Carl Fabergé ist ein russischer Mythos. Der Juwelier der letzten Zaren schuf exzentrische Goldschmiedewerke voll kostbarer, raffinierter Details. Ein teures und verführerisches Sammelgebiet. Aber Vorsicht: Es gibt viele Fälschungen
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29.03.2021
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 182
Bevor die Alte Welt 1917 auseinanderbrach, fühlte sich Russland, dieses schwerfällige Riesenreich, wie ein zischender Dampfkessel, in dem die künstlerischen und revolutionären Ideen nur so brodelten. „Das Alte und das Neue, das Liberale und das Patriarchalische, fatale Armut und fatalistischer Reichtum waren in jenem seltsamen ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts fantastisch miteinander verwoben“, beschrieb der Schriftsteller Vladimir Nabokov in seiner Autobiografie „Erinnerung, sprich“ die explosive Gemengelage. Und im Zentrum: die autokratisch herrschenden letzten Zaren. Seltsam unempfindlich gegenüber allen sozialen und politischen Spannungen, hatten sie sich in ihrem privaten Glück eingepuppt. Keine Eheskandale, bildschöne Kinder, Luftbäder auf der Krim, gemeinsames Handarbeiten und zu jedem Osterfest ein bis zwei Überraschungseier von Fabergé.
In diesen Ostereiern manifestierten sich die märchenhaften Elemente, aber auch die familiären und dynastischen Meilensteine im Leben der Romanows. Überreicht wurden sie am Auferstehungstag, dem höchsten Fest des orthodoxen Christentums. Zwischen 1885 und dem Revolutionsjahr 1917 ließ der Hofjuwelier Carl Fabergé in seinen Werkstätten insgesamt 52 dieser in der Tradition von Wunderkammerobjekten stehenden Preziosen fertigen, zunächst für Alexander III. und nach dessen Tod auch für Nikolaus II.
Schon damals kosteten diese Präsente ein Vermögen. Und sie versetzten die beschenkten Kaiserinnen Maria und Alexandra Feodorowna zuverlässig in Verzückung. In jedem Ei steckte eine anspielungsreiche Überraschung. Einmal ist es ein aufziehbarer flügelschlagender Schwan, ein anderes Mal springen Miniaturporträts von Nikolaus II. und den beiden ältesten Töchtern aus dem Inneren. Für das „Krönungs-Ei“, seine am hellsten strahlende Schöpfung, griff Fabergé das Muster des Krönungsmantels auf. Hier entpuppt sich das Herzstück als winzige Replik jener Karosse, in der Zarin Alexandra 1896 zur Inthronisation kutschiert worden war. Der Clou: ein aufklappbares Trepplein.
Etliche Einflüsse beflügelten die Fantasie des Hofjuweliers; angefangen bei der Opulenz von Renaissance-Reliquiaren über die Ornamentik des Louis-seize-Stils mit Blütengirlanden und Fruchtfestons bis hin zum Historismus und der ungebändigten Dynamik des Art nouveau. Doch stets gab Fabergé seinen Kreationen das gewisse Etwas: eine Umsetzung in die Gegenwart. Den Anfang der Osterserie bildete – nomen est omen – das naturalistische „Hennen-Ei“. Als fast originalgetreue Kopie einer Goldschmiedearbeit des 18. Jahrhunderts, die sich in Schloss Amalienborg in Kopenhagen befindet, deutet es die dänische Abstammung der Zarinmutter Maria Feodorowna an. Seine weiß emaillierte Schale umfängt ein mattgoldenes Eidotter, darin verbirgt sich eine Henne aus mehrfarbig getriebenem Gold, in der ursprünglich eine winzige diamantgeschmückte Krone mit Rubinanhänger versteckt war.
