Seit Jahrhunderten machen sich wissbegierige Menschen mit Globen ein Bild von der Erde und den Sternen. Es ist ein uferloses Sammelgebiet, dem man sich mit unterschiedlichsten Vorlieben und Geldbeuteln annähern kann
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13.09.2021
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 188
Der Schriftsteller Ingo Schulze hat es unlängst auf den Punkt gebracht: „Es gibt keinen Globus für Deutschland, und es gibt auch keinen für Europa.“ Denn ein Globus nimmt immer das Ganze in den Blick. Die auf ein handliches Maß reduzierten Erdkugeln, ob als Zierstück, Lehrstück oder Kuriosum, spiegeln die Welt, so wie sie ist – zu einer bestimmten Zeit. Das gilt nicht nur für die Epoche der Entdeckungen, als bislang unbekannte Inseln und neue Kontinente die weißen Flecken verdrängten. Globen, nicht nur historische, erzählen von der Vermessung der Welt, einst und jetzt.
Heißt die Insel südlich von Australien, die der Niederländer Abel Tasman 1642 entdeckte, noch Van-Diemens-Land, entstand der Globus vor 1856, als die britische Kolonie offiziell in Tasmania umbenannt wurde. Erscheint Belgien als Staat, entstand der Globus nach 1830, dem Jahr der Selbstständigkeit. Und den politischen Umbruch in Europa 1990 dokumentieren nicht zuletzt die Grenzverläufe auf den Globen vor und nach diesem Datum. Allerdings gibt es, ungeachtet neuer geografischer Erkenntnisse, auch eine Beharrlichkeit des Irrtums. Das heutige Baja California wurde noch bis 1730 als Insel eingezeichnet, obwohl es bereits 1587 auf einer Mercator-Karte korrekt als Halbinsel zu erkennen ist.
Dass die Erde eine Kugel ist, wussten bereits die Pythagoreer, auch Aristoteles lehrte es. Aber das Europa des Mittelalters nahm das nicht zur Kenntnis. Man kannte zwar die antiken Mythen von Urania und Atlas, der das Himmelsgewölbe trägt. Auch kamen Himmelsgloben aus der arabischen Welt nach Europa. Der Mathematisch-Physikalische Salon im Dresdner Zwinger besitzt eines der sechs erhaltenen Exemplare aus dem späten 13. Jahrhundert, in den ein Astronom im persischen Maragha 48 Sternbilder nach Ptolemäus und fast tausend einzelne Sterne gravierte.
Der früheste erhaltene Erdglobus, der „Behaimsche Erdapfel“, im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg verwahrt, stammt erst aus dem Jahr 1492 – als Kolumbus zu seiner ersten Reise nach Amerika aufbrach. Er entstand im Auftrag des Nürnberger Patriziers Martin Behaim, der im Dienst der Portugiesen die westafrikanische Küste erkundet hatte. Wie der Hunt-Lenox-Globus von 1504 (in der New York Public Library) ist der Nürnberger Erdball handgemalt, ein Unikat, ein sogenannter Manuskriptglobus.
Erst die gedruckte Weltkarte Martin Waldseemüllers von 1507, ein Holzstich mit zwölf elliptischen Segmenten, die sich gut auf eine Kugel kaschieren ließen, leitete die hohe Zeit der Globen ein. Mit Johannes Schöner, einem Schüler Waldseemüllers, zuerst in Bamberg, dann in Nürnberg, begann 1515 die kommerzielle Herstellung: in der Regel als Paar von Erd- und Himmelsglobus. Allerdings sind von Schöners frühen Erdgloben nur zwei (einer in Weimar, der andere in Frankfurt) erhalten geblieben. Zwei, drei Jahrzehnte später sorgten Gemma Frisius, Gerhard Mercator oder Jodocus Hondius – versierte Astronomen und Mathematiker, die sich im Handwerk der Globenmacher und den Möglichkeiten des Kartenstichs auskannten – für eine weitere Professionalisierung der Kartografie.
