Woran erkennt man eine Galvanoplastik? Was ist ein Gnadenpfennig? Wo gibt es Medaillen zu kaufen, und wer hat die schönsten Münzschränke? Eine kompakte Übersicht
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27.01.2021
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 179
Abschlag: Gepräge, das von einem Originalstempel stammt, aber in einem anderen Material, etwa Blei, Leder oder Karton ausgeführt ist – meist als Probe- oder Sammlerstück.
Ausbeutemedaillen: Aus der Gold-, Silber- oder Kupferausbeute bestimmter Bergwerke geschaffene Stücke, die durch Bild oder Schrift auf die Herkunft ihres Metalls hinweisen. Manchmal zeigten Herrscher damit eroberte Minen an. Ausbeutemünzen und -medaillen sind ein begehrtes Sammelgebiet.
Bronze: Legierung aus Kupfer und Zinn in den Proportionen 80:20 bis zu 97:3. Die meisten Medaillen, ob gegossen oder geprägt, sind aus Bronze. Nach dem lateinischen Aes für den Ausgangsstoff Erz wird Bronze in numismatischen Katalogen oft AE abgekürzt.
Feuervergoldung: Seit spätrömischer Zeit ist die Technik der Vergoldung bekannt. Mit einer Quecksilbernitratlösung gewaschene Oberflächen werden mit Feingold-Amalgam bestrichen, anschließend lässt eine Flamme das Quecksilber verdampfen. Besonders in der Renaissance und im Barock beliebte Technik – auch für Fälscher, um solide Goldstücke vorzutäuschen.
Galvanoplastisches Verfahren: Ende des 18. Jahrhunderts ermöglichten Luigi Galvanis Forschungen die Elektroplattierung, mit der leitende Metalle z. B. mit Gold oder Silber beschichtet werden. Mit der Galvanoplastik lassen sich sehr gute Kopien von Medaillen herstellen. Da Vorder- und Rückseiten der Kopien aneinandergelötet werden, lassen sie sich an der Naht vom Original unterscheiden, auch an ihrem hohlen Klang und an dem unrichtigen Gewicht.
Gelegenheitsmedaillen: Neben Heirat, Krönung und Tod gibt es noch viele weitere Anlässe für die Schaffung von Medaillen, etwa die Einführung öffentlicher Impfungen, die Einweihung von Kanälen und Brücken oder die Eröffnung von Eisenbahnstrecken.
Gnadenpfennig: Vorläufer des Ordens. Meist in Form ovaler Medaillen mit Bildnis aus Gold oder Silber, mit prächtiger Fassung und oft emailliert, wurden Gnadenpfennige im 16. und 17. Jahrhundert an hohe Beamte und Heerführer verliehen (Abb. S. 54).
Guss: Medaillen werden geprägt oder – seltener und aufwendiger – gegossen. Für den Guss wird flüssiges, heißes Metall in Formen gegossen. Dabei müssen Schmelzöfen z. B. Gold auf 1063 Grad erhitzen, Silber auf 961 Grad. Da sich an den Innenseiten der Formen Bläschen bilden, entstehen beim Guss winzige Löcher – sie sind ein Merkmal für den Guss. Die Gusstechnik erlaubt Medailleuren ein höheres Relief als die Prägung.
Patina: Durch Einflüsse von Säuren, Gasen und Salzen in der Umwelt entsteht auf Silber, Kupfer und seinen Legierungen im Lauf der Zeit ein Oberflächenbelag, der die Wirkung von Kunstwerken noch unterstreichen kann und daher geschätzt wird, besonders die grüne Malachitpatina. Schon seit Jahrhunderten arbeiten manche Künstler mit Chemikalien, um künstlich die Effekte der Patina zu erzeugen, z. B. die Medailleurin Heide Dobberkau.
Patrize: Aus dem lateinischen „Pater“, Vater. Der positive Stempel für die Prägung von Münzen und Medaillen entsteht durch die Reduktion eines Künstlermodells. Er wird mit einem Druck von bis zu 600 Tonnen in das ungehärtete Stahlstück gesenkt, das gehärtet zur Matrize wird (von „Mater“, Mutter), das heißt zum konkaven Prägestempel. Eine Matrize dient bis
zu 100 000 Münzprägungen.
Schraubmedaillen: Auch Schraubtaler genannt. Im 17. und 18. Jahrhundert vor allem im süddeutschen Raum verbreitet, wurden ausgehöhlte Taler zum Behältnis für Miniaturbildnisse oder ganze Serien von runden Bildchen etwa zur Geschichte der Salzburger Emigranten (siehe Weltkunst, Stilkunde Nr. 148, Oktober 2020). In Kriegszeiten sollen sie auch zum Schmuggeln von Geheimbotschaften genutzt worden sein.
Ziselierung: Dient der Verzierung eines metallenen Gegenstands. Nach dem Guss kann eine Medaille in „Kaltarbeit“ vorsichtig mit Meißel, Punze oder Feile behandelt werden. Aber Achtung: Frühe Renaissancemedaillen sind kaum ziseliert. Dagegen wurden spätere, sogenannte „alte Güsse“, die nicht von dem Originalmodell stammen, meist mit dem Stichel bearbeitet, um Konturen aufzufrischen.