Was schlicht begann, setzte sich in virtuosen Schöpfungen fort, für die Fabergé Carte blanche erhalten hatte. Gekonnt lotete er zuweilen die Untiefen des Geschmacks aus, pathetisch überzogen wie beim „Militär-Stahl-Ei“, das von vier Artilleriegeschossen getragen wird, oder einfach nur ziemlich camp wie beim „Stiefmütterchen-Ei“. Mit dem „Birkenholz-Ei“ aus gemasertem Wurzelholz kehrte er dann wieder zu großer Schlichtheit zurück. Allerdings durfte es dem 1917 zur Abdankung genötigten Nikolaus II. nicht mehr übergeben werden. Heute sind die kaiserlichen Ostereier in alle Welt zerstreut, befinden sich in Museen, privaten und royalen Kollektionen. Sieben gelten als verschollen, ihr Auftauchen am Markt ist unwahrscheinlich. Dass Sammlerinnen und Sammler von Objets d’art nach wie vor auf die Pirsch nach Fabergé-Trophäen gehen, muss also einen anderen Grund haben.
Was hatte diesen Mann angetrieben, der in den Glanzzeiten seines Unternehmens mehr als 500 Mitarbeiter dirigierte und mit seinen kaiserlichen Auftraggebern so schicksalhaft verbunden war? Carl Fabergé wurde 1846 in St. Petersburg als Spross einer aus der Picardie über das Baltikum eingewanderten Hugenottenfamilie geboren. Sein Vater hatte 1842 in der Einkaufsstraße Bolschaja Morskaja einen Juwelierbetrieb eröffnet, den Carl mit 26 Jahren übernahm. Zuvor besuchte er die Handelsschule in Dresden, absolvierte eine Lehre bei dem Frankfurter Juwelier Joseph Friedmann und eine Grand Tour durch Europas wichtige Sammlungen.
Die Kunstfertigkeit sächsischer und Florentiner Edelsteinschneider, Juweliere und Emailleure, auf die er im Grünen Gewölbe traf, inspirierte Fabergé nachhaltig. Zurück in St. Petersburg, betätigte er sich ehrenamtlich als Restaurator in der Schatzkammer der Eremitage, was sein Stilempfinden schärfte. Bereits 1885 ernannte Alexander II. Fabergé zum Hoflieferanten. Bis 1900 wurden Filialen in Moskau sowie Odessa eröffnet (später folgten Kiew und London) und in der Bolschaja-Morskaja-Straße ein neugotisches Gebäude errichtet. Die Ateliers der Entwerfer, alle Werkstätten, darunter die zur Herstellung passgenauer Holzschatullen für die Verpackung, Lager, Büros, eine immense Fachbibliothek, Carls Apartment und der elegante Verkaufsraum: All das befand sich nun unter einem Dach.
Durch die kaiserlichen Auftraggeber erwarb sich die Firma ein unbezahlbares Ansehen. Doch die Ostereier stellten nur einen Bruchteil der Produktion dar. Kunstvolle Alltagsgegenstände sicherten die materielle Grundlage des Hauses: Zigarettenetuis und Streichholzbehälter, Brieföffner und Leimtöpfchen, Fotorahmen, Siegelstempel, Bonbonnieren, Parfumflakons und vieles mehr.
„Fabergé-Objekte waren etwas zum Verschenken. Nikolaus II. hatte das als Erster verstanden“, sagt der deutsche Fabergé-Experte Alexander von Solodkoff, einer der renommiertesten Autoren zum Thema, dessen Kennerschaft auch als Jurymitglied der Tefaf gefragt ist. „Bei jedem offiziellen Besuch überreichte er Golddosen, die mit seinem Porträt oder den kaiserlichen Initialen verziert waren.“ Auch Zarin Alexandra, geborene Prinzessin Alix von Hessen, oft von Sehnsucht nach ihrer deutschen Heimat geplagt, bestellte Schmuckstücke und erlesene Petitessen, die ihre weitverzweigte Verwandtschaft als Zeichen der Zuneigung und der gemeinsamen Identität gern entgegennahm.
