Lola Montez

Schaut auf mich!

Die Tänzerin Lola Montez, die vor 200 Jahren geboren wurde, hat den bayerischen König Ludwig I. um Kopf, Krone und viel Geld gebracht. Wer nach ihren Spuren in der Kunst sucht, stößt auf Verklärung, Ironie und Spott

Von Sabine Spindler
24.10.2021
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 191

Sie tanze, als schreibe sie mit dem Körper Casanovas Memoiren, schrieb eine Zeitung nach Lola Montez’ Auftritt vor dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. in Berlin. Richard Wagner war weniger amüsiert und nannte die von vielen als talentlos kritisierte Tänzerin, die in Dresden ein Hotelzimmer zertrümmert haben soll, ein „herzloses, dämonisches Wesen“. Für den bayerischen König Ludwig I. hingegen wurde sie zur „Königin seines Herzens“ – ein Liebestitel, den sich die skandalumwitterte, aber taktisch kluge Lola Montez übrigens selbst ausgedacht hatte. Nur zwei Tage brauchte sie im Oktober 1846, um in München eine Audienz bei dem Monarchen zu bekommen.

Die 24-Jährige muss eine Erscheinung gewesen sein wie ein Mix aus Elizabeth Taylor, Sophia Loren und Madonna: aufregend. Die Geschichte, dass Lola vor dem pockennarbigen Sechzigjährigen ihr Mieder öffnete und ihren Busen zeigte, wurde später gern kolportiert. Wahr ist, dass Ludwig ihr nach dem ersten Treffen eine Tanzeinlage im Hoftheater gestattete. Zwischen zwei Akten des Stücks mit dem bezeichnenden Titel „Der verwunschene Prinz“ kam eine Amour fou der Biedermeierzeit zur Zündung. Politisch brachte diese Liaison die Münchner zur Weißglut, dem Monarchen kostete sie letztlich die Krone und viel Geld. Als Montez anderthalb Jahre später als Buhfrau der revolutionären Unruhen von 1848 in die Schweiz floh, besaß sie nicht nur ein Palais in der Nähe der Pinakothek und den Titel einer Gräfin. Ludwig hatte sie auch mit einem Jahressalär von 10 000 Gulden ausgestattet.

Der liebeskranke König

Romanciers, Filmemacher und Historiker hat die Geschichte vom königlichen Sugardaddy und seiner verführerischen und kapriziösen „Lolitta“ immer wieder gereizt. Die Fantasie blühte, besonders nach ihren egomanischen Memoiren. Wer in München ihre Spuren sucht, wird viel Mythos und wenig Konkretes finden. Dreimal hat Ludwig I. sie porträtieren lassen. Und jedes Mal erzählen diese Gemälde mehr vom Wunschtraum eines Monarchen als von der Seele dieser selbstbewussten Frau, der man mitunter die Rolle einer bayerischen Madame Pompadour andichtete. Als kunstsinniger König verstand Ludwig einiges von der Macht der Bilder. Nicht umsonst hatte er Bedenken, das erste, schon 1846 entstandene Porträt in seiner Schönheitengalerie zu belassen. Zu frivol, zu freizügig, zu verräterisch war es. Lola als leicht bekleidete Tänzerin neben der erfrischend aparten Auguste Strobl und der sittsamen Kindfrau Helene Sedlmayr, das wäre Öl ins Feuer der Klatschspalten gewesen. In den Zeitungen wurde schon vor dem Münchner Intermezzo jeder Peitschenhieb, den die feurige Lola mit ihrer Reitgerte hin und wieder austeilte, ausgebreitet.

Aber dass der König dieser Frau mit den dunklen Haaren und den stechend blauen Augen für ewig einen Platz in der Kunst reservieren musste, stand für ihn schon bei ihrem ersten Auftritt fest. Lolas Tanzvorführung war kaum vorbei, da ließ Ludwig noch nachts seinen Hofmaler Joseph Karl Stieler seine Absichten übermitteln. Am Morgen legte er nach: „Wie steht’s? Wird das Bild gemalt? Im Fall es geschieht, Tag und Stunde der ersten Sitzung mir angeben.“ Stielers Atelier wurde das erste Liebesnest. „Sie sang, spielte Gitarre dazu. Hingerissen stürzte ich mich auf die Knie vor ihr“, schrieb Ludwig in sein Tagebuch. Für Hofarchitekt Leo von Klenze war Lola eine Bordellhure. Laut seiner Memoiren soll es zu „unglaublichen Ausbrüchen“ gekommen sein, die „nur des Liebesstammlers Raserei genannt werden könne“. Das Porträt blieb wohl im Besitz der Tänzerin; angeblich hat sie es später verkauft, seither ist es verschollen.