Die Globen aus diesem Umfeld sind allerdings rar wie die Blaue Mauritius. Wenn die berühmten Namen in Auktionskatalogen erscheinen, werden sie meist von einem einschränkenden, preismindernden „nach“ oder „after“ begleitet. Denn die Druckplatten wurden weiterverkauft und anderweitig genutzt, weil der Kupferstich größere Auflagen erlaubte als Globen nachgefragt waren. Dass zu den rund 250 Stücken im Besitz des 2013 verstorbenen Wieners Rudolf Schmidt auch der einzige erhaltene Erdglobus von Gemma Frisius gehörte (datiert 1536), war ein außergewöhnliches Sammlerglück.
Sehr begehrt sind auch die Schöpfungen von Vincenzo Coronelli, dem Namensgeber der Internationalen Coronelli-Gesellschaft für Globenkunde. Beachtliche 120.000 Euro, das Zweieinhalbfache der Taxe, kostete 2008 bei Venator & Hanstein das Paar eines Himmels- und Erdglobus von 1696. Ein Coronelli-Duo aus dem gleichen Jahr erzielte 2017 bei Bonhams in London samt Aufgeld 149.000 Pfund. Sein Meisterstück fertigte Coronelli bereits 1681–83 mit dem riesigen Globenpaar (Durchmesser knapp vier Meter) für Ludwig XIV. Die Prachtstücke stehen heute in der Pariser Bibliothèque nationale.
Einen Globus zu besitzen zeugte von Wohlstand und Dignität, verbunden mit dem Wissensdrang, über die eigene Heimat hinauszuschauen. In den fürstlichen Residenzen wie den Häusern reicher Patrizier waren Globen repräsentative Schaustücke. Sie dienten als diplomatische Geschenke und wurden auch als Kriegsbeute nicht verachtet.
Und je größer eine solche Erd- oder Himmelskugel war, desto bedeutender meinte der Auftraggeber zu sein. Die beiden großen Exemplare, die der Columbus-Verlag eigens für Hitlers Reichskanzlei ausführte, durften deshalb nicht in das normale Programm des Verlages aufgenommen werden. Charlie Chaplin hat das im „Großen Diktator“ beim Tanz mit einem Riesenglobus unvergesslich parodiert. Am Ende platzt die Weltkugel, was den Tyrannen Anton Hynkel weinend zusammenbrechen lässt.
Das 18. Jahrhundert hatte nicht solche Probleme, die Globen versprachen eine offene Welt. Und ein solides Geschäft. In Deutschland beherrschte seit 1728 der Astronom und Direktor der Nürnberger Sternwarte, Johann Gabriel Doppelmayr, den Markt. Je nach Größe, Genauigkeit und Erhaltung schwanken die Preise gegenwärtig bei Auktionen zwischen 5000 und 90.000 Euro.
Das Repertoire der teuren Sammlerstücke beginnt mit den Globen von Willem Blaeu, der 1602 in Amsterdam eines der erfolgreichsten Familienunternehmen für Karten sowie Erd- und Himmelsgloben gründete. Im selben Jahr entstand die Vereinigte Ostindien-Kompanie, der es gelang, den Seehandel mit China und Japan für die Niederlande zu monopolisieren. Damit war eine große Nachfrage nach nautischem Material verbunden. Diese Handels- und Erkundungsreisen erweiterten die geografischen Kenntnisse, sodass die Karten und Globen immer genauer wurden, aber auch immer wieder ergänzt und aktualisiert werden mussten.
Das schloss anekdotisches Beiwerk nicht aus. So verzeichnete Johannes Schöner auf seinen Globen den Weg, den die Heiligen Drei Könige gewählt hatten, oder Schiffe wie bedrohliche Seeungeheuer kaschieren die noch unerforschten Gegenden. Auf dem Petworth Globe von 1592, einem der sechs erhaltenen frühen englischen Globen von Emery Molyneux, sind die Weltumseglungen von Francis Drake und Thomas Cavendish eingezeichnet. Und auf einem Doppelmayr-Globus von 1728 findet man die Routen von Ferdinand Magellan, Abel Tasman und William Dampier sowie, fantasievoll vorweggenommen, die arktische Nordwestpassage, die damals nicht mehr als eine Idee war.
