In unserer Septemberausgabe lassen wir uns begeistern vom Großmeister der Stille: Johannes Vermeer. Wir erinnern daran, wie Coco Chanel die Kunst des Parfüms revolutionierte und verbringen drei Tage in den alten Kulturstädten Arles und Nîmes
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24.08.2021
Ein Lautmaler war er nicht, im Gegenteil: Aus den Pinseln des Holländers Johannes Vermeer ist eine tiefgründige Ruhe in seine Bilder geflossen. Solitäre Figuren stehen lesend, flüsternd oder sinnierend in stillen Stuben. Über die Jahrhunderte hinweg scheinen sie uns zur Kontemplation und inneren Einkehr aufzufordern – das ist die moderne Rezeption dieses außergewöhnlichen Barockmalers. Umso spannender, wenn jetzt ein neuer Blick die gewohnte Interpretation auf den Kopf stellt: In der Dresdner Gemäldegalerie haben Restaurierungsarbeiten an dem Bild „Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster“ (um 1657/1658) ein zuvor verborgenes Detail im Hintergrund freigelegt. Statt einer leeren Wand ist nun ein Gemälde mit einem nackten Amor zu sehen, der sich auf einen Bogen stützt. Der Künstler hatte der blondgelockten jungen Frau also einen Begleiter zugedacht. Anlässlich der großen Vermeer-Ausstellung in Dresden spürt unser Autor Simon Elson der Bedeutung des kleinen Cupido nach.
Auch Coco Chanel könnte man sich gut als Heldin eines Vermeer-Gemäldes vorstellen. Ihre Kindheit in einem Waisenhaus prägte die französische Modeschöpferin mit einem Sinn für aufgeräumte Dezenz, der sich in Kleiderentwürfen von raffiniertem Minimalismus äußerte. Vor genau 100 Jahren schlug Coco jedoch einmal legendär über die Stränge: Ihr Parfüm Chanel No. 5 war eine Geruchskreation von maximaler Eindrücklichkeit, so abstrakt und komplex wie ein kubistisches Gemälde, unmöglich eine einzelne Note darin herauszuschnuppern. Nicht nur Schauspielerin Marilyn Monroe verfiel diesem Duft, den die Kosmetikbranche noch heute respektvoll „das Monster“ nennt.
Als Stimulus für die Sinne wird in Reiseführern das südfranzösische Arles gepriesen. Traditionelle Wochenmärkte locken hier mit zahllosen Aromen und vielfältig leuchtenden Farben, nicht weniger bunt als die Bilder Vincent van Goghs, die in der Stadt entstanden. Die Seele der Provence wird im Museum des Dichters Frédéric Mistral bewahrt. Man kann zudem versuchen, die flüchtigen Trends der Fotografie zu erhaschen oder seine Hände beglückt auf die alten Steine römischer Baukunst legen. Auch die Stararchitekten der Gegenwart haben sich in der Region mit spektakulären Museen verewigt. Drei kunstsinnige Tage haben wir in Arles und der benachbarten Stadt Nîmes verbracht.