Das Victoria & Albert Museum in London präsentiert Raffaels großformatige Vorlagen für seine Wandteppiche in der Sixtinischen Kapelle. Trotz aktuell geschlossener Türen kommt man den Kartons online jetzt so nah wie sonst nie
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07.02.2021
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 182
Für Papst Sixtus IV. bemalte Sandro Botticelli 1481 die Wände der Sixtinischen Kapelle, Papst Julius II. engagierte Michelangelo 1508 für die Deckenfresken. Als Giovanni de’ Medici dann fünf Jahre später zum neuen katholischen Oberhaupt berufen wurde, blieb ihm zwischen dem prominenten Bilderschmuck seiner Vorgänger wenig Platz, um sich ebenfalls in der Kapelle zu verewigen. Doch auch Papst Leo X. kam auf etwas Besonderes: Er beauftragte Raffael mit der Gestaltung von zehn luxuriösen Wandteppichen mit Szenen aus dem Leben der Apostel Petrus und Paulus, die später in der Brüsseler Werkstatt von Pieter van Aelst gewoben wurden.
Dafür entstanden zehn ebenso aufwändige wie großartige Vorlagen, von denen sieben die Jahrhunderte überdauert haben: Die Kartons zählen zu den wichtigsten Schätzen, über die Großbritannien aus der Zeit der Renaissance verfügt. Längst sind sie aus der königlichen Sammlung der Queen in das Londoner Victoria & Albert Museum gezogen, das ihnen mit dem Raphael Court einen eigenen Raum widmet, der nach der Sanierung jetzt wieder in vollem Glanz erstrahlt. Nun aber werden sie – ganz unabhängig von wie auch immer bedingten Öffnungs- und Schließzeiten – 24 Stunden täglich einem globalen Publikum nahegebracht.
2019 fanden umfangreiche kunsthistorische Untersuchungen statt, Raffaels Entwürfe wurden unter anderem mithilfe von 3D-Scannern und Infrarotaufnahmen detailliert angeschaut. Das Bildmaterial findet sich inzwischen auf der Website des Museums: Motive wie der „Tod des Ananias“ leuchten in höchster digitaler Qualität, lassen sich heranzoomen, werden in den Kontext der Bibel gestellt und ikonografisch erläutert. So nah kommt man den Originalen nie, manches wirkt wie durch eine Lupe betrachtet und dokumentiert so Raffaels außerordentliches malerisches Talent.
Exklusiv online ist auch das „Feature Read“ mit Texten etwa zu Papst Leo X., der seiner Kirche nicht zuletzt dank dieses ehrgeizigen Auftrags hohe Schulden hinterließ, so dass die Teppiche gleich nach seinem Tod 1521 verpfändet wurden. Erzählt wird aber auch die geradezu spektakuläre Geschichte, wie Raffaels hoch gehandelte und unzählige Male als Kopiervorlage verwendete Kartons am Ende durch die Epochen gerettet wurden.
„The Raphael Cartoons“
https://www.vam.ac.uk/collections/raphael-cartoons