Zurück zu den Blaeu-Globen, bei denen sich grob drei Perioden unterscheiden lassen. Auf den frühesten Versionen um 1617 kennt man Tasmanien und Neuseeland noch nicht, während Feuerland als eine große Insel südlich der Magellanstraße erscheint. 1622 taucht Kap Hoorn bereits auf; und die späten Globen von 1645/48 zeigen nun auch die westliche Hälfte Australiens als Nova Hollandia sowie die Küstenlinien von Van-Diemens-Land und Neuseeland. Globen hatten gegenüber den Karten, die, wenn neue Erkenntnisse zu berücksichtigen waren, neu gestochen werden mussten, den Vorteil, dass Veränderungen schnell als Ausschnitt neuer Kupferstiche gedruckt und aufgeklebt werden konnten. Blaeus Globen gab es in Größen von zehn bis 68 Zentimeter Durchmesser. In der mittleren Größe kostete damals ein Erdglobus sechzehn, ein Himmelsglobus neun Gulden, und für ein Paar der größten Ausführung zahlte der Bischof von Winchester fünfzig Pfund.
Das waren beachtliche Preise, aber das ist heute nicht anders: Bei Bruun Rasmussen stieg 2005 ein einzelner Erdglobus von Blaeu auf 305.000 Euro. Das bisher teuerste Paar wurde im April 2008 bei Christie’s in Amsterdam für 794.000 Euro zugeschlagen. Und gegenwärtig hofft Daniel Crouch, für ein Paar Blaeu-Globen von 1645, Durchmesser 68 Zentimeter, 1,5 Millionen Pfund erlösen zu können. Damit möchte der Londoner Händler offenbar mit dem bislang teuersten Globenpaar gleichziehen, einer silbernen vergoldeten Tafelzier des Augsburger Goldschmieds Abraham II. Drentwett von 1698: ein Erdglobus, getragen von Herkules, sowie ein Himmelsglobus auf den Schultern von Atlas. Die Pariser Galerie Kugel bot im April 2010 bei Christie’s 1,5 Millionen Euro für diese Rarität.
An zweiter Stelle rangiert ein Paar aus vergoldetem Kupfer, das 1579 wahrscheinlich in der Duisburger Werkstatt von Mercator gefertigt und – wie eine Inschrift verrät – Sultan Murad III. gewidmet war, der in Istanbul ein Observatorium eingerichtet hatte. Im Oktober 1991 schlug das Stück bei Christie’s London mit 1,02 Millionen Pfund zu Buche. Außerdem gehört zu der Spitzengruppe der älteste bekannte japanische Himmelsglobus: Die durchbrochene Kupferkugel, von einem seitlich angebrachten Uhrwerk gedreht und wohl aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammend, birgt außerdem eine Box mit einer Erdkarte. Das wurde im Dezember 2017 bei Piguet in Genf mit stattlichen 912.000 Franken honoriert.
Die Regel sind solche Zuschläge allerdings nicht. Bei Globen aus dem 17. Jahrhundert bleiben sie meist fünfstellig. Zudem ist das Feld der frühen Sammlerstücke von musealer Qualität stark ausgedünnt, sehr viel kommt davon nicht mehr auf den Markt. Je mehr man sich der Gegenwart nähert, desto moderater sind die Preise. Vor allem für die oft sehr reizvollen, auch abwechslungsreichen „Gebrauchsgloben“ des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die in großer Zahl gefertigt wurden. Selten mehr als 500 Euro kosten etwa die Globen der 1854 in Prag gegründeten Manufaktur Felkl & Sohn. In ihren besten Zeiten soll sie jährlich 15.000 Erd- und Himmelskugeln produziert haben, denn seit 1870 musste jede Schule in der österreichisch-ungarischen Monarchie einen Globus besitzen. Und Felkl beackerte geschickt dieses Feld, indem er alle Sprachen des Habsburger Reiches berücksichtigte.