Lola Montez Wilhelm Kaulbach Porträt Stadtmuseum München
Wilhelm von Kaulbach malte die Mätresse des Königs 1847 mit raffinierter Ironie als kalte Renaissance-Herrscherin. © Münchner Stadtmuseum

Für die Schönheitengalerie in Schloss Nymphenburg orderte Ludwig bei Stieler Anfang 1847 ein züchtiges Bildnis. Im hochgeschlossenen schwarzen Kleid stellte er eine Frau voller Stolz und Selbstbewusstsein dar. Der schwarze Schleier und die roten Blumen spielten auf das Spanische an, das gerade in Mode war. Ludwig wollte Lola als Dame, als zukünftige Gräfin sehen. Das im Vergleich zu den anderen Frauenporträts der Schönheitengalerie gar nicht charmante oder süßliche Bild prägt bis heute die Ikonografie dieser modernen Hetäre. Wie viele Miniaturen danach entstanden, bleibt ungezählt. Auch Ludwig besaß eine. In einem Brief an Lola gestand er, dass er sie vor dem Schlafengehen küsse und unter das Kopfkissen schöbe.

So rein, so sittsam wie Stieler hatte sie noch keiner dargestellt. Kein Zigarillo und keine Spur von der Amazone im roten Samtkleid, die noch Jules Laure in Paris gemalt hatte. Überzeugen konnte sie an der Seine nicht. Sie zog weiter ins Badische, ins Rheinland. Und wohin sie kam, eilte ihr der Ruf voraus, dass sie das Kamasutra tanzen könne. Wirklich nützlich war ihr ein anderes Talent. Sie konnte Männerherzen entflammen, ohne sich zu unterwerfen, und die Eroberung wie ein Werkzeug einsetzen. „Sie war nicht Opfer, sondern Herrin ihres Schicksals“, schreibt Marita Krauss in ihrer unlängst erschienenen Lola-Montez-Biografie. Der bayerische König war wahrscheinlich der leichteste und lukrativste Fall. Er forderte nichts und gab alles. Als strenger Katholik erschien ihm Sex als Sünde. Ludwig suchte Zuwendung und Schönheit und fürchtete die Wutanfälle seiner Geliebten. Um ihren Wunsch nach einem Adelstitel durchzusetzen, riskierte er eine mittlere Regierungskrise. Einige Minister traten zurück.

Bissige Lola-Karikaturen

Was die Münchner Gesellschaft gegen die Kurtisane mit der bissigen Bulldogge so sehr aufbrachte, dass junge Burschen mit Pferdeäpfeln nach ihr warfen, lag auf der Hand. Sie rüttelte an den Konventionen. Lola hielt sich an keine Etikette und schlenderte am Arm des Königs die Theatinerstraße entlang. Man fürchtete um die Regierungsfähigkeit des ersten Mannes im Staat. In politischen Kreisen missfiel ihr wachsender Einfluss auf den Monarchen. Lola stichelte gegen die Jesuiten wie die konservativ-katholische Regierung und gab reichlich Personalempfehlungen. Der Magistrat der Stadt München, der die Einbürgerung strikt ablehnte, hatte in einer Frage recht: Keiner wusste, wer die Frau mit dem spanischen Namen und ohne Papiere wirklich war. Auch Ludwig war vor Liebe blind.

Lola Montez war eine Kunstfigur, geboren aus gesellschaftlichen Umständen und ihrem Charakter einer Systemsprengerin. Als Eliza Gilbert kam sie 1821 in Irland zur Welt, heiratete mit 16 ihren Liebhaber und wurde mit 18 wieder geschieden. Ihr altes Leben legte sie ab wie eine Schlange ihre Haut und erfand sich neu. Als Eliza Gilbert, geschiedene James, reiste sie nach Spanien, studierte die Tänze und Sitten und kam als Lola Montez 1843 nach London zurück.

Anonyme Karikatur auf Lola Montez und Ludwig I. a
Anonyme Karikatur auf Lola Montez und Ludwig I. © Münchner Stadtmuseum

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