Münzkabinette bieten erstaunliche Einblicke in die Sammellust und Schatzkammern der europäischen Adelshäuser, sei es in Sankt Petersburg, Paris, London oder Amsterdam. Historische Münzschränke sind ein Faszinosum an sich: In Gotha sind besonders schöne zu finden. Seit stolzen 500 Jahren gibt es das Münzkabinett in Dresden. Eine der weltweit größten Münz- und Medaillensammlungen präsentiert das Kunsthistorische Museum Wien. Bis zum 17. Januar zeigt die Staatliche Münzsammlung München in der Ausstellung „Glänzende Propaganda“ 50 Papstmedaillen aus sechs Jahrhunderten (mit exzellenter Publikation von Kay Ehling und Jörg Ernesti). Auch das Berliner Münzkabinett zählt zu den bedeutendsten Sammlungen der Welt. Sehenswert ist Goethes Medaillensammlung in Weimar. In den USA pflegen die American Numismatic Society und die Frick Collection in New York und die National Gallery in Washington überragende Bestände.
In der Numismatik sind Handel und Auktionen kaum getrennt. Viele Händler, die Münzen und Medaillen anbieten, richten regelmäßig Auktionen aus – der Onlinebereich spielt dabei eine immer größere Rolle –, und Auktionshäuser verkaufen direkt. 2021 soll die internationale Messe Numismata wieder in München, Berlin und Frankfurt stattfinden, nachdem die Termine 2020 ausfielen. Rund 100 aktuelle Auktionen von Leipzig bis Florida listet die International Association of Professional Numismatists auf -ihrer Website auf. In Deutschland steht Künker an der Spitze der numismatischen Auktionshäuser. Gegründet 1971 von Fritz Rudolf Künker, arbeiten heute mehr als 50 Mitarbeiter im Stammsitz Osnabrück sowie in München, Berlin, Hamburg, Znojma und Zürich. Die älteste deutsche Münzhandlung ist die Frankfurter Firma Busso Peus von 1870. München ist das Zentrum der Numismatik in Deutschland mit dem traditionsreichen Haus Gerhard Hirsch Nachfolger und Gorny & Mosch am Maximiliansplatz. Als Einmannbetrieb bietet Johannes Diller interessante Medaillen und Expertise an. Eine wichtige Adresse ist Höhn in Leipzig. Hochkarätige Medaillen finden sich im Kölner Münzkabinett. In Stuttgart ist AMS (Auktionen Münzhandlung Sonntag) die erste Adresse. Ein reichhaltiges Angebot haben das Münzzentrum Rheinland in Solingen und die WAG (Westfälische Auktionsgesellschaft). Dem Verband Österreichischer Münzenhändler gehören 30 Mitglieder an. Zweimal jährlich führt das Dorotheum in Wien Münz- und Medaillenauktionen durch. Der Verband Schweizer Berufsnumismatiker hat 27 Mitglieder. Hochkarätige Auktionen und Ausstellungen (zuletzt in Abu Dhabi zu Münzen des Islam) organisiert das Genfer Unternehmen Numismatica Genevensis SA. In Zürich führen Hess-Divo und Sincona jeweils im Frühjahr und im Herbst numismatische Saalauktionen durch. In Luzern gegründet, hat auch das Auktionshaus Nomos AG seinen Sitz mittlerweile in Zürich. In London verkaufen Spink seit 1666 und Baldwin’s seit rund 150 Jahren Münzen und Medaillen von der Antike bis zur Gegenwart. Auch Morton & Eden sind Spezialisten für Medaillen, Münzen, Orden und Papiergeld – sie arbeiten eng mit Sotheby’s zusammen, seit deren numismatische Abteilung 2002 geschlossen wurde. Bonhams versteigert in London zweimal im Jahr Numismatik, aber Medaillen machen nur einen Bruchteil davon aus. Gegründet 1880 in Amsterdam, ist Schulman b.v. das -älteste Münzgeschäft Hollands mit jährlich drei Auktionen.
Zur Einführung seien Max Bernhart und Tyll Krohas Handbuch „Medaillen und Plaketten“ (3. Aufl. 1966) empfohlen, auch Wolfgang Steguweits „Europäische Medaillenkunst“ von 1995 und Mark Jones’ „The Art of the Medal“ von 1979. Üppig ist die Literatur zur Medaille der Renaissance: Stephen Schers Katalog „The Currency of Fame“ (1994) ist ein Klassiker, „The Scher Collection of Commemorative Medals“ (2019) mit Beiträgen von C. Eimer, M. Hirsch und U. Pfisterer feiert die bedeutendste Privatsammlung. Der Katalog „Wettstreit in Erz“ von Walter Cupperi u.a., 2013, zur Schau in München, Wien und Dresden stellt die deutsche Renaissance in den Fokus. Francesco Carraras Medaillen von 1390 beleuchtet Sylvia Volz’ Dissertation „Spiegel-Bild der Macht“ 2017. „Napoleons Medaillen“ von Lisa und Joachim Zeitz (2003) untersucht die Histoire métallique des Kaisers der Franzosen. Nicolas Maiers „Französische Medaillenkunst 1870-1940“ erschien 2010 mit Kurzbiografien von 73 Künstlern zwischen Jugendstil und Art déco. Als Nachschlagewerke seien Tyll Krohas „Großes Lexikon der Numismatik“ (1977) empfohlen sowie Leonard Forrers acht Bände „Biographical Dictionary of Medallists …“ (1902–1930). Zur Entschlüsselung rätselhafter Rückseiten ist „Emblemata, Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts“ von A. Henkel und A. Schöne (z. B. Neuauflage 2013) unverzichtbar. Zweimal im Jahr publiziert die British Medal Art Society das Fachmagazin „The Medal“. Online informiert muenzenwoche.de über aktuelle numismatische Themen, auch mit wöchentlichem Newsletter.