Seit Jahrhunderten lockt Italiens Kunst Reisende aus aller Welt. Wir schwelgen weiter in Erinnerungen an unsere persönlichen Highlights der Kunstgeschichte. Teil 2: von Florenz bis Monreale
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17.01.2021
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 180
Neun Bögen, die die Welt veränderten: Erstmals seit der Römerzeit realisierte Filippo Brunelleschi ab 1419 einen Bau ganz im Sinn der Antike. Die grazilen Säulenarkaden des Ospedale degli Innocenti in Florenz setzen sich so regelmäßig aus Quadrat und Halbkreis zusammen, als hätte Vitruv sie entworfen. Auch die Kompositkapitelle, die fein profilierten Gesimse, die Rahmung der Bogenreihe durch Pilaster: Alles greift hier auf Rom zurück. Die blau-weißen Majolika-Medaillons von Andrea della Robbia zeigen Wickelkinder, denn die Zunft der Seidenweber hatte den Bau als Waisenhaus gestiftet. Das ist vielleicht das Allerschönste daran: Die neue Architektur der Renaissance entstand aus dem Geist der Barmherzigkeit.
In der südlichen Maremma liegt der Zaubergarten von Niki de Saint Phalle, die sich von Antoni Gaudís Parc Güell in Barcelona inspiriert fühlte, selbst einen Skulpturengarten anzulegen. 1974 vermittelte ihr eine Freundin das Grundstück, und über die nächsten zwanzig Jahre entwarf sie Symbole aus dem Tarot-Spiel als fantasievolle Figuren für den 1998 eröffneten Giardino dei Tarocchi in der Nähe von Grosseto. In den begehbaren Brüsten der „Kaiserin“ finden sich ein Badezimmer und eine Küche – mit Blick aus den Bullaugen über die toskanische Landschaft.
Ein Juwel von einem Museum ist die Galleria Borghese in Rom. Der Umfang der Sammlung ist überschaubar, aber ihre Qualität ist umwerfend. Kardinal Scipione Borghese gab die Marmorgruppe „Apoll und Daphne“ bei dem jungen Gianlorenzo Bernini in Auftrag – seit 1625 steht das Meisterwerk hier. Einmalig kombiniert Bernini Schönheit und Drama. Man kann wieder und wieder um die Skulptur herumgehen und fasziniert beobachten, wie sich die Nymphe auf der Flucht vor Apoll in einen Lorbeerbaum verwandelt. Aus einem Winkel sieht sie noch menschlich aus, dann wachsen Schritt für Schritt mehr Rinde und Blätter aus ihr heraus, und sie wird zur Pflanze.
Die Mauern des Castel del Monte in Apulien verbergen Rätsel hinter symbolischen Zeichen: acht-eckiger Grundriss, acht achteckige Türme und ein Stilmix aus Antike, Romanik, Gotik und arabischen Elementen. Was wollte 1240 Kaiser Friedrich II. mit diesem Bau auf der Hochebene – außer vielleicht seine Weltläufigkeit und Herrschaft zeigen? Wir grübeln auch nach vielen Jahrhunderten mit Genuss.
Was muss das für ein Augustnachmittag im Jahr 1972 gewesen sein, als ein Hobbytaucher vor der Küste von Riace zwei griechische Bronzekrieger aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. fand. Die Schönheit ihrer muskulösen Körper ist atemberaubend, ihre Erhaltung erstaunlich. Sogar die Silberauflagen der Zähne, die rötliche Kupferfärbung der Brustwarzen und Lippen und Reste von Wimpern haben die Jahrtausende überdauert. Seit ihrer Restaurierung sind die Statuen von Riace im Museo Nazionale della Magna Grecia in Reggio Calabria zu bewundern.
Die Kathedrale von Monreale, Unesco-Weltkulturerbe, ist im 12. Jahr-hundert entstanden und verbindet, typisch Sizilien, arabische, normannische und byzantinische Elemente. Künstler aus Konstantinopel schufen die Goldmosaiken in der Zeit um 1180, darunter im Mittelschiff des Kirchenbaus auch die Szene, in der Noah sich auf seiner Arche nach der Taube mit dem Olivenzweig reckt. Ein Zeichen der Hoffnung auf neues Leben.