Aus unserer Reihe Kunst und Recht: Die Fotografin Lynn Goldsmith erringt mit ihrer Urheberrechtsklage gegen die Andy Warhol Foundation einen Sieg
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29.07.2021
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 10
Es gibt Neuigkeiten in einem Fall um Andy Warhol. Die Fotografin Lynn Goldsmith, die Urheberrechtsklage gegen die Andy Warhol Foundation eingereicht und zunächst verloren hatte, bekam in der Berufungsinstanz nun doch noch recht.
Stein des Anstoßes war die von Warhol 1984 geschaffene „Prince-Series“, der ein Goldsmith-Foto zugrunde liegt, das den 2016 verstorbenen Musiker Prince im Jahr 1981 zeigt. Warhol hatte das Bild in einer Serie von 16 verschiedenfarbigen Siebdrucken verfremdet.
In erster Instanz hatte sich das Bezirksgericht auf einen bereits in der Vergangenheit entschiedenen Fall berufen, bei dem es um ein Werk des Appropriation-Künstlers Richard Prince ging. Prince hatte Patrick Carious Foto eines Rastafaris für ein eigenes Werk verwendet – indem er Carious Bildnis lediglich in einen Rahmen setzte, der einem Instagram-Post ähnelte. Damals hatte das zuständige Gericht in einer sehr kontroversen und viel kritisierten Entscheidung befunden, dass keine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Zwar legte der Fotograf Cariou Berufung ein, über diese wurde aber nicht entschieden, da sich die Parteien in der zweiten Instanz dann doch noch einigten, was (überwiegend in den USA) insbesondere dann passiert, wenn sich Parteien mit unterschiedlichen finanziellen Mitteln gegenüberstehen: Hier waren es ein zeitgenössischer Trendkünstler und ein vergleichsweise unbekannter Fotograf.
Vergleichen wollte sich Lynn Goldsmith mit der Andy Warhol Foundation jedoch nicht. In dem erstinstanzlichen Urteil befand der zuständige Richter John G. Koeltl, dass die Bilder von Warhol keine Rechtsverletzung darstellten, da sie transformativ seien. Sie verwandelten die angeblich „verletzliche, unbequeme Person“ aus Goldsmiths Originalfoto in „eine ikonische, überlebensgroße Figur“, so das Gericht.
Dieser Auffassung erteilte das Berufungsgericht eine klare Absage – und rüffelte das erstinstanzliche Gericht. Berufungsrichter Gerard E. Lynch stellte in seinem Urteil klar, dass der Bezirksrichter nicht die Rolle eines Kunstkritikers einnehmen und versuchen solle, die Absicht oder die Bedeutung der streitigen Kunstwerke zu ermitteln.
Rechtlich bestehe eine klare und wesentliche Ähnlichkeit zwischen den beiden Werken von Goldsmith und Warhol. Richter Lynch verglich Warhols Stil mit dem eines Filmemachers, der über einen leicht identifizierbaren Stil verfüge und ein Buch verfilme. Trotz einer solchen Verfilmung bleibe der Film doch ein abgeleitetes Werk. Um eine transformative Arbeit mit überwiegendem Eigencharakter zu entwickeln, so das Gericht, müsse man schon etwas mehr aufbieten, als das zugrunde liegende Hauptwerk mit einem Stil zu überformen.
Die Warhol Foundation plant wohl, gegen das Urteil in die nächste Instanz zu gehen. Dies ist schon allein deswegen angebracht, weil der Rang, den Warhols Technik und Stil in der Kunstgeschichte genießen, gesichert werden muss – und damit auch sein Marktwert. Denn letztlich entlarvt das Gerichtsurteil Warhol als Kopisten mit eigenem Dekorationsstil – wenn man die Sache aus der Perspektive der Fotografin Goldsmith betrachtet.
Diese Sichtweise könnte mithin auf weitere Werke Warhols angewendet werden, die in gleicher Weise entstanden sind. Dass diese Perspektive möglicherweise einer kunsthistorischen Blasphemie gleichkommt, ist Juristen per se egal. Denn hier geht es nur um die rein rechtliche Beurteilung zweier sich gegenüberstehender, urheberrechtlich geschützter Werke – nicht um die Bedeutung eines Künstlers für die Kunstgeschichte. Denn, wie Richter Lynch selbst bemerkte: Das Gericht hat sich nicht als Kunstkritiker zu betätigen, sondern die Gesetze und die bestehende Rechtsprechung aus juristischer Sicht auszulegen. Und da kann aus einer Pop-Art-Ikone ganz schnell ein simpler Kopist werden.