Als ausgesprochenen Schmuckmann sah Fabergé sich selbst nicht, dieses Feld überließ er der Pariser Konkurrenz wie Cartier oder Boucheron. Er meinte: „Es gibt Leute, die schon genug Diamanten und Perlen haben. Juwelen zu schenken ist manchmal nicht angebracht. Dann ist so ein kleines Ding das Richtige.“ Mit seinem exquisiten Nippes belieferte Fabergé sowohl den alten Adel, inklusive Königshäuser von London bis Siam, als auch die vom wirtschaftlichen Boom des Zarenreichs profitierenden nouveaux riches, Industrielle und Bankiers.
„Er stellte Zierrat für den persönlichen Bereich her, der ebenso hochwertig sein sollte wie entzückend. Den großen Pomp machten andere Künstler“, erläutert der Fabergé-Kenner Heinrich Graf von Spreti, Honorary Chairman von Sotheby’s Deutschland. „Design und Farben mussten stimmen. Die Funktionalität trieb Fabergé mit elektrifizierten Tischklingeln auf die Spitze.“ Heute wirke das natürlich dekadent, man könne den Diener anders herbeirufen. „Nur kommt niemand mehr“, sagt Spreti augenzwinkernd.
Rund 150000 Einzelstücke sollen zwischen 1872 und 1917 unter Carls Ägide angefertigt worden sein. Diese enorme Produktivität führte dazu, dass Sammler noch bis ins 21. Jahrhundert aus dem Vollen schöpfen konnten. Der Reichtum an Designs, die technische Raffinesse, die schillernde Farbpalette des Emails, die subtile Materialbehandlung machen diese kunstvollen Kleinigkeiten zu einem spannenden Terrain.
Mit der Oktoberrevolution und Auslöschung der Zarenfamilie endete das Unternehmen Fabergé. Über Deutschland floh Carl in die Schweiz, wo er 1920 als gebrochener Mann starb. Vier Jahre später gründeten seine Söhne Eugène und Alexander in Paris Fabergé & Cie, konnten aber nicht an den Erfolg des Vaters anknüpfen. Seit den Dreißigerjahren begegnete man dem Namen in den USA auf Parfum und Kosmetikartikeln. Die Profanierung durch Lizenzen fand ihren Höhepunkt, als Unilever 1989 das Markenrecht erwarb. 2012 übernahm der Edelsteinminenbetreiber Gemfields den klangvollen Namen und macht ihn seither mit Schmuckerzeugnissen zu Geld. Mit den Originalen aus der Zarenzeit haben sie nichts zu tun.
Diese gelangten seit den Dreißigern auf den Sekundärmarkt. Die Bolschewiki hatten Unmengen an Artefakten aristokratischer Provenienz beschlagnahmt und etwa in den Moskauer Kreml überführt. Jetzt aber waren Devisen nötig, und der Ausverkauf des russischen Kulturerbes nahm Fahrt auf. Sogar die kaiserlichen Ostereier wurden für den Export freigegeben. Einer der ersten Profiteure war der amerikanische Sammler Armand Hammer, ein gewiefter Konzessionär der Sowjets. Zu den Pionieren des Fabergé-Handels zählten auch Emanuel Snowman, der 1911 in London eine Filiale des walisischen Juweliers Wartski eröffnete, und Alexander Schaffer, Eigentümer der seit 1941 in New York ansässigen Galerie A La Vieille Russie.
Einer der enthusiastischsten Fabergé-Sammler war der US-Verleger Malcolm Forbes. Neun Zaren-Ostereier krönten seinen Schatz. Kurz bevor die Kollektion 2004 bei Sotheby’s – auf mehr als 90 Millionen Dollar taxiert – versteigert werden sollte, erwarb Viktor Vekselberg die 200 Preziosen en bloc. Mit diesem Kabinettstück der Verhandlungskunst sicherte sich der russische Großinvestor den Grundstock für die heute weltgrößte Fabergé-Sammlung, die er 2013 im St. Petersburger Schuwalow-Palast zur Museumsattraktion machte. „Seither ist der Markt etwas ausgetrocknet. Es wird immer schwieriger, bedeutende Objekte zu finden. Aus Russland darf nichts mehr exportiert werden, weil es verständlicherweise unter nationalem Kulturgutschutz steht“, erläutert Spreti.
