Fotografie in Salzburg

Im richtigen Moment

Seit Jahrzehnten ist Salzburg ein wichtiger Standort für Fotografie. Mit der Präsentation der Skrein Photo Collection wird nun der Ruf nach einem Bundesmuseum lauter

Von Tim Ackermann
31.08.2021
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 187

Dass Salzburg eine Fotostadt ist, merkt Kerstin Stremmel sofort, wenn sie am Abend von ihrem neuen Arbeitsplatz nach Hause geht. Überall in den Straßen sieht sie Menschen mit gezückten Handys und Kameras. „Mir scheint, Salzburg ist nach Venedig die Stadt, die am meisten fotografiert wird“, sagt Stremmel. Die Kölner Kuratorin hat am 1. Juni die Sammlungsleitung Fotografie und Medienkunst im Museum der Moderne Salzburg (MdMS) übernommen. Zu ihren Plänen, wie sie den Diskurs in Salzburg künftig prägen will, sagt sie: „Ich kann mir gut vorstellen, beispielsweise Fragestellungen von Ausstellungen auf die Sammlung zuzuschneiden.“ Immerhin bewahrt das MdMS die fotografischen Bestände des Landes mit 10 000 Arbeiten sowie die Fotosammlung des Bundes mit 12 000 Bildern.

Fotografie Salzburg
Viele Bilder anonymen Ursprungs wie „Churchill erhält ,blendenden‘ Empfang“ (1949) ­gehören zur Skrein Photo Collection. © Skrein Photo Collection

Zugleich ist Stremmels Einstand im Museum mit einem etwas anderen Akzent verbunden, der für Aufsehen sorgt: Unter dem Titel „Tell Me What You See“ sind dort bis zum 17. Oktober rund 300 Werke aus der Skrein Photo Collection zu sehen. Christian Skrein war in den wilden Sechzigerjahren der bekannteste Fotoreporter Österreichs, dann wurde er Werbefilm-Regisseur in Hollywood und erwarb nebenbei fünf Jahrzehnte lang Fotografien. Mehrere 100 000 Bilder sollen es sein, viele von anonymen Schöpfern. Seit April vergangenen Jahres hat Stremmel die Bestände gesichtet und dabei Überraschendes ans Licht geholt: „Es war nicht unbedingt bekannt, dass es in der Skrein Photo Collection über die Schnappschussfotografie hinaus auch so viele bedeutende Bilder gibt“, erzählt sie. Marc Ribouds tänzelnder Maler im Gestänge des Eiffelturms. Richard Peters Blick über das von Bomben zerstörte Dresden. Robert Capas Landung der Alliierten in der Normandie. Bilder, die den „entscheidenden Augenblick“ einfingen, und solche, in denen mehr Inszenierung steckt als gedacht: „Dorothea Lange hat 1936 ihr berühmtes Porträt ›Migrant ­Mother‹ geschossen“, sagt Stremmel. „In der Skrein Photo Collection haben wir ein Foto von Lange, das sie kurz davor von der Farmerin und ihrem Baby gemacht hat. Also muss man hier hinter das Konzept des ›entscheidenden ­Augenblicks‹ ein Fragezeichen setzen und über die Genese der Bilder nachdenken.“

Fotografie Salzburg
Das anonyme Bild „Zwei Hälften“ gehört zur Skrein Photo Collection. © Skrein Photo Collection

Ein kräftiges Ausrufezeichen verleiht die Ausstellung dem Wunsch, in Salzburg ein Bundesmuseum für Fotografie zu errichten. Vor fünf Jahren brachte man eine solche ­Institution für Wien ins Gespräch, die politischen Anläufe gerieten jedoch ins Stocken. 2019 lenkte dann Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer per Machbarkeitsstudie den Blick auf ein Gelände hinter dem Museum der Moderne auf dem Mönchsberg. „Durch die Sammlung des Bundes beschäftigt sich unser Haus seit den frühen Achtzigerjahren mit der Rolle der Fotografie in Österreich“, erklärt MdMS-Direktor Thorsten Sadowsky. „Das ist ein wesentliches Pfund, mit dem sich die Stadt und das Land Salzburg positionieren.“ Eine enge Verbindung zwischen Bundesfotomuseum und MdMS wäre „sinnfällig“. Christian Skrein, der Sammler vom nahen Wolfgangsee, käme voraussichtlich als Dauerleihgeber ins Spiel. Ob die Politik ein Bundesmuseum außerhalb Wiens je befürworten würde, ist allerdings noch unklar. Thorsten Sadowsky sieht immerhin positive Signale: „Es gibt eine Stimmungslage, die sagt, es muss nicht alles in der Metropole Wien sein.“ So richtet gerade das Wiener Belvedere bis 2026 eine Dependance im Salzburg Museum ein.

Fritz Macho Fotografie Salzburg
Aus Fritz Machos Serie „Familienbilder“ im Fotohof. © Fritz Macho

Noch ein zweites Haus macht Salzburg zur Stadt der Lichtbildkunst: Am 11. Juni feierte der Fotohof 40-jähriges Bestehen. 1981 als studentische Initiative gegründet, hat sich die größtenteils öffentlich geförderte Galerie eine flache Hierarchie bewahrt. „Es gibt nicht den einzelnen Kurator, sondern immer die Gruppe“, sagt Galeriemitglied Kurt Kaindl zur Programmgestaltung. Im Fotohof Archiv, das ausgewählte Positionen wie Inge Morath bewahrt, sind bis zum 11. November wunderbare Aufnahmen von Fritz Macho ab den Dreißigerjahren zu sehen – jenem fotografierenden sozialistischen Schlosser aus dem Salzburger Land also, dessen Schau 1981 die erste im Fotohof war.

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