Aus unserer Reihe Kunst und Recht: Wann und inwieweit haftet ein Versteigerer für seine Katalogbeschreibungen? Diese Frage beschäftigt die Gerichte schon seit Jahrzehnten in verschiedensten Fallgestaltungen
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04.01.2021
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 16
Ein Auktionshaus verwöhnt seine Kunden meist mit einem schön aufgemachten, gut sortierten Katalog, in dem alle aufzurufenden Lose ausführlich beschrieben sind. So können sich potenzielle Käufer schon vorab ein Bild von den Kunstwerken machen – und ihre Lieblinge gedanklich schon mal in den Einkaufswagen legen.
Doch auch dem gewissenhaftesten Auktionshaus unterlaufen gelegentlich Fehler. So kann es schon mal vorkommen, dass der hauseigene Sachverständige eine nachträglich aufgesetzte Signatur übersieht. Dann wird im Katalog als Original plötzlich eine Fälschung angeboten – und das Unheil nimmt seinen Lauf. Wenn der Käufer das dann nachträglich bemerkt, wird er sich natürlich an das Auktionshaus halten, auf dessen Expertise er sich verlassen hat. Doch wann und inwieweit haftet ein Versteigerer für seine Katalogbeschreibungen? Diese Frage beschäftigt die Gerichte schon seit Jahrzehnten in verschiedensten Fallgestaltungen.
Grundsätzlich ist ein Käufer nach §§ 437Nr. 2,434BGB zum Rücktritt von einem Kaufvertrag berechtigt, wenn die Ware „mangelhaft“ ist. Das ist sie nach §434Abs.1BGB dann, wenn sie nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit hat. Oder wenn sie sich nicht für die vorausgesetzte/ gewöhnliche Verwendung eignet.
Der Bundesgerichtshof allerdings befand 1980 (BGH, Urteil vom 13. Februar 1980 – VIIIZR 26/79), eine Katalogbeschreibung ohne Künstlerangabe sei keine Eigenschaftszusicherung durch den Verkäufer. Der Katalog eröffne lediglich die Möglichkeit, sich im Vorfeld über die Auktionsgegenstände zu informieren und enthalte darüber hinaus keine Garantie. Anders, so der BGH 1975, sei aber unter Umständen dann zu entscheiden, wenn ein Künstler im Katalog genannt und darüber hinaus auf eine Expertise Bezug genommen werde (BGH, Urteil vom 15. Januar 1975 – VIIIZR 80/73).
Im Einklang mit dieser Rechtsprechung entschied 2012 auch das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, Urteil vom 27.März 2012 – I–9 U 141/11). Für einen Bruttopreis von 1.358.311,50 Euro war das Bild „Contraste de Formes“ von Fernand Léger versteigert worden. Die Katalogbeschreibung enthielt Angaben über die Provenienz des Gemäldes, die sich allerdings als falsch herausstellten. Das Gericht erkannte jedoch keine „Beschaffenheitsvereinbarung“ zwischen den Parteien.
Diese Ansicht dürfte allerdings hinfällig sein – denn 2013 befasste sich der Bundesgerichtshof erneut mit dem Thema. Diesmal ging es um eine chinesische Buddha-Skulptur, die – laut Beschreibung im Auktionskatalog – aus der Sui-Dynastie (581 – 618) stammen sollte und als „museal“ beschrieben wurde (BGH, Urteil vom 9.Oktober 2013 – VIII ZR 224 /12). Der Buddha war für 20.295 Euro brutto weitergereicht worden. Ein vom Käufer nachträglich aufgegebenes Sachverständigengutachten begründete dann allerdings erhebliche Zweifel an der Authentizität der Arbeit, weshalb der sie gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben wollte. Der 8. Zivilsenat stellte dazu fest, „dass eine auf einer Kunstauktion angebotene Skulptur, die im Auktionskatalog in der vorstehend wiedergegebenen Weise […] beschrieben worden ist, nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann, wenn es sich nicht um ein aus der angegebenen Stilepoche stammendes Original, sondern um eine neuzeitliche Fälschung handelt.“
Das OLG Frankfurt musste sich im vergangenen Jahr ebenfalls mit einer falschen Katalogbeschreibung auseinandersetzen (OLG Frankfurt, Urteil vom 3.Mai 2018 – 19 U 188/15). Streitgegenständlich war eine für 22.000 Euro verkaufte Handzeichnung, die laut Verkaufskatalog von Carl Philipp Fohr stammte. Darüber hinaus hieß es dort, die Zeichnung sei in einem anderen Katalog „fälschlich Carl Rottmann zugeschrieben“ worden. Nach der Beweisaufnahme allerdings stand für das Gericht zweifelsfrei fest, dass Fohr nicht der Autor der Papierarbeit sein konnte. Dem Urteil des Bundesgerichtshofes von 2013 folgend, wurde das Werk daher als „mangelhaft“ angesehen, weil es nicht dem in der Katalogbeschreibung ausgewiesenen Künstler zuzuschreiben sei.
„Die Echtheit eines Kunstwerks im Sinne seiner Herkunft aus der Hand eines konkreten Künstler“, so das Gericht, „bestimmt maßgeblich die Eignung eines Kunstwerks als Sammlerstück und Wertanlage und bildet daher regelmäßig dessen zentrale Eigenschaft für seine im Rahmen eines Kaufvertrags der hier vorliegenden Art sowohl vorausgesetzte wie gewöhnliche Verwendung.“ Das Gericht qualifizierte den fraglichen Katalogeintrag sogar als arglistig – sodass anstelle der verkürzten die regelmäßige Verjährungsfrist für Mängelgewährleistungsrechte galt. Arglist, so die Begründung, sei nämlich bereits dann anzunehmen, „wenn der Verkäufer ohne tatsächliche Grundlage Angaben über die Mängelfreiheit oder über wesentliche Eigenschaften […] macht, die geeignet sind, den Kaufentschluss des Käufers mit zu beeinflussen.“ Die Beklagte hätte also die Zuschreibung der Zeichnung an Rottmann nicht einfach als „falsch“ bezeichnen dürfen. Im Ergebnis musste der Kaufpreis zurückgezahlt und die Zeichnung zurückgenommen werden.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten: Spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes von 2013 sind Katalogangaben für ein Auktionshaus bindend. Enthält die Beschreibung Informationen über den Künstler, das Alter des Kunstwerks, die Provenienz oder Ähnliches – und entsprechen diese nicht der Wahrheit –, so ist das fragliche Kunstwerk „mangelhaft“ im Sinne von § 434 BGB. Denn dann eignet es sich nicht für seine typische Verwendung als Sammlerstück oder Wertanlage – und der Käufer besitzt ein Rücktrittsrecht. Eine etwas zu oberflächliche Überprüfung einer Signatur, eine voreilige Zuschreibung oder das Verschweigen eines leisen Zweifels über die Provenienz ziehen also ein beträchtliches Haftungsrisiko nach sich – denn der Käufer darf sich auf den Sachverstand des Auktionshauses beziehungsweise seiner Mitarbeiter verlassen. Es gilt also: Vorsicht ist besser als Nachsicht!
Tobias Göbel, Rechtsreferendar
Eva N. Dzepina, LL.M. (UK) Rechtsanwältin Mitglied des Instituts für Kunst und Recht IFKUR e.V.