Dass Fabergé an die internationale Spitze der Zunft gelangen konnte, verdankte er nicht zuletzt eindrucksvollen Präsentationen wie auf der Weltausstellung 1900 in Paris. Dort verzauberte er das Publikum unter anderem mit einem naturalistisch gestalteten Maiglöckchenkorb, einer Leihgabe vom Schreibtisch der Zarin Alexandra: In einem aus Grün- und Gelbgold gesponnenen Moospolster stecken neun Pflänzchen mit lanzettförmigen Nephritblättern, an den Goldstängeln Blüten aus Perlen und Diamantrosen. Dieses süßliche Meisterwerk wurde von der amerikanischen Sammlerin Matilda Geddings Gray (1885–1971) erworben und ist derzeit als Dauerleihgabe im Metropolitan Museum an der Fifth Avenue zu bestaunen.
Im Grunde handelte Fabergé mit Emotionen. Russland war das Land ausschweifender Opulenz, etwa in Form mannshoher Malachit-Vasen, aber er lieferte die Accessoires für einen sehnsuchtsvollen Boudoirstil, der in den langen Wintermonaten die Natur und die Leichtigkeit ins Haus holte. Heute müssen Fans dieser Pflanzenstudien tief in die Tasche greifen. Eine Pusteblume aus der Sammlung des Brooklyn Museums verdoppelte im Dezember bei Sotheby’s London mit brutto 462 700 Pfund die Taxe. So täuschend echt umwölken flaumige Fäden die in Roségold gefassten Rosenschliff-Diamanten, dass man gern an ihnen zupfen würde (besser nicht, denn sie sind aus Asbestfasern).
Es war diese handwerkliche Perfektion, die Fabergés Ruhm festigte. Unter seinem Schirm arbeiteten hoch spezialisierte Profis, darunter Miniaturmaler, Treiber, Ziseleure, Polierer, Steinschneider. Und natürlich jene Könner, die das diffizile Verfahren des Emaillierens ebenso beherrschten wie das Guillochieren, bei dem feinste Linienornamente, Moiré oder Sonnenstrahlenmuster, in eine Metallunterlage graviert und mit transluzidem Email überzogen wurden.
Die Pastelltöne der St. Petersburger Paläste im Sonnenuntergang, das modische Mauve aus dem Malvenboudoir der Kaiserin, irisierendes „Austern-Email“: Fabergé hatte bis zu 140 Farbschattierungen und alle Arten des Emaillierens zu bieten – vom Champlevé (Grubenschmelz) über das lichtdurchlässige Plique-à-jour (Fensteremail) bis zum Cloisonné (Zellenschmelz). Zu erwähnen sind hier vor allem die Moskauer Cloisonné-Arbeiten Fedor Rückerts im altrussischen Stil – echte Objekte der Begierde für die russischen Puristen unter den Fabergé-Liebhabern.
Rückert gehörte zu einer Riege selbstständiger Goldschmiedemeister, die Fabergé vertraglich an sich band. Als Mastermind bildete Carl das Kraftzentrum eines effizienten Produktionssystems, legte aber wohl nie selbst Hand an. Tatsächlich lieferten der Patriarch, seine Söhne und die Designer frische Ideen, die von Werkmeistern meist finnischer Herkunft umgesetzt wurden. Bei seinen wichtigsten Mitstreitern, den jeweiligen Werkstättenleitern Kollin, Perchin und Wigström, liefen die Fäden zusammen. Sie durften ihre Erzeugnisse mit den eigenen Initialen kennzeichnen. Erik Kollin, der erste der Chefgoldschmiede (1872–1886), stand für sinnlich gerundete Formen und elegante, mit Cabochons verzierte Metallobjekte, aber auch für ziselierten, antikisierenden Goldschmuck. Auf Kollin folgte Michael Perchin (1886–1903). Nun setzten sich Rokoko-Reminiszenzen durch, und die Emaillierkunst avancierte zum Markenzeichen des Hauses.
