen können.
Hier geht’s zum Service des Sammlerseminars über wissenschaftliche Instrumente.