Kunst und Recht

Kunsthandel im Visier des Papiertigers

Zahlreiche Gesetzesprojekte aus Karlsruhe und Brüssel bewegen den deutschen und den europäischen Kunstmarkt. Während einerseits die Mühlen von Exekutive und Legislative fleißig mahlen, herrscht andererseits vielsagende Stille. Was sind die Konsequenzen für Händler und Sammler?

Von Zacharias Mawick
07.10.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 15

Das Bundesverfassungsgericht stellt in Bezug auf das umstrittene Kulturgutschutzgesetz fest, dass es nicht zuständig ist. Diese Nachricht aus Karlsruhe erreichte die Teilnehmer des Kunstmarkts Anfang August und stieß größtenteils auf Unverständnis. Angesichts des Spannungsbogens einer dreijährigen Bedenkzeit muss die nüchterne Feststellung bestehender Subsidiarität des höchsten Gerichts zumindest enttäuschen, auch wenn sie sich problemlos in das Schicksal der Mehrzahl von Verfassungsbeschwerden einreiht, von denen gerade einmal zwei von Hundert zugelassen, also auch inhaltlich geprüft werden.

Die Konsequenz für Händler und Sammler ist, dass nun Prozesse um jede einzelne streitige Frage in Bezug auf das Kulturgutschutzgesetz geführt werden müssen. Das bedeutet vor allem eines: Verwaltungsaufwand sowohl für Marktteilnehmer als auch für Behörden und Gerichte. Von der rechtlichen Argumentation her ist der Beschluss des Gerichts sicherlich einwandfrei. Jedoch stellt allein das einhergehende Prozess- und damit Kostenrisiko einen Wettbewerbsnachteil dar – ein Aspekt, der in den insgesamt sechs Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht eine große Rolle spielte. Die Bühne ist also frei – die private wie öffentliche Verwaltung spitzt bereits die Bleistifte.

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In unserer Rubrik „Kunst und Recht“ beschäftigen wir uns regelmäßig mit Streitfällen und Rechtsfragen im Kunstmarkt. © Andrea Ventura

Die Brüsseler Behörden haben derweil an einer Durchführungsverordnung zu der Verordnung der EU über das Verbringen und die Einfuhr von Kulturgut gearbeitet. Die Durchführungsverordnung ergänzt seit Juni 2021 die Regeln zur Einfuhr von Kulturgütern aus Drittländern – zu denen nun auch das Vereinigte Königreich gehört – um das Kleingedruckte. Je kleiner die Schrift, desto dringlicher die Empfehlung, genau hinzusehen: In der Durchführungsverordnung sind diejenigen Fristen für Anträge, Meldungen und Genehmigungen genannt, die in der Praxis über das Gelingen oder Scheitern eines Geschäfts entscheiden können. Pikant ist dabei, dass unbeantwortete Anträge von Behörden zwar nach 90 Tagen als genehmigt gelten. Allerdings kann der Beginn des Fristlaufs durch Forderung von zusätzlichen Informationen verschoben werden, auf die der Antragsteller dann freilich innerhalb von 40 Tagen zu antworten hat, um einem negativen Bescheid zu entgehen. Wie die angeforderten Informationen, zum Beispiel jahrzehntealte Ein- und Ausfuhrpapiere, nach wahrscheinlich mehreren zwischenzeitlichen Erwerbsvorgängen aufgebracht werden sollen, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Die Tinte des überarbeiteten deutschen Geldwäschegesetzes mit allen bürokratischen Implikationen für den Kunsthandel ist noch nicht ganz trocken, da kommt, ebenfalls aus Brüssel, der Vorschlag der Kommission, die 5. Geldwäscherichtlinie nochmals zu verschärfen. Europaweit soll eine Bargeldobergrenze von 10.000 Euro eingeführt werden – was angesichts der ohnehin flächendeckend geltenden Bargeldobergrenzen aus Praxissicht lediglich eine Randnotiz wert ist. Auf der Metaebene stellt sich indes die Frage, wie es um die Zukunft des gesetzlichen Zahlungsmittels bestellt ist.

Geldwäsche
Die Tinte des überarbeiteten deutschen Geldwäschegesetzes ist noch nicht ganz trocken, da kommt aus Brüssel der Vorschlag, die 5. Geldwäscherichtlinie nochmals zu verschärfen. © Pixabay

Während in den Organen der EU die Mühlen von Exekutive und Legislative also fleißig mahlen, herrscht bei anderen Gesetzesprojekten vielsagende Stille. Das 2017 vom Europarat in Nicosia beschlossene völkerrechtliche Übereinkommen über Straftaten im Zusammenhang mit Kulturgut wird seit 2019 von der deutschen Regierung geprüft und tritt erst dann in Kraft, wenn mindestens fünf Staaten die Konvention unterzeichnet haben, was derzeit noch nicht der Fall ist. Das Übereinkommen zielt darauf ab, Lücken in der nationalen Gesetzgebung in Bezug auf den Kulturgutschutz zu schließen. Da es auch strafrechtliche Vorgaben enthält, gleichzeitig jedoch auf unbestimmte Definitionen im Tatbestand zurückgreift, bestehen rechtliche Bedenken in Bezug auf den Bestimmtheitsgrundsatz.

Auch das belgische Komplettverbot des Handels mit Antiquitäten aus Elfenbein, das bereits im Oktober 2019 in Kraft treten sollte, liegt wohl weiterhin zur Unterzeichnung in der Schublade von König Philippe. Zur Anwendbarkeit Bedarf es der Unterschrift des Königs und der Publikation im Belgischen Staatsblatt. Zumindest letzteres ist noch nicht erfolgt.

Derweil widmet sich der belgische Justizminister anderen Aufgaben, so zum Beispiel der umfassenden Reform des Zivilgesetzbuchs, das bisher noch in weiten Teilen auf dem Code Napoleon beruht. Hunderte von Regalmetern juristischer Literatur dürften ab September entweder in den Papierkorb oder in rechtshistorische Archive wandern. Im sachenrechtlichen Teil betrifft die Reform insbesondere einen exotischen – aber in der Praxis gar nicht so seltenen – Aspekt aus dem Kuriositätenkabinett des Kunstrechts: Dem Schatzfund, der in Belgien im Gegensatz zu Deutschland auch den klassischen Dachbodenfund umfassen kann. Hier, aber auch bei Fragen des gutgläubigen Erwerbs und der Ersitzung, muss man sich bald auf neue Fristenregelungen einstellen. Angesichts des grenzüberschreitenden Charakters des Kunsthandels und der steigenden Attraktivität Brüssels als Kunststandort nach dem Brexit werden Eigentumsfragen in Zukunft gelegentlich auch in Deutschland auf Grundlage dieser neuen Regeln beantwortet werden müssen. Beim Kuriosum des Schatzfundes bleibt schließlich nur zu hoffen, dass das belgische System keine Schule machen wird, denn hier kommen situationsabhängig unterschiedliche Fristen im Zusammenspiel mit Meldeobliegenheiten bei den Behörden zur Anwendung und das wird – man ahnt es schon – vor allem der Bürokratie weiteren Vorschub leisten.

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