Die Ära des letzten Hauptwerkmeisters Henrik Wigström (1903–1918) war geprägt von der disziplinierten Vornehmheit des Louis-seize. Doch seine Zigarettenetuis trugen schon die schwerelos-grafische Eleganz des Art déco in sich. Besondere Effekte erzielte Wigström mit dem Nebeneinander verschiedener Goldschattierungen. Diese Dosen wurden in großen Mengen hergestellt, denn nicht nur am Zarenhof gehörte Rauchen zum guten Ton. Heute kosten Zigarettenetuis je nach Ausführung und Meister zwischen niedrigen vierstelligen (aus Holz oder aus der Moskauer Silberwerkstatt) und mitunter sechsstelligen Euro-Beträgen. So verzeichnete Christie’s London 2012 den Sensationspreis von 313 300 Pfund für eine juwelenverzierte Wigström-Arbeit aus royalem Haushalt mit scharlachroten und königsblauen Guilloche-Email-Streifen.
Viele junge Talente erhielten bei Fabergé ihren Feinschliff, nur blickte niemand so eigenwillig nach vorn wie Alma Pihl. Die Tochter Oskar Pihls, Werkmeister in der Moskauer Filiale, war zunächst als Zeichnerin tätig. 1910 wechselte sie in die Gestaltung und frappierte mit Entwürfen in aufregend moderner Ästhetik. Für eine der schönsten Schmuckserien des Hauses, ein Auftrag des Ölmagnaten Emanuel Nobel, standen die Eisblumen an ihrem Atelierfenster Modell. Pihl übertrug deren fraktale Struktur auf Geschmeide aus winzigen Diamanten, mattiertem Bergkristall, Gold und Platin. Ein Konzept, das im kaiserlichen „Winter-Ei“ von 1913 seinen vollendeten Ausdruck fand. Pihl-Preziosen sind selten und sehr begehrt. Als das „Winter-Ei“ im April 2002 bei Christie’s in New York versteigert wurde, bezahlte der katarische Scheich Saud Al-Thani mit Aufgeld die Rekordsumme von 9,6 Millionen Dollar für diese expressionistische, wie gefrierendes Wasser glitzernde Skulptur.
Fünf Jahre später notierte das Auktionshaus die nächste Bestmarke: Das rosarote, 1902 unter der Leitung von Michael Perchin für die Bankiersfamilie gefertigte „Rothschild-Ei“ wurde – dieses Mal in London – für neun Millionen Pfund an den russischen Sammler Alexander Iwanow verkauft. Vergleichsweise günstig sind dagegen die bunten, verspielten Miniatureier, die noch heute gern wie Charms als Anhänger an Armbändern und Halsketten getragen werden. Einfache Varianten aus Hartstein kosten ab 4000 Euro. „In perfektem Zustand und Topqualität ist man schnell bei 15 000 Euro“, sagt der Experte Alexander von Solodkoff. „Fabergés ganze Kreativität entfaltet sich auf diesen Miniatureiern. Einige sind vollständig mit Juwelen besetzt, andere winzige Naturstudien in der Gestalt kleiner Steinpilze, sehr humorvoll und typisch russisch.“
Innerhalb der Fabergé-Welt nehmen künstlerische Tierskulpturen aus Hartstein eine Sonderstellung ein. Schon deshalb, da diese Steinschnittarbeiten Carls persönlichen Geschmack akkurat widerspiegeln. Er selbst sammelte japanische Netsuke und hegte eine wahre Abneigung gegen teure Edelsteine. Nicht die Seltenheit und der Wert des Materials interessierten ihn, sondern seine Tauglichkeit für diese Kleinstskulpturen. Die Eigenschaften des Steins, seine Flecken und Schattierungen wurden in den Dienst einer naturgetreuen Wiedergabe gestellt – dazu gehörte auch das Erfassen des eigentümlichen Verhaltens etwa der Paviane, Pekinesen, Eichhörnchen, Elefanten, die seine unüberschaubare Menagerie bevölkerten.
Die Mineralien für Fabergés Tierwelt stammten aus den reichen Vorkommen Sibiriens, des Urals und des Kaukasus. Gern griff man zu blassgrünem Bowenit, spinatfarbenem Nephrit, Achat, Lapislazuli, Jaspis oder glasigem Obsidian. Es gibt jedoch ein Problem: „Wenn anderswo die Qualität von Email und Ziselierung, der Stil, die Marken, die Holzkästen wertvolle Hinweise auf die Echtheit liefern, können Schmucksteintiere oft nur nach handwerklicher Qualität begutachtet werden, ein Urteil, das immer subjektiv bleiben muss“, schreibt Géza von Habsburg, Autor mehrerer Standardwerke zu russischer Kunst und Fabergé. Die Steintiere sind weder signiert noch gemarkt, nur selten ist eine Inventarnummer eingeritzt wie bei vielen anderen Objets d’art.
Und wie schützt sich ein Sammelnovize nun vor der Flut an „Fauxbergés“? In New York gebe es mehr Fabergés, als je hergestellt wurden, pflegt Peter Schaffer von der Kunsthandlung A La Vieille Russie zu scherzen. Sein Rat: den Stil studieren, das Stück berühren, die kompromisslose Qualität erfühlen. So besitzen Emailobjekte eine perfekt polierte, samtig aussehende Oberfläche. Etuis und Dosen lassen sich dank der präzisen Verarbeitung von Deckeln und Scharnieren vollkommen geräuschlos öffnen und schließen. Die wenigsten Fälschungen halten einer genauen Inspektion stand. Ebenfalls verdächtig: unsinnige Kombination von Punzen, etwa eine Marke der Moskauer Filiale mit den Initialen eines St. Petersburgers Werkmeisters.
„Man muss sehr aufpassen“, warnt Graf Spreti von Sotheby’s, „es kursieren Fabergé-ähnliche Stücke aus der Zeit, die man mit einem Fabergé-Stempel sozusagen aufgewertet hat. Kaufen Sie nur bei den ersten Adressen.“ Originale kosten Geld, viel Geld. Schnäppchen sind hier keine zu machen. Allerdings lassen sich schon eine Handvoll dieser Kleinode zu hübschen Stillleben arrangieren. Am selbstverständlichsten wirken die Arbeiten frei aufgestellt. „Eine Präsentation im Raum kann man ins Auge fassen, doch die schönsten Fabergés sind nun mal aus Email und leider hinüber, wenn sie herunterfallen oder das Material bestoßen wird“, gibt Alexander von Solodkoff zu bedenken. „Email lässt sich nicht partiell reparieren. Man könnte mit farbigem Lack ergänzen, aber das ist dann deutlich sichtbar.“ Es ist also ratsam, besonders delikate Schätze in einer Vitrine zu schützen.
Die Objets d’art aus 45 Jahren Fabergé stellen eine letzte Blüte europäischer Hofkunst dar. Mit etwas Sammlerglück sollte es gelingen, ein Stück von dieser verloren gegangenen Lebenswelt zu ergattern, für die der russische Ausnahmejuwelier Luxusgeschenke von unverwüstlicher Eleganz gefertigt hat. Und sei es nur ein einziges goldenes Zigarettenetui, aus der man eine Papirossa fischt, um die Schachtel schließlich ohne jedes Geräusch zuzuklappen.
Hier geht’s weiter: der Service des Sammlerseminars zu